Haftung, Versicherung, Bußgeld
Winterreifen – sieben Fragen und Antworten
Zum Start in die kalte Jahreszeit beantwortet der ACV Automobil-Club Verkehr noch einmal sieben Fragen rund um Winterreifen, Ganzjahresreifen und „Verschuldensvermutung“.
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Auf den kommenden Wintereinbruch sollte man vorbereitet sein.
Von mic/red
Seit 2010 gilt in Deutschland eine situative Winterreifenpflicht. Das heißt: Bei Glatteis, Schnee oder Reifglätte dürfen nur geeignete Reifen verwendet werden. Doch welche Reifen gelten rechtlich als Winterreifen - und welche Strafen drohen bei Verstößen?
1. Was bedeutet Winterreifenpflicht?
Die Winterreifenpflicht führt häufig zu Unsicherheiten, da sie in § 2 Abs. 3a der Straßenverkehrsordnung festgelegt ist. Laut dieser Regelung dürfen Fahrzeuge bei Glatteis, Schneematsch oder Reifglätte nur mit passender Bereifung fahren. Deshalb handelt es sich um eine situative Pflicht: Es gibt keinen festgelegten Zeitraum, in dem Winterreifen vorgeschrieben sind. Autofahrer müssen ihre Reifen also immer dann wechseln, wenn es die Straßenverhältnisse verlangen.
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Die weit verbreitete „O-bis-O-Regel“ (Oktober bis Ostern) dient lediglich als Faustregel. Sie hat keine rechtliche Verbindlichkeit, bietet jedoch eine nützliche Orientierung, da in diesem Zeitraum winterliche Bedingungen erwartet werden können.
Als geeignet gelten Fahrzeuge, die auf allen vier Rädern mit Winter- oder Ganzjahresreifen mit Alpine-Symbol ausgestattet sind. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Sonderfahrzeuge, wie etwa Einsatzfahrzeuge, nicht jedoch für den regulären Pkw-Verkehr.Die Regelung gilt zudem für alle Fahrzeuge, die in Deutschland unterwegs sind - auch für solche mit ausländischer Zulassung. Wer etwa mit Sommerreifen aus dem Ausland in Deutschland fährt und bei winterlichen Straßenverhältnissen kontrolliert wird, muss ebenfalls mit einem Bußgeld rechnen.
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In Gebieten mit viel Schnee oder bei Fahrten in den Bergen kann es erforderlich sein, Schneeketten zu verwenden. Der ACV rät dazu, die Ketten entsprechend der Reifengröße zu wählen und das Anlegen im Vorfeld zu üben, damit die Montage im Bedarfsfall zügig und sicher erfolgt.
2. Ganzjahresreifen: Welche Reifen gelten rechtlich als Winterreifen?
Ab dem 1. Oktober 2024 sind nur noch Winterreifen mit dem Alpine-Symbol (3PMSF) zugelassen. Die Übergangsfrist für M+S-Reifen, die vor dem 1. Januar 2018 hergestellt wurden, ist dann abgelaufen.
Auch Ganzjahresreifen sind erlaubt, wenn sie das Alpine-Symbol tragen. Diese Reifen ersparen den saisonalen Wechsel, bieten jedoch weniger Grip und längere Bremswege auf Schnee und Eis. In milden Regionen sind sie praktisch, während in schneereichen Gebieten klassische Winterreifen die sicherere Option bleiben.
3. Wie viel Profil müssen Winterreifen haben?
Eine gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern ist vorgeschrieben. Wird dieser Wert unterschritten, drohen Bußgelder, Punkte in Flensburg und ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko. Der ACV rät, bereits ab einer Profiltiefe von 4 Millimetern neue Winterreifen zu montieren. Die Profiltiefe hat einen erheblichen Einfluss auf die Bremsleistung: Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h verlängert sich der Bremsweg auf Schnee mit 1,6 Millimetern Profil auf etwa 38 Meter, während neue Reifen mit 8 Millimetern Profil nur rund 26 Meter benötigen.
