Wie werden Backnangs Straßen sicherer?
Schon drei tödliche Unfälle haben sich dieses Jahr in Backnang ereignet. Obwohl Orte und Ursachen unterschiedlich waren, stellt sich die Frage nach der Sicherheit im Straßenverkehr. Auch der Verkehrsausschuss des Gemeinderats befasste sich nun mit diesem Thema.

Ein Unfallschwerpunkt in Backnang: Beim Abbiegen von der Weissacher Straße in die Eichendorffstraße haben in den vergangenen Jahren mehrfach Autofahrer entgegenkommende Radfahrer übersehen. Ein neues Warnschild soll künftig auf die Gefahr hinweisen. Foto: K. Fritz
Von Kornelius Fritz
Backnang. Das Jahr ist gerade mal drei Monate alt, da haben bereits drei Menschen auf Backnangs Straßen ihr Leben verloren. Die erschreckende Unfallbilanz: ein getöteter Fußgänger in der Etzwiesenstraße, ein tödlicher Sturz eines Radfahrers in der Annonaystraße und zuletzt der tragische Unfall eines Rollstuhlfahrers, der ebenfalls in der Etzwiesenstraße – allerdings wesentlich weiter oben – von einem Auto erfasst und tödlich verletzt wurde. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 gab es im gesamten Rems-Murr-Kreis nur drei tödliche Unfälle, einer davon wiederum in Backnang.
Da drängt sich die Frage auf, ob es auf Backnangs Straßen gefährlicher zugeht als anderswo. Dennis Erhardt glaubt das nicht. „Für jeden dieser Unfälle gab es individuelle Gründe“, sagt der Leiter des Backnanger Polizeireviers. Keiner der Orte sei zuvor als Unfallschwerpunkt bekannt gewesen und es gebe auch keine Erkenntnisse, dass Mängel an der Straße oder den Sichtverhältnissen ursächlich waren. Ob ein Unfall glimpflich oder tödlich ende, sei manchmal auch eine Frage von Glück oder Pech oder ob ein Radfahrer einen Helm aufhatte oder nicht.
Gleichwohl untersucht die Polizei nach jedem schwereren Unfall genau, ob es Ursachen gab, die durch Änderungen im Straßenraum beseitigt werden können. „Wenn wir zum Beispiel feststellen, dass im Unfallbereich eine Straßenlaterne defekt war, melden wir das sofort an die Stadt“, erklärt Erhardt. Außerdem wertet die Polizei regelmäßig ihre Statistik aus und meldet sogenannte Unfallschwerpunkte an die zuständige Verkehrsbehörde.
In Backnang hat die Polizei zuletzt drei Stellen ausgemacht, an denen es eine auffällige Häufung von Unfällen gab. Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer stellte sie diese Woche im Verkehrsausschuss des Gemeinderats vor. Der erste Schwerpunkt liegt im vorderen Bereich der Grabenstraße. In den Jahren 2018 bis 2020 registrierte die Polizei hier drei Unfälle mit insgesamt drei leicht verletzten Personen. Hauptproblem in der Einkaufsstraße seien neben der Frequenz an Fahrzeugen die zu hohen Geschwindigkeiten, erklärte Blumer. In der verkehrsberuhigten Zone ist eigentlich nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt, das entspricht sieben Kilometer pro Stunde. Die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit liegt allerdings im Schnitt bei rund 20 Kilometer pro Stunde. Helfen könnten da häufigere Kontrollen, doch die Stadt verfügt aktuell nur über eine funktionsfähige Messanlage. Die sei aber relativ groß und deshalb schon von Weitem gut zu erkennen, erklärte Gisela Blumer. Sie wartet deshalb sehnsüchtig auf ein neues, handlicheres Gerät, das zwar schon längst bestellt, aber noch immer nicht geliefert wurde.
Die beiden anderen Unfallschwerpunkte befinden sich in der Weissacher Straße. Gefährlich ist hier zum einen die Einmündung zur Eichendorffstraße, wo die Polizei innerhalb von drei Jahren fünf Unfälle mit insgesamt sechs Leichtverletzten registriert hat. In vier dieser Fälle hatte ein Autofahrer beim Linksabbiegen einen Radfahrer übersehen. Um auf die Gefahr aufmerksam zu machen, will die Stadt deshalb an der Abbiegespur ein neues Verkehrsschild „Achtung Radfahrer“ aufstellen.
Auch den dritten Unfallschwerpunkt möchte die Verkehrsbehörde mit einem Warnschild entschärfen. Er befindet sich an der Kreuzung Weissacher Straße/Heinrich-Hertz-Straße. Obwohl der Knotenpunkt durch Ampeln geregelt ist, hat es auch dort innerhalb von drei Jahren fünfmal gekracht, sieben Personen wurden dabei leicht verletzt. Hier handelte es sich allerdings überwiegend um Auffahrunfälle durch Unaufmerksamkeit. Ein Warnschild „Unfallgefahr“ soll die Verkehrsteilnehmer hier künftig zu besonderer Vorsicht ermahnen.
Erster Bürgermeister Siegfried Janocha machte im Verkehrsausschuss allerdings auch deutlich, dass die Stadt Unfallgefahren niemals ganz beseitigen könne: „Wir können nicht alles und jedes regeln. Es braucht auch ein wenig Rücksichtnahme und Vernunft.“ In dieselbe Kerbe schlugen auch mehrere Stadträte. Michael Malcher (AfD) glaubt sogar, dass zu viele Regelungen den gegenteiligen Effekt haben: „Je mehr wir regeln, desto weniger Rücksicht wird genommen“, sagte Malcher und verwies auf den Ort Drachten in den Niederlanden, wo bewusst alle Schilder und Ampeln entfernt wurden, damit die Verkehrsteilnehmer vorsichtiger fahren und aufeinander achten.
Für Backnang wäre das aber wohl keine gute Idee, glaubt Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann. Um die Konflikte zu entschärfen, plant die Stadt in den kommenden Jahren dafür noch weitere bauliche Veränderungen. So solle zum Beispiel die Sulzbacher Straße komplett neu überplant werden, sagte Großmann. Ziel sei es, dort einen durchgängigen Radweg zu schaffen. Dass dafür sehr wahrscheinlich Parkplätze für Autofahrer wegfallen, würde die Verwaltung wohl in Kauf nehmen.