„Wir wurden hinters Licht geführt“

Im Strümpfelbacher Mordfall beschreiben Zeugen den vorausgehenden Sorgerechtsstreit – Angeklagter habe alle beschwindelt

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Am dritten Verhandlungstag im Fall der getöteten Katharina K. aus Backnang-Strümpfelbach am Stuttgarter Landgericht stand gestern zuerst einmal der Vorsitzende Richter Uwe Tetzlaff im Fokus. Der Anwalt des angeklagten Daniel E., Thomas Raich, hatte gegen ihn nämlich einen Ablehnungsantrag eingereicht – der Vorwurf lautet Befangenheit. Das Gericht habe Daniel E.s Vater vorgeladen, obwohl dieser angekündigt hatte, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Dennoch sei noch zu klären, ob der Zeuge der Verwertung jener Angaben zustimme, die er bei der Polizei gemacht hat, erklärte Tetzlaff in seiner Stellungnahme. Raich gab an, der Antrag bleibe bestehen, eine Entscheidung darüber bleibt abzuwarten.

Im Mittelpunkt des eigentlichen Verhandlungsgeschehens stand dann der Sorgerechtsstreit zwischen der getöteten Katharina K. und dem angeklagten Daniel E., der dem Tod der 22-Jährigen vorausging. Die Zeugen zeichneten dabei kein gutes Bild des 25-Jährigen aus Großbottwar. „Wir wurden hinters Licht geführt“, beschreibt etwa die Sozialpädagogin, die im Sorgerechtsstreit die Interessen des gemeinsamen Sohnes der beiden vertrat. Daniel E. habe über Wochen vorgegeben, dass Katharina K. kein Interesse daran habe, an dem Verfahren mitzuwirken. Direkten Kontakt mit Katharina K. hatte zu diesem Zeitpunkt niemand der Beteiligten außer Daniel E. selbst. Alle Vorladungen und Terminabsprachen liefen über Post- oder E-Mail-Verkehr, oder eben über Daniel E., gab eine Mitarbeitern des Kreisjugendamts an. E. habe behauptet, die junge Mutter vernachlässige den Haushalt und ihre beiden Kinder. Deswegen wolle er für seinen Sohn das gemeinsame Sorgerecht erwirken. „Er hat uns ein falsches Bild von Frau K. vermittelt“, sagte die Zeugin aus. Dabei sei er aber sehr überzeugend gewesen. Das Gericht entschied zu seinen Gunsten, aus dem schlichten Grund, weil Katharina K. nicht widersprochen hatte.

Unterschrift auf einem Formular sieht aus „wie reinkopiert“

Diese habe von dem Verfahren erst erfahren, als sie den Beschluss durch Zufall in die Hände bekam. „Sie wollte das gemeinsame Sorgerecht nie“, erklärte auch die Anwältin der Getöteten in jener Sache. Katharina K. habe zu diesem Zeitpunkt vorübergehend bei ihrem Vater gewohnt, nachdem Daniel E. ihr gegenüber handgreiflich geworden sei. Die Post des Gerichts wurde aber weiterhin an ihre Backnanger Adresse gesandt. Im Gespräch mit ihrer Anwältin äußerte sie die Befürchtung, dass ihr Ex-Freund diese abgefangen hat. Der E-Mail-Verkehr lief über eine veraltete E-Mail-Adresse, die K. nicht mehr nutzte – deren Passwort ihr Ex-Freund aber offenbar kannte. Die Unterschrift auf einem maschinell angeblich von Katharina K. ausgefüllten Formular habe außerdem ausgesehen, „wie reinkopiert, wie ein Stempel“, sagte die Anwältin für Familienrecht aus. Ihre Mandantin jedenfalls habe dieses Formular nicht ausgefüllt oder gar unterschrieben. Gegen den Beschluss für das gemeinsame Sorgerecht habe sie folglich Beschwerde eingelegt. Der Sachverhalt sollte im November 2017 vor dem Oberlandesgericht neu verhandelt werden.

„Bodenlos entsetzt“ sei die junge Frau gewesen, vor allem auch angesichts der Vorwürfe, die E. in der Begründung seines Antrags auf das gemeinsame Sorgerecht genannt hatte. Hier war beispielsweise davon die Rede gewesen, die 22-Jährige ernähre ihren jüngeren Sohn nicht richtig, enthalte ihm die laktosefreie Milch vor, die er benötige. Sie selbst habe den Sohn jedoch als „absolut properes Kind in bestem Zustand“ kennengelernt, gab die Anwältin an. Dafür sprach auch, dass die Mutter des Angeklagten sich bei einem gemeinsamen Termin für K. ausgesprochen hatte.

Diesen Eindruck teilte auch die Sozialpädagogin. Die junge Mutter habe einen guten Draht zu ihren beiden Kindern gehabt, sei kompetent im Umgang mit ihnen gewesen. Den Eindruck, den Daniel E. von ihr erweckt hatte, habe sie komplett widerlegt. Es sei offensichtlich geworden, dass K. ein Gefühl von „das gibt’s doch nicht“ verspürt habe. Sie beschrieb die junge Frau in ihrer Aussage als authentisch und glaubwürdig. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihr ein Satz Katharina K.s, den diese äußerte, als es um die tätliche Auseinandersetzung vor der endgültigen Trennung von Daniel E. ging. „Ich dachte, der bringt mich um“, habe die junge Frau gesagt, „sehr eindringlich und mit angsterfüllten Augen“, beschrieb die Zeugin. Das habe sie noch lange umgetrieben.

Mit den Aussagen Katharina K.s habe sie danach Daniel E. konfrontiert, gab die Zeugin an. Sein anfangs höflicher Auftritt sei hiernach auch merklich anders gewesen. „Der Ton hat sich komplett verändert. Auf einmal war er kurz angebunden, abweisend“, gab die Zeugin an. Die Sorgen Katharina K.s, dass Daniel E. auch dem gemeinsamen Kind gegenüber aggressiv werden könnte, ließen die Sozialpädagogin nicht kalt. Sie habe beim Termin im Oberlandesgericht schließlich ausgesagt, es gebe keine Basis für ein gemeinsames Sorgerecht. Zu diesem Termin am 10. November 2017 erschienen weder K. noch E. „Da war schon klar, dass etwas aus dem Ruder gelaufen sein musste. Wir wussten nur noch nicht, was.“ Zu diesem Zeitpunkt war Katharina K. bereits tot.

Während am Oberlandesgericht über das Sorgerecht des ehemaligen Paares entschieden werden sollte, machten in Asperg die Pächter zweier Schrebergärten interessante Beobachtungen. Einem Mann fiel auf, dass das Tor am Nachbargrundstück auf der falschen Seite, also am Scharnier, geöffnet war. Ein anderer bemerkte, dass sein Komposthaufen durcheinandergebracht worden war. Genauer in Augenschein nahm er diesen jedoch erst einige Tage später. Als er Laub umschichten wollte, habe er auf einmal einen menschlichen Fuß auf der Schaufel gehabt. „Ich habe einen ordentlichen Schrecken bekommen“, erinnerte sich der Zeuge. Die hinzugerufene Polizei konnte schnell den Leichnam als den Katharina K.s identifizieren. Genauere Angaben zum Zustand der Leiche wird am morgigen Verhandlungstag voraussichtlich die rechtsmedizinische Gutachterin machen.

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Erstellt:
14. November 2018, 06:00 Uhr

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