Wirtschaft im Kreis hat sich schnell erholt

Die Unternehmen im Rems-Murr-Kreis haben die Coronakrise besser überstanden als vor einem Jahr befürchtet. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Optimisten sind wieder in der Überzahl, doch es gibt auch neue Risiken.

Die Pandemie war nur eine Delle in der Kurve: Inzwischen liegt der Konjunkturklimaindex wieder über dem Wert von 2019. Grafik: IHK

Die Pandemie war nur eine Delle in der Kurve: Inzwischen liegt der Konjunkturklimaindex wieder über dem Wert von 2019. Grafik: IHK

Von Kornelius Fritz

Waiblingen. Von der schwersten Krise der Nachkriegszeit war vor einem Jahr die Rede, von einer drohenden Insolvenzwelle und einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Inzwischen ist klar: Es ist weit weniger schlimm gekommen. Die Coronapandemie hat die Unternehmen zwar durchaus getroffen, sie haben sich aber auch sehr schnell wieder davon erholt. „Die Wirtschaft im Rems-Murr-Kreis hat sich seit vergangenem Sommer kontinuierlich aus dem Coronatief befreit“, sagte Claus Paal, Präsident der Bezirkskammer Rems-Murr, gestern bei der Vorstellung des Konjunkturberichts.

Dreimal pro Jahr befragt die Kammer dafür Mitgliedsunternehmen nach ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation und nach ihren Zukunftserwartungen. Für die Herbstumfrage wurden 325 Unternehmen aus dem Landkreis angeschrieben, von denen sich 116 an der Umfrage beteiligten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Firmen schon wieder recht gut dasteht. So bezeichneten 46,6 Prozent der Befragten ihre aktuelle Geschäftslage als gut, nur 13,6 Prozent erklärten, ihre Geschäfte liefen schlecht – vor einem Jahr waren es noch 39,5 Prozent. Auch beim Blick nach vorn überwiegt der Optimismus: 30,4 Prozent rechnen mit einer weiteren Verbesserung ihrer Geschäftslage, eine Verschlechterung erwartet nur jedes sechste Unternehmen (16,1 Prozent).

Dieser Stimmungsumschwung lässt sich auch am sogenannten Konjunkturklimaindex ablesen, den die IHK aus den Zahlen zu Geschäftslage und Zukunftserwartungen errechnet. Nach einem Absturz vor einem Jahr liegt dieser Wert mit 111,7 inzwischen schon wieder höher als vor Corona, und es fehlen nur noch 13 Punkte zum Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. „Diese Zahlen stimmen hoffnungsfroh“, freut sich der IHK-Präsident, „wir sind nicht mehr so nervös wie vor einem Jahr.“ Dazu haben aus Sicht des Kammerpräsidenten auch die Staatshilfen entscheidend beigetragen: „Sie haben dafür gesorgt, dass der Motor nicht ausgegangen ist und die Wirtschaft sofort wieder durchstarten konnte.“

Bei aller Freude sehen Claus Paal und der leitende IHK-Geschäftsführer Markus Beier aber auch Risiken für die Unternehmen. Eines sind aktuell die Lieferprobleme bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten. Beier berichtet von einem Unternehmen im Kreis, das seine Mitarbeiter trotz voller Auftragsbücher in Kurzarbeit schicken musste, weil kein Kunststoffgranulat mehr lieferbar ist. „Die Taktung der Lieferketten ist komplett durcheinandergekommen“, beklagt Claus Paal. Dazu hätten unter anderem coronabedingte Hafenschließungen in Fernost beigetragen, aber auch die Havarie des Frachtschiffs „Ever Given“, das im Frühjahr sechs Tage lang den Suez-Kanal blockierte, wirke sich bis heute auf den Welthandel aus. Als weitere Risikofaktoren sehen die Firmen laut Umfrage steigende Rohstoffpreise, die unsichere Inlandsnachfrage und den Fachkräftemangel, der sich nun wieder verstärkt bemerkbar macht.

Trotzdem ist der IHK-Chef zuversichtlich, dass der Aufwärtstrend anhalten wird: „Der Weg stimmt. Wir sehen durchaus optimistisch in die nächsten Monate“, erklärte Paal. Die Coronakrise könnte sich in seinen Augen rückblickend sogar als „Booster“ erweisen, der technische Entwicklungen, etwa zu mehr Digitalisierung, beschleunigt habe.

Auch der Strukturwandel, der der Autoindustrie und ihren Zulieferern bevorsteht, macht dem früheren CDU-Landtagsabgeordneten keine Sorgen. Natürlich sei der Umstieg vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität eine Herausforderung und es würden dadurch auch Arbeitsplätze wegfallen. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass jede Transformation am Ende mehr Arbeitsplätze gebracht als gekostet habe.

Wirtschaft im Kreis hat sich schnell erholt

© Gabriel Habermann

„Die Zahlen stimmen hoffnungsfroh. Wir sind nicht mehr so nervös wie vor einem Jahr.“

Blick auf die Branchen

Industrie und Bau Rund die Hälfte der befragten Betriebe beurteilt die aktuelle Geschäftslage als gut, 36 Prozent als befriedigend, nur
14 Prozent als schlecht. Beim Blick in die Zukunft überwiegt der Optimismus: Nur knapp sechs Prozent rechnen mit einer Verschlechterung in den nächsten zwölf Monaten. Größer ist die Sorge, dass die Exportzahlen sinken könnten.

Dienstleister Hierzu zählen unter anderem Gastronomie und Hotellerie, die unter den Lockdowns besonders zu leiden hatten. Seit Frühjahr hätten sich die Umsätze aber sehr gut entwickelt, berichtet Claus Paal: „Das Tief scheint überwunden.“ Aktuell bezeichnen schon wieder 38 Prozent der Dienstleister ihre Geschäftslage als gut, 23,5 Prozent rechnen mit wachsenden Umsätzen.

Handel Am besten ist die Stimmung zurzeit unter den Händlern: Mehr als 55 Prozent machen gute Geschäfte. Claus Paal spricht von „Aufhol- und Nachholeffekten“ nach den Zwangsschließungen. Lieferengpässe bei manchen Produkten wie etwa Elektroartikeln könnten allerdings zu einem Problem werden, vor allem, wenn sie bis zum Weihnachtsgeschäft anhalten.

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Erstellt:
28. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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