Wie kommt man gut durch den Lockdown?
Und was macht die Kontaktsperre mit uns? Mit diesen Fragen hat sich der Gewerbeverein Backnang in einer Online-Expertenrunde beschäftigt. Bei dem Gesundheitstalk waren Experten aus verschiedenen Bereichen dabei, vom Optiker bis zum Hirnforscher.
Von Renate Schweizer
BACKNANG. Eigentlich mag man keine Expertenrunden mehr hören und sehen. Immer die gleichen Gesichter, die gleichen Sprüche, die gleichen Themen, immer das Virus – und nun lädt auch noch der Gewerbeverein zur Online-Expertenrunde, ausgerechnet der Gewerbeverein, muss das sein? Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, es muss. Denn diese Runde war erfrischend anders. Schon das Thema extrem alltagsrelevant: Was macht die Kontaktsperre mit uns? Wie kommen wir gut durch den Lockdown? Und die versammelten Experten, alle aus Backnang, kommen alle direkt aus dem richtigen Leben, alle keine Talk-Profis, zugegeben, aber Alltagsprofis, die was zu sagen haben.
Praxisbeispiele und Fragen der Online-Zuschauer.
Man höre und staune: ein Physiotherapeut (Rüdiger Lüftner), ein Kieferorthopäde (Peter Pilz), eine Hörakustikmeisterin (Anne Schirmböck), ein Augenoptikermeister (Stefan Krämer) und ein Küchenleiter (Udo Grabl). Und im Zentrum des Ganzen stand Frieder Beck, Autor („Sport macht schlau“) und Lehrer (also doch ein Talk-Profi) und ausgewiesener Fachmann für den Zusammenhang zwischen Bewegung und Hirnleistung. Er hält den Impulsvortrag und verknüpft das Spezialwissen der Fachleute mit den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung und heraus kommt: eine Überraschung nach der anderen.
Dazu ein paar Beispiele: Homeoffice im Winter, das heißt LED-Beleuchtung von morgens bis abends, hell und klar. Hell ist gut, denken wir, schon wegen der Stimmung. Purer Stress für die Netzhaut, sagt der Augenoptiker. Unsere Augen brauchen natürliches Licht, trübe Tage, hellen Sonnenschein, Licht und Schatten. Was tun also? Die Antwort der Experten: Wecker stellen am Bildschirm, nach einer halben Stunde rumgucken, zum Fenster raus (idealerweise ins Grüne), viel blinzeln, etwas trinken, damit die Netzhaut schön benetzt und feucht bleibt.
Oder ein weiteres Beispiel: Sport machen nach einem langen Tag am Schreibtisch? Am besten auf dem Fahrradergometer? Nein, sagt der Physiotherapeut, denn auf dem Fahrrad ist man gleich wieder in der Beugehaltung wie am Schreibtisch, es kommt jetzt aber grade auf die Aufrichtung an. Oder: Homeschooling, Homeoffice und dann auch noch Haushaltsmanagement und Kochen – die Mütter stöhnen unter der Mehrfachbelastung. Die Arbeit neu aufteilen, schlägt der Koch vor. Kochen ist das ideale Gebiet dafür: Man muss planen, einkaufen, vorbereiten, kochen, Tisch decken – in all dem steckt ganz viel Bewegung, ganz viel Sinnlichkeit und ganz viel Chance zum Teamwork, das man nicht mal gleichzeitig machen muss. Und da mischt sich auch gleich der Hirnforscher geradezu jubelnd ein und redet von Gruppenkohärenz und dem superguten Gefühl, das wir haben, wenn wir einen wichtigen Beitrag fürs Wohlbefinden unserer Gruppe leisten können, da feuert nämlich das Belohnungszentrum im Gehirn aus vollen Rohren.
Das Online-Publikum kann Fragen stellen, die Moderator Josh Kochhann vom Bildschirm abliest. Zum Beispiel: Wie viel Sport brauchen Kinder, um die Hirnleistung zu fördern? Antwort Beck: Junge Kinder brauchen eigentlich gar keinen „Sport“ – sie brauchen Bewegung und Spiel und Interaktion mit anderen Kindern: verstecken und rennen und vielleicht einem Ball nachlaufen, aber keinen Ausdauersport. Später, wenn sie 14, 15 sind, wollen sie vielleicht von selbst auf die „Qualschiene“, aber das ist nur dann gut, wenn sie es freiwillig tun.
Eine weitere Frage: Welche Diät ist die richtige, um jetzt nicht zuzunehmen? Antwort: Möglichst gar keine und Kohlenhydrate am Abend sind gar nicht sooo schlecht. So geht das Schlag auf Schlag. Gut hören, Zahngesundheit, Bewegung, sogar streiten – alles wichtig fürs Gehirn. Und damit für den ganzen Menschen.
Schauplatz der Expertenrunde des BdS-Gewerbevereins ist das bestens ausgestattete und nigelnagelneue Studio „Kochwerk“ von Küche und Design, die ausgefuchste Technik managt Georg Beïs von Beïs Creations souverän und absolut tiefenentspannt. Lothar Buchfink, Vorsitzender des Gewerbevereins Backnang, begrüßt und verabschiedet und hält sich ansonsten aber im Hintergrund. Die Idee zur Veranstaltung ist erst beim vorweihnachtlichen Lockdown im Dezember entstanden, denn „einige unserer Mitglieder vervespern gerade ihre Altersversorgung“, meint der Vorsitzende – und schon war das Baby geboren und bestens geraten. Man muss in Bewegung bleiben, innen und außen und vor allem im Kopf. Grade jetzt.