4. Wie bleiben Winterreifen sicher und leistungsfähig?
Neben dem Profil und dem Alter der Winterreifen spielen weitere Faktoren eine Rolle für deren Sicherheit. Ein wesentlicher Aspekt ist der Luftdruck, der bei niedrigen Temperaturen automatisch sinkt. Ein zu geringer Druck reduziert die Haftung, verlängert den Bremsweg und steigert den Kraftstoffverbrauch. Deshalb ist es wichtig, den Luftdruck regelmäßig zu kontrollieren. Die Herstellerangaben dazu befinden sich im Tankdeckel, in der Bedienungsanleitung oder auf einem Aufkleber im Türrahmen.
Der ACV rät, die Reifen alle 10.000 Kilometer zwischen Vorder- und Hinterachse zu wechseln, um einen gleichmäßigen Verschleiß zu gewährleisten. Dadurch bleibt die Leistungsfähigkeit der Reifen länger erhalten.
E-Autos erfordern aufgrund ihres höheren Gewichts besondere Aufmerksamkeit. Spezielle Winterreifen sind zwar nicht vorgeschrieben, jedoch empfiehlt der ACV Reifen mit einem höheren Tragfähigkeitsindex. Reifen mit geringem Rollwiderstand können außerdem die Reichweite der Fahrzeuge erhöhen.
5. Wann braucht man neue Winterreifen?
Auch das Alter der Winterreifen ist entscheidend: Spätestens nach sechs bis acht Jahren sollten sie ersetzt werden, da die Gummimischung aushärtet und an Elastizität verliert, selbst wenn das Profil noch ausreichend ist.
Die DOT-Nummer an der Reifenflanke gibt Orientierung: Die letzten vier Ziffern zeigen die Produktionswoche und das Jahr, zum Beispiel „2218“ für die 22. Woche 2018. Beim Kauf neuer Reifen ist es ratsam, aktuelle Winterreifentests zu konsultieren, um sichere und preislich attraktive Modelle zu finden.
6. Welche Strafen drohen ohne Winterreifen?
Wer bei winterlichen Verhältnissen mit Sommerreifen unterwegs ist, riskiert Bußgelder und einen Punkt im Fahreignungsregister. Allwetter- und Winterreifen sind dank ihrer Kennzeichnung leicht zu identifizieren.
Wichtig: Die bloße Montage von Winterreifen reicht nicht aus, wenn die gesetzliche Mindestprofiltiefe nicht eingehalten wird. Auch diese wird von der Polizei überprüft.
Bei falscher Bereifung im Winter können Bußgelder zwischen 60 und 120 Euro sowie ein Punkt in Flensburg verhängt werden, je nach Schwere des Verstoßes.
- 60 EUR für das Fahren mit Sommerreifen
- 80 EUR bei Behinderung
- 100 EUR bei Gefährdung und
- 120 EUR bei Unfallfolge
Bei zu geringer Profiltiefe werden 75 EUR und ein Punkt fällig. Ein Fahrverbot ist in keinem Fall vorgesehen.
7. Wie wirkt sich ein Winterreifenverstoß auf die Versicherung aus?
Ein Verstoß gegen die Winterreifenpflicht kann nicht nur Geldbußen, sondern auch Konsequenzen für den Versicherungsschutz nach sich ziehen:
- Kaskoversicherung: Leistungen können gekürzt oder verweigert werden, wenn ein Unfall mit Sommerreifen verursacht wurde.
- Haftpflichtversicherung: Selbst ohne eigenes Verschulden droht eine Mithaftung, da Sommerreifen eine erhöhte Betriebsgefahr darstellen. In der Praxis liegt diese oft bei etwa 20 Prozent.
- Verschuldensvermutung: Wer im Winter mit Sommerreifen fährt, gilt grundsätzlich als mitschuldig. Nur wenn der Unfall auch mit Winterreifen unvermeidbar gewesen wäre, entfällt diese Annahme.
Versicherungen prüfen in solchen Fällen häufig auch auf grobe Fahrlässigkeit. Wird diese angenommen, kann der Leistungsumfang deutlich gekürzt oder komplett gestrichen werden.
