Wirtshaus am südlichen Portal zur Stadt

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Das einstige Gasthaus Rössle wurde zur Schaffung besserer Verkehrsverhältnisse am heutigen Adenauerplatz 1971 abgerissen.

Die kolorierte Postkarte zeigt das Gasthaus zum Rössle um 1910. Repros: P. Wolf

Die kolorierte Postkarte zeigt das Gasthaus zum Rössle um 1910. Repros: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Viele Backnanger erinnern sich noch gut daran, als man von der Innenstadt geradewegs in Richtung Weissacher Tal und Schorndorf fahren konnte, bevor der Adenauerplatz angelegt wurde. Dieser Eingang zur Stadt war und ist ein bedeutender Verbindungsweg. Wie könnte es anders sein, als dass sich auch am südlichen Portal zu Backnang früher ein Wirtshaus befand.

Der Straßenverlauf ab der Kronenstraße (heute Eduard-Breuninger-Straße) hieß früher noch Weissacher Straße (heute Stuttgarter Straße). Auf der rechten Seite stadtauswärts, wo sich jetzt der Adenauerplatz befindet, stand das Gasthaus zum Rössle. Eine kolorierte Postkarte zeigt das stattliche Gebäude um das Jahr 1910. Links im Bild ist das Haus (heute Hati-Hati Asian Art) angeschnitten, neben dem sich die Schmiede Kübler am Burgplatz befand. Reisende konnten also im Rössle einkehren, während ihr Pferd neue Hufeisen bekam oder ein Wagenrad am Fuhrwerk repariert wurde.

Die Ursprünge der Schildwirtschaft Rössle liegen vor dem Stadtbrand von 1693, den sie aufgrund ihrer Lage außerhalb der Stadtmauer unbeschadet überstand, informiert das Backnang-Lexikon. 1782 erwarb der Metzgermeister Johann Daniel Feucht das Rössle, ließ es umbauen und gab ihm damit das spätere Aussehen. Die Schildwirtschaft blieb bis 1921 im Besitz der Familie Feucht, ehe sie an die Württembergisch-Hohenzollernsche Brauereigesellschaft Stuttgart (heute: Stuttgarter Hofbräu) verkauft und anschließend bis 1966 von verschiedenen Pächtern, darunter auch Mitglieder der Familie Feucht, betrieben wurde.

Im Backsteingebäude neben dem Gasthaus Rössle befand sich der 1882 eingeweihte Turnsaal mit Feuerspritzenremise und Trockenturm (nach Plänen von Christian Hämmerle) in der oberen Vorstadt. Am 14. März 1860 war ein Aufruf an die Backnanger Bürger über 18 Jahre ergangen, sich zum freiwilligen Eintritt in die Feuerwehr zu melden, heißt es im Backnang-Lexikon. Im Lauf des Jahres kam es zur Gründung einer Abteilung. Ein Jahr später waren bereits drei Kompanien mit etwa 100 Mann gebildet, zwei weitere sollten noch folgen.

Die Feuerwehr erhielt 1924 ihre erste Autofeuerlöschspritze.

Außerdem beschloss der Gemeinderat die Anschaffung einer Saug- und Druckspritze, die dann jahrzehntelang gute Dienste leistete. 1924 wurde die erste Autofeuerlöschspritze angeschafft. Auf einem Foto aus jenem Jahr präsentieren Backnanger Feuerwehrmänner stolz die neue Errungenschaft. Die Turnhalle wurde Anfang der 1950er-Jahre abgebrochen, das Feuerwehrgerätehaus riss man 1965/66 ab, und die Feuerwehr bekam einen neuen, modernen Standort an der Bleichwiese, wo sie noch heute untergebracht ist.

Zwischen dem Gasthaus Rössle und der Fußgängerunterführung unter den Bahngleisen, die heute noch existiert, befand sich das Eisenbahner-Wohnhaus, an dem es einen Brunnen gab. Ein außergewöhnliches Foto ist hier 1928 entstanden, auf dem vier Elefanten zu sehen sind. Sie gehörten zu einem Zirkus, der in Backnang gastierte. Wenn früher ein Wanderzirkus in die Stadt kam, war das ein großes Ereignis. Die exotischen Tiere hielten Einmarsch über die Straßen und wurden schon da von der Bevölkerung und vor allem von den Kindern bestaunt. Eine Kamera hatte damals nicht jeder parat. So sind Schnappschüsse wie dieser eher rar. Die Dickhäuter stillten ihren Durst am Brunnen des Eisenbahner-Wohnhauses. Vermutlich war der Tiertransport kurz zuvor am Güterbahnhof entladen worden, der in unmittelbarer Nähe lag. Der Junge mit dem Geigenkasten auf der Aufnahme ist übrigens Karlmann Maier, der später Arzt in Backnang war, hat Peter Wolf recherchiert. Das Foto wurde vom Vater des Jungen aufgenommen.

Zur Schaffung besserer Verkehrsverhältnisse erwarb die Stadt Backnang das frühere Gasthaus Rössle in der Stuttgarter Straße 34 und ließ es 1971 abbrechen. Der Ausbau des Adenauerplatzes mit Grünanlage und Parkplätzen erfolgte 1975/76. Es war Karlmann Maier, der die Anregung gab, dem neu gestalteten Platz den Namen Adenauerplatz zu geben. Im Jahr der Einweihung feierte man den 100. Geburtstag des ehemaligen Bundeskanzlers.

Maier machte auch eine namhafte Spende für die Grünanlagengestaltung und schrieb im Juni 1979 an die Stadt: „Es ist eine Freude, mitzuerleben und zu sehen, wie schön die Stadt Backnang den ehemaligen Rössleplatz jetzt gestaltet hat. Als Bürger und Anlieger möchte ich mich recht herzlich bedanken! Viele, viele Jahre lang war diese Gegend eine Baustelle. Angefangen vom Abriss der Bäckerei Helmle, der alten Turnhalle zu Beginn der Fünfzigerjahre, über den Abbruch des alten Feuerwehrgerätehauses und des Eisenbahner-Wohnhauses mit seinem schönen Brunnen, bis zum Abbruch des stolzen Gasthauses zum Rössle und den Veränderungen in der unmittelbaren Nachbarschaft hat diese ganze Gegend nun endlich wieder ein schönes und dem modernen Verkehr gemäßes Gesicht erhalten.“

Eine Neugestaltung des Adenauerplatzes erfolgte 1992, als zunächst ein Wohn- und Geschäftshaus und danach anstelle des Hauses von Karlmann Maier das Adenauerparkhaus entstand.

Ein Zirkus gastierte 1928 in der Stadt. Die Elefanten stillten ihren Durst am Brunnen des Eisenbahner-Wohnhauses.

Ein Zirkus gastierte 1928 in der Stadt. Die Elefanten stillten ihren Durst am Brunnen des Eisenbahner-Wohnhauses.

Stolz präsentieren die Feuerwehrmänner 1924 die erste Autofeuerlöschspritze. Die Feuerspritzenremise mit Trockenturm befand sich am heutigen Adenauerplatz.

Stolz präsentieren die Feuerwehrmänner 1924 die erste Autofeuerlöschspritze. Die Feuerspritzenremise mit Trockenturm befand sich am heutigen Adenauerplatz.

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Erstellt:
3. August 2020, 16:00 Uhr

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