Europa droht wärmstes Jahr seit Messbeginn

dpa Genf. Hitze in Sibirien, Eisverlust an den Polen, Überschwemmungen in Afrika und Asien, Dürre in Südamerika: Die Klimakrise geht 2020 weiter. In Europa zeichnet sich ein trauriger Rekord ab.

Ausgetrocknet durch viel Sonne und wenig Regen ist das Elbufer vor der historischen Altstadtkulisse Dresdens mit der Kuppel der Kunstakademie (l-r), der Frauenkirche, dem Ständehaus, dem Hausmannsturm, der Hofkirche und der Semperoper. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Ausgetrocknet durch viel Sonne und wenig Regen ist das Elbufer vor der historischen Altstadtkulisse Dresdens mit der Kuppel der Kunstakademie (l-r), der Frauenkirche, dem Ständehaus, dem Hausmannsturm, der Hofkirche und der Semperoper. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Das Jahr 2020 dürfte nach vorläufigen Analysen der Weltwetterorganisation (WMO) eines der drei wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts werden.

Für Europa lag die Durchschnittstemperatur in den ersten zehn Monaten sogar höher als je zuvor. Das berichtet die Organisation in ihrem vorläufigen Report vom Mittwoch über den Zustand des Klimas 2020. Klar sei schon jetzt, dass die Jahre seit 2015 die sechs wärmsten seit Messbeginn seien. Der Temperaturrekord wurde 2016 mit plus 1,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erreicht.

Die jetzigen Vorhersagen beziehen sich auf Messungen von Januar bis Oktober. In diesen Monaten lag die globale Durchschnittstemperatur um 1,11 bis 1,23 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900. Dies, obwohl sich das alle paar Jahre auftretende Wetterphänomen La Niña im September entwickelte, das eigentlich mit Temperaturabkühlungen einhergeht. Besonders drastisch waren die Messergebnisse nördlich des Polarkreises in Sibirien: die Temperatur lag dort von Januar bis Oktober mehr als fünf Grad über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010.

Außer in Europa war es nach Angaben der WMO auch im Südwesten der USA, im Westen Südamerikas und in Teilen Zentralamerikas sehr warm. Kühlere Temperaturen als im Durchschnitt erlebten dagegen Kanada, Teile Brasiliens, Nordindien und Südostaustralien.

Der mittlere globale Meeresspiegel steigt seit Beginn der Messungen 1993, um durchschnittlich 3,3 Millimeter im Jahr, so die WMO. Ein leichter Rückgang 2020 sei - wie schon 2011 - wahrscheinlich auf La Niña zurückzuführen, aber am langfristigen Trend ändere das nichts. Während der La Niña-Monate fällt mehr Regen in tropischen Flussgebieten als über dem Meer, was den mittleren Meeresspiegel global vorübergehend senkt. La Niña dürfte noch bis Frühjahr 2021 zu spüren sein, so die WMO. Am stärksten stieg der Meeresspiegel seit 1993 auf der Südhalbkugel jeweils östlich von Madagaskar, von Neuseeland und von Südamerika.

Einer der Gründe für den Anstieg des Meeresspiegels ist schmelzendes Eis in der Nähe von Nord- und Südpol. Die Insel Grönland verlor nach den Angaben von September 2019 bis August 2020 etwa 152 Gigatonnen Eis. Das war weniger als 2019, als 329 Gigatonnen schmolzen. Eine Gigatonne ist eine Milliarde Tonnen. Die WMO warnt: „Die Arktis erlebt mit dem globalen Temperaturanstieg drastische Veränderungen. Seit Mitte der 80er Jahre steigen die Temperaturen dort mindestens doppelt so schnell wie im globalen Mittel.“

In der Arktis war die Ausdehnung des Meereises in den Monaten Juli und Oktober so gering wie nie zuvor seit Beginn der Messungen, berichtete die WMO. Die minimalste Eisausdehnung lag im September bei 3,74 Millionen Quadratmetern und war die zweitkleinste (nach 2012), die je gemessen wurde. Das schwimmende Eis der Arktis trägt beim Schmelzen nicht zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Allerdings reflektiert das Eis viel mehr Sonnenlicht als das frei werdende Wasser, so dass die Eisschmelze einen Erwärmungseffekt hat.

Der Meeresspiegel steige auch, weil die wachsende Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zu überschüssiger Energie im Erdsystem führe, die zu einem großen Teil von den Ozeanen absorbiert wird. Das Meereswasser wird dadurch wärmer und dehnt sich aus.

Die Hurrikan-Saison im Nordatlantik verzeichnete in diesem Jahr so viele starke Stürme wie nie zuvor. Sie ging theoretisch am 30. November zu Ende. Teile Afrikas und Asiens erlebten starken Regen und Überschwemmungen, darunter die Sahel-Region, das Horn von Afrika, der Indische Subkontinent sowie China, die koreanische Halbinsel, Japan und Teile Südostasiens. Dagegen erlebten in Südamerika etwa Nordargentinien, Paraguay und Westbrasilien schwere Dürren.

© dpa-infocom, dpa:201202-99-542385/6

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Erstellt:
2. Dezember 2020, 14:25 Uhr

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