Fall Lübcke: Beschlagnahmung der Akte von Ex-Verteidiger?

dpa Frankfurt/Main. Als Verteidiger des Hauptangeklagten im Mordfall Lübcke musste der Rechtsanwalt Frank Hannig gehen. Seine Erkenntnisse in dem Fall interessieren viele Prozessbeteiligte allerdings weiter.

Irmgard Braun-Lübcke, Ehefrau des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke, tritt in den Zeugenstand. Foto: Boris Roessler/dpa pool/dpa

Irmgard Braun-Lübcke, Ehefrau des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke, tritt in den Zeugenstand. Foto: Boris Roessler/dpa pool/dpa

Im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat die Witwe des getöteten CDU-Politikers am Montag als Zeugin vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt ausgesagt.

Dabei appellierte Irmgard Braun-Lübcke eindringlich an die Angeklagten, die volle Wahrheit über die Tat zu sagen und der Familie über die letzten Minuten des Lebens von Lübcke Auskünfte zu geben. Dies könne ihnen „vielleicht helfen, alles etwas besser zu verarbeiten“. „Das hat auch unser Leben zerstört“, sagte Braun-Lübcke über die Folgen der Tat für die Familie.

Zuvor ging es einmal mehr um mögliches Erkenntnisse des früheren Verteidigers des Hauptangeklagten Stephan Ernst. Dieser hatte die Aufhebung des Haftbefehls für den wegen Beihilfe angeklagten Markus H. in einer E-Mail an den Sprecher der Familie Lübcke als Fehlentscheidung bezeichnet. Der Anwalt der als Nebenkläger auftretenden Familie beantragte am Montag zu Beginn der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Beschlagnahmung der Handakte des früheren Anwalts, um Passagen auszuwerten, zu denen Ernst seinen Ex-Verteidiger Frank Hannig von der Schweigepflicht entbunden hatte.

Sowohl die Bundesanwaltschaft als auch Ernsts Verteidiger unterstützten den Antrag. Ernst Verteidiger Mustafa Kaplan beantragte zudem, der Dresdener Anwalt Frank Hannig solle auch um die freiwillige Herausgabe seines Handys und Tablets gebeten werden, andernfalls sollten sie beschlagnahmt werden. Er begründete, Hannig habe Aufnahmen von Gesprächen mit Ernst gemacht. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus, wenn auch der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel am Montag betonte: „Eine E-Mail beweist nichts.“ Auch die Verteidiger von H. sahen „keinerlei Erkenntnisgewinn“ durch die Anträge.

Markus H. war im Oktober aus der Untersuchungshaft entlassen worden, da das Gericht angesichts der verschiedenen Aussagen von Ernst über eine angebliche Anwesenheit von H. am Tatort Zweifel an der Richtigkeit der Schilderungen erkennen ließ. Polizisten, die den Tatort untersucht hatten, hatten weder DNA-Spuren noch sonstige Hinweise auf eine Anwesenheit von H. beweisen konnten. In dem Prozess ist er weiterhin wegen Beihilfe angeklagt. Er soll Ernst politisch beeinflusst haben. Die Anklage geht von einem rechtsextremistischen Motiv des Mordes an Lübcke aus.

Auch mehrere Sachverständige sagten am Montag vor Gericht aus, unter anderem ein Waffenexperte des hessischen Landeskriminalamts.

© dpa-infocom, dpa:201116-99-346198/4

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Erstellt:
16. November 2020, 07:54 Uhr

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