Wilhelm und Co. ziehen vors Bundesschiedsgericht

Fünf streitbare FDP-Mitglieder reichen Beschwerde gegen ihren Parteiausschluss ein – Anwalt stellt zudem Strafanzeige

Gudrun Wilhelm. Foto: A. Becher

Gudrun Wilhelm. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Nachdem das FDP-Landesschiedsgericht Ende März sechs Liberale aus der Partei ausgeschlossen hat (wir berichteten), wollen nun fünf der Betroffenen das Urteil anfechten. Gudrun Wilhelm aus Kirchberg an der Murr sowie die Backnanger Charlotte Klinghoffer, Sabine Krautter, Ulrich Jeggle und Axel Bauer haben relativ schnell nach dem Bekanntwerden des Urteils des Landesschiedsgerichts beschlossen, dass sie Beschwerde beim Bundesschiedsgericht in Berlin einreichen werden.

Den Ausgestoßenen war vorgeworfen worden, dass ihr Verhalten eine „schwere Verfehlung und Schädigung der Partei“ darstelle. Aus diesem Grund sei der Ausschluss gerechtfertigt. Wilhelm, Klinghoffer, Krautter und Jeggle hatten bei der jüngsten Regionalwahl auf der Liste „Freie Kommunale Rems-Murr“ kandidiert, Bauer hingegen bei der Wahl zum Backnanger Gemeinderat für „duhastdiewahl.org“.

Ermessensspielraum wurde überhaupt nicht ausgeschöpft

Das Urteil des Landesschiedsgerichts wurde dem Anwalt des Quintetts, Torsten Zebisch von der Stuttgarter Kanzlei Tsambikakis und Partner, am Samstag zugestellt. Allerdings wurde nur das Ergebnis mitgeteilt, so die Kritik von Zebisch. „Es heißt nur, es sei ein Schaden entstanden. Es wurde überhaupt keine Ermessensabwägung vorgenommen. Auch wurden zum Beispiel die großen Verdienste Wilhelms überhaupt nicht berücksichtigt.“ Der Ermessensspielraum ist laut Zebisch nicht nur fehlerhaft, sondern er ist völlig ausgefallen.

Jenseits des parteipolitischen Streits hat Zebisch des Weiteren den Auftrag eines Mandanten, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Der Vorwurf lautet: Verdacht der Wählerbestechung und der Untreue. Der Vorwurf richtet sich konkret an vier Funktionäre der FDP-Ortsverbände Schorndorf und Remshalden.

Hintergrund ist eine E-Mail des damaligen Remshaldener Vorsitzenden Jürgen Schulte vor der Nominierungsversammlung der FDP für die Regionalwahl in Allmersbach im Tal im Januar 2019. In der E-Mail spricht sich Schulte unverblümt für den früheren Bundestagskandidaten Hartfrid Wolff aus. Er sei ein kompetenter und engagierter Politiker. „Deshalb ist es in unserem Sinne, dass Hartfrid Wolff unsere Interessen in der Region vertritt. Nehmen wir deshalb teil an der Versammlung, und geben wir Hartfrid Wolff unsere Stimme. Er verdient unsere Unterstützung.“

Einen Absatz später heißt es weiter: „Nun ist Allmersbach im Tal nicht gerade unsere Nachbargemeinde und das Fahren dorthin bei winterlicher Witterung nicht unbedingt ein Vergnügen. Deshalb wollen wir – bei entsprechender Teilnehmerzahl – zusammen unter anderem mit dem Ortsverband Schorndorf einen Bus organisieren, um möglichst vielen Stimmen eine bequeme und sichere Möglichkeit zu bieten, an der Versammlung in Allmersbach teilzunehmen.“

Die Werbung war erfolgreich, die Bustour kam zustande. Die Kosten für diesen Bus wurden von den beiden Ortsvereinen je zur Hälfte übernommen. Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen laut Zebisch der Untreue schuldig gemacht, inklusive der beiden Schatzmeisterinnen. „Denn für so etwas dürfen die kein Geld ausgeben.“ Zumal es dafür nicht einmal den Beschluss einer Mitgliederversammlung gegeben habe. Zebisch begründet seinen Strafantrag mit dem Paragrafen 108 b des Strafgesetzbuchs.

Nachdem die Liberalen aus dem Remstal tatsächlich per Bus angereist kamen, hatte Gudrun Wilhelm als amtierende Regionalrätin bei der Nominierungsversammlung in Allmersbach-Heutensbach den Listenplatz 1 verfehlt und an Hartfrid Wolff verloren. Aus Verärgerung über diesen Schachzug weigerte sie sich, auf dem aussichtslosen Platz 2 zu kandidieren und verließ mit allen ihren Murr-Mitstreitern die Versammlung.

In den Wochen danach gründete Wilhelm die Liste „Freie Kommunale Rems-Murr“ und trat bei der Regionalwahl an. Bei dieser erzielte die neue Gruppierung im Raum Backnang gute bis sehr gute Ergebnisse. So kam die neue Liste in Auenwald beispielsweise auf 7,6 Prozent und in Kirchberg, Wilhelms Heimatgemeinde, sogar auf stolze 14,1 Prozent. Bezogen auf die gesamte Region reichte es jedoch nur zu 0,38 Prozent, Wilhelm verpasste daher den Wiedereinzug in die Regionalversammlung, wenn auch nur knapp.

Jürgen Schulte weist den Vorwurf des Versuchs der Wählerbestechung und der Untreue weit von sich: „Das stimmt überhaupt nicht, das hat mit Bestechung nichts zu tun.“ Er erinnerte daran, dass es in jenem Januar 2019 sehr winterlich und kalt war. Aus Gründen der Sicherheit habe er deshalb den Bus gechartert. „Ich habe das auch gemacht wegen der Ökonomie und der Ökologie“, so der frühere Vorsitzende des Ortsvereins Remshalden, der inzwischen Ehrenvorsitzender ist und in Urbach wohnt. Schulte erklärte gestern: „Jeder war und ist in seiner Entscheidung frei gewesen.“ Auch dass sein Ortsverein und der Schorndorfer die Kosten des Bustransfers übernommen hätten, stört den Funktionär nicht. „Wir haben den Bus bezahlt, das ist richtig und auch in Ordnung.“

Die Busfahrt zur Abstimmung war für die Teilnehmer kostenfrei

Ebenfalls hat er kein Problem damit, dass die Busfahrt für die Teilnehmer kostenfrei war. Immerhin sagt er, man habe zu Spenden aufgerufen und auch Einnahmen gehabt. Zudem sei die Einladung auch an andere Ortsvereine ergangen, so zum Beispiel an den von Weinstadt. Zebisch erklärt in diesem Zusammenhang: „An den Ortsverein Backnanger Bucht erging keine Einladung.“

Hartfrid Wolff

Hartfrid Wolff

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Erstellt:
8. April 2020, 06:00 Uhr

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