„Law and Order“

Wie Trump den Tod einer jungen Ukrainerin politisch nutzt

Das Verbrechen eines Psychopathen schockiert Amerika – und polarisiert die Gesellschaft in einem zunehmend kaputten Land.

Das Weiße Haus macht sich den Fall zu eigen.

© AFP/SAUL LOEB

Das Weiße Haus macht sich den Fall zu eigen.

Von Michael Maier/AFP

Es sind schwer erträgliche Bilder: Seit Tagen fluten Anhänger von US-Präsident Donald Trump das Internet mit Aufnahmen einer Überwachungskamera. Sie zeigen, wie eine junge Frau in einer Straßenbahn von einem Mann hinterrücks erstochen wird. Trump legitimiert mit dem Vorfall in der Stadt Charlotte in North Carolina sein Vorgehen gegen Chicago, Washington und andere Hochburgen der Demokratischen Partei.

"Es ist buchstäblich zu sehen, wie das Blut dieser unschuldigen Frau von der Klinge des Mörders tropft, und jetzt klebt ihr Blut an den Händen der Demokraten, die sich weigern, böse Menschen ins Gefängnis zu stecken", schreibt Trump in seinem Onlinedienst Truth Social.

Junge Ukrainerin Iryna Zarutska hinterrücks erstochen

Das Opfer: Die 23-jährige Ukrainerin Iryna Zarutska, die 2022 mit ihrer Familie vor dem russischen Angriffskrieg in die USA geflüchtet war. Der mutmaßliche Täter: Decarlos Brown, ein 34-jähriger Schwarzer mit einem längeren Vorstrafenregister. Unter anderem wegen bewaffneten Raubüberfalls hatte er laut US-Medien acht Jahre im Gefängnis gesessen.

Das Opfer-Täter-Bild, das Trumps Anhänger verbreiten, ist vielsagend: Eine hübsche junge Frau mit großen dunklen Augen und blondgefärbten Haaren neben dem Steckbrief eines verstört blickenden Schwarzen mit Rastalocken und Tattoos. Auf einigen Bildern, die womöglich mit Künstlicher Intelligenz nachbearbeitet sind, erinnert die Ukrainerin an Marilyn Monroe.

„Blitz“-Operation gegen Migranten

"North Carolina und jeder andere Bundesstaat brauchen Gesetz und Ordnung," schrieb Trump, "und nur die Republikaner werden das liefern!" Bereits vor der Tötung der Ukrainerin hatte Trump Chicago als "gefährlichste Stadt der Welt" bezeichnet und angekündigt, gegen die angeblich grassierende Kriminalität vorzugehen. Die Einwanderungspolizei ICE geht dort inzwischen mit Sturmhauben maskiert in einer sogenannten "Blitz"-Operation gegen Migranten vor.

In der Hauptstadt Washington ist seit fast einem Monat die Nationalgarde im Einsatz, die mit Schnellfeuergewehren bewaffneten Soldaten patrouillieren in der Innenstadt und an Bahnhöfen. Auch in Los Angeles hatte Trump nach Protesten gegen seine Einwanderungspolitik Soldaten eingesetzt.

Schweigen die Medien über tote Ukrainerin

Der Fall der Ukrainerin ist da Wasser auf die Mühlen von Trumps Maga-Bewegung (Macht Amerika wieder großartig). Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, warf den Demokraten und den traditionellen Leitmedien am Dienstag vor, die Sache totzuschweigen, obwohl US-Medien breit über den Fall und Trumps Reaktion berichtet haben. In Europa fand der Fall bislang weniger Beachtung.

Die Demokratische Partei, die mit sinkenden Umfragewerten kämpft, wehrt sich zwar lautstark gegen Trumps autoritäre Anwandlungen, allen voran der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Doch die Demokraten, die sich unter Präsident Joe Biden für die Ukraine und ihre Flüchtlinge eingesetzt haben, sind in dem Fall in die Defensive geraten.

Täter-Opfer-Umkehr nach Bluttat?

Einige von ihnen kritisieren die Reaktion der demokratischen Bürgermeisterin von Charlotte, Vi Lyles, auf die Tötung der Ukrainerin. Lyles hatte zwar den Angehörigen der jungen Frau ihr Beileid ausgedrückt. Sie werde aber nicht "diejenigen verteufeln, die mit ihrer psychischen Gesundheit zu kämpfen haben oder obdachlos sind", schrieb sie mit Blick auf den mutmaßlichen Täter, der laut Medienberichten offenbar massiv unter psychischen Problemen litt, jedoch keine adäquate Behandlung erhielt. „Er hätte in der Psychiatrie sein müssen“, kritisiert seine Mutter ein offenbar versagendes Rechts- und Gesundheitssystem.

Iryna Zarutska vs. George Floyd

In konservativen Medien stößt indes sauer auf, dass für den Täter Spenden gesammelt werden, um diesem ein faires Verfahren zu ermöglichen. Anders als im Fall George Floyd scheint es für das Opfer dagegen weniger Empathie in der Öffentlichkeit zu geben.

Die Trump-Regierung jedenfalls will in dem Fall ein Exempel statuieren. Justizministerin Pam Bondi kündigte inzwischen an, auf Bundesebene gegen den Verdächtigen die Höchststrafe zu fordern. Dem 34-Jährigen droht damit die Todesstrafe.

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Erstellt:
10. September 2025, 16:32 Uhr

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