„Wir drucken für den Mülleimer“
Händler in der Backnanger Innenstadt ärgern sich über die Bonpflicht – Kaum ein Kunde nimmt den Kassenzettel auch mit
Seit Jahresbeginn gilt die Bonpflicht. Das Ziel: Steuerhinterziehungen in Handel und Gastronomie verhindern. Auch noch so kleine Läden müssen jetzt ihren Kunden einen Kassenbon rauslassen, ob diese ihn wollen oder nicht. Schon jetzt sind auch die Händler in derBacknanger Innenstadt frustriert ob der vielen Bons, die bei ihnen zurückbleiben und die sie entsorgen müssen.

© Tobias Sellmaier
Melanie Weller, die Schwiegertochter von Sibylle Weller, zeigt den Plastikeimer, in dem im Café Weller die Bons für Brezeln, Brötchen und Co. gesammelt werden, die die Kunden nicht mitnehmen möchten. Foto: T. Sellmaier
Von Silke Latzel
BACKNANG. Viel wurde im Vorfeld bereits darüber diskutiert, jetzt ist es da: das neue Kassengesetz, das mit dem Jahreswechsel eingeführt wurde. Das heißt, egal ob Brezel oder Eiskugel, Döner oder Coffee to go: Der Händler muss verpflichtend einen Bon ausdrucken, egal ob der Kunde ihn möchte oder nicht. Bereits im Vorfeld gibt es bundesweit Kritik. Was die Bonpflicht in der Praxis heißt, sieht man schon jetzt bei vielen Händlern in der Backnanger Innenstadt: vor allem viel Müll.
„Ich finde die Bonpflicht echt vollkommen daneben, da hat doch keiner drüber nachgedacht, wie viel extra Papier dafür gebraucht und wie viele Bäume dafür gefällt werden müssen“ Birgit Schick sitzt gerade beim Pur-Friseurteam im Biegel und lässt sich die Haare schneiden. Noch nie habe sie beim Friseur einen Kassenbon mitgenommen. „Ich will das nicht. Und nicht nur beim Friseur, sondern auch sonst nicht.“ Sie habe ja durchaus Verständnis, dass man „Schwarzarbeitern auf den Finger klopfen will. Aber da muss es doch eine andere Lösung geben.“ Friseurin Sabine Behles stimmt ihr zu. „Bei uns hat bislang nur derjenige einen Bon bekommen, der ihn wollte. Und es wollten die wenigsten.“ Jetzt blieben die ausgedruckten Bons im Laden zurück.
Viel direkter drückt es Sibylle Weller vom Café Weller in der Schillerstraße aus: „Wir drucken für den Mülleimer“, sagt sie und zeigt einen kleinen Plastikeimer, in den die Bons geworfen werden, die die Kunden nicht mitnehmen möchten. Und das sei die Mehrzahl. „Von 30 Kunden will einer den Bon mitnehmen, die anderen lassen ihn hier. Und wir werfen ihn weg.“ Weller ist verärgert – nicht nur über den Müll, sondern auch über die Mehrkosten für Papier, die entstehen, weil jetzt für jedes einzelne Brötchen und für jede Brezel ein Ausdruck gemacht werden muss. Der kleine Eimer im Café füllt sich über den Tag immer mehr. „Der Müll, der dabei produziert wird, muss doch nicht sein. Ich verstehe das wirklich nicht,“ sagt sie. Weil das Gesetz die Möglichkeit bieten soll, die Ausgabepflicht aus Zumutbarkeitsgründen aufzuheben oder für einzelne Gruppen zu erleichtern, sofern die Besteuerung dadurch nicht beeinträchtigt wird, habe die Innung der Bäcker im Vorfeld der Gesetzesänderung bereits einen Vordruck an die Mitglieder geschickt, damit diese eine Ausnahmeregelung beantragen können, erzählt Weller. Die Erfahrung habe allerdings schon gezeigt, dass das Einheitsschreiben, das bereits von mehreren Bäckern ans Bundesfinanzministerium geschickt wurde, dort direkt abgelehnt wird. „Man will uns damit eben einfach den Weg etwas länger und schwerer machen, indem wir jetzt alle ein individuell angefertigtes Schreiben einreichen müssen“, erklärt sie. „Das werden wir auch tun. Nur vor Weihnachten war dafür einfach keine Zeit mehr.“
Lutz Bensinger kommt ins Café, möchte vier Butterbrezeln kaufen. Einen Bon dafür möchte er nicht. „Kassenzettel nehme ich nur mit, wenn ich etwas kaufe, auf dem eine Garantie ist. Sonst nicht. Das ist doch völliger Blödsinn. Mir reicht es, wenn ich vor dem Einkauf im Kopf überschlage, was ich zahlen muss, dazu brauche ich keinen Zettel, auf dem das steht. Man sollte die ganzen Bons eigentlich sammeln und nach Berlin schicken.“
Eine ganz ähnliche Idee hatte übrigens auch eine Bäckerei aus Weingarten, die für ihren Aufruf in den sozialen Netzwerken viel Zuspruch erfahren hat. Dort schreibt sie unter anderem: „Und wenn Sie genügend Bons angesammelt haben, stecken Sie diese doch bitte bei einem Abendspaziergang einfach in den Briefkasten des örtlichen Finanzamtes. Der ist groß genug.“
Für Burhan Yorulmaz bringt das neue Gesetz ein ganz grundsätzliches Problem mit sich: Sein City-Kebap in der Grabenstraße hat überhaupt keine Registrierkasse. „Ich werde mir eine kaufen müssen“, sagt er und ist sieht schon jetzt Probleme auf sich zukommen, wenn er für jeden einzelnen Döner oder Yufka einen Bon ausgeben muss. „Wenn der Laden hier voll ist, wird mich das einfach sehr viel Zeit kosten“, fürchtet er.
Zwischen all dem Ärger und dem Unverständnis gibt es allerdings auch Läden, an denen die neue Bonpflicht fast spurlos vorübergeht. So etwa für die Landmetzgerei Rupp-Holzwarth in der Schillerstraße. Das hat auch einen ganz einfachen Grund: „Wir müssen sowieso immer einen Bon drucken“, erklärt Verkäuferin Beate Angermüller. Das läge einfach am System: Kauft der Kunde beispielsweise 100 Gramm Salami und 100 Gramm Schinken, gibt die Waage automatisch einen Bon mit Barcode aus, auf dem die gewogene Ware und die zu bezahlende Summe vermerkt ist. Die Verkäuferinnen müssen den Bon nun einscannen, damit die Kasse sich überhaupt öffnet. „Für uns ändert sich durch das Gesetz nichts“, sagt Angermüller. Und auch die wenigsten Kunden hätte den Bon bislang mitgenommen. Dieser blieb und bleibt also auch weiterhin in der Metzgerei liegen.