„Wo keine Radarfalle, da kein Knöllchen“

Elf Temposünder gingen der Polizei bei einer Motorradkontrolle mittels Lichtschranke und Lasermessung an der unfallträchtigen Strecke zwischen Schorndorf und dem Stadtteil Schlichten ins Netz, darunter diesmal allerdings kein einziger Motorradfahrer.

Ist alles in Ordnung und eingetragen? Ein scharfer Blick war bei der Motorradkontrolle angesagt und gefordert. Foto: G. Schneider

© Gaby Schneider

Ist alles in Ordnung und eingetragen? Ein scharfer Blick war bei der Motorradkontrolle angesagt und gefordert. Foto: G. Schneider

Von Heidrun Gehrke

SCHORNDORF. Elf Geschwindigkeitsverstöße haben Polizei und Stadt an der unfallträchtigen Strecke zwischen Schorndorf und dem Stadtteil Schlichten festgestellt. Um Raser gezielt aus dem Verkehr zu ziehen, wurde erstmals die Geschwindigkeit an zwei Stellen hintereinander mittels Lichtschranke und Lasermessung erfasst. Unter den Temposündern wurde kein Motorradfahrer registriert, dies sei allerdings nicht repräsentativ, sagt Markus Jatzko, Leiter des Polizeireviers Schorndorf. „Die kurvige Strecke ist prädestiniert für hochmotorisierte Fahrzeuge und Motorräder.“ Die Polizei kündigt weitere Kontrollen zur Unfallprävention und zur Lärmberuhigung an.

Das Schema ist der Polizei wohlbekannt: „Im Bereich der Messung wird runtergebremst, danach geben sie wieder Gas.“ Nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ heißt es für viele Motorradfahrer „Wo keine Radarfalle, da kein Knöllchen“. Um dieses typische Raserverhalten zu unterbinden, wird bei der vierten Kontrolle dieses Jahres die Geschwindigkeit zweimal kurz hintereinander erfasst. Auf Höhe des Stifts misst der Gemeindevollzugsdienst die Geschwindigkeit mittels Lichtschranke. Eine zweite „Falle“ stellt die Polizei ihrerseits einige Meter weiter oben auf: An einer Einmündung misst Lars Wenzelburger, Schichtleiter des Streifendiensts, die Geschwindigkeit mittels einer Laserpistole. Ist jemand zu schnell unterwegs – unten oder oben oder an beiden Messstellen –, wird er herausgewunken.

Sechs Personen verunglückten 2019 auf dem Streckenabschnitt.

Im Fokus der Polizei stehen motorisierte Zweiräder, die an diesem Vormittag nicht wegen Geschwindigkeitsverstößen aus dem Rahmen fallen. Eine halbe Stunde nach Kontrollbeginn tappt ein Mercedes in die Falle: 79 Stundenkilometer zeigt das Lasermessgerät an, 50 sind erlaubt. Am wummernden Motorengeräusch ist zu hören, dass unter der Haube ordentlich „Wumms“ steckt. 160 Meter weiter unten fuhr der Fahrer noch gesittet: Die von der Stadt installierte Radarkontrolle hat er offenbar rechtzeitig gesehen. Kaum um die Kurve, hat er Stoff gegeben. „Unsere These geht auf“, sagt Jatzko über die erstmals eingesetzte Methode. Die doppelte Messung sei ein neuer Ansatz, um „gezielt die Raser rauszuziehen“; dies sei eines der Hauptziele der Polizeikontrollen.

Sechs Personen verunglückten auf dem fünf Kilometer langen Streckenabschnitt der Landesstraße1151 im Jahr 2019. Unfallursache Nummer eins ist nach Auskunft des Leiters des Schorndorfer Reviers nicht angepasste Geschwindigkeit. Die Hälfte der Unfälle gehe auf zu schnelles Fahren zurück. Zum Vergleich: Das Polizeipräsidium Aalen habe im selben Zeitraum bei 16 Prozent aller Unfälle nicht angepasste Geschwindigkeit als Ursache ausgemacht. „Bezogen auf die Zahl der Unfälle wird hier schneller gefahren“, sagt Jatzko.

80 Prozent der Unfälle mit Personenschäden auf der Verbindungsstraße vom Remstal ins Neckartal wurden durch motorisierte Zweiräder verursacht. Die Strecke verleite aufgrund ihrer Kurven zum Geschwindigkeitskick. Es könnte am Zeitpunkt liegen, dass sich diese Zielgruppe bei der Kontrolle rar macht. Die Motorradfahrer, die schon unterwegs sind, fahren im angepassten Tempo vorbei, einige grüßen, winken und lachen freundlich beim Vorbeifahren. „Für heute ist der verkehrserzieherische Effekt offenbar erreicht“, sagt der Revierleiter. In der Statistik nehmen Motorradfahrer allerdings eine traurige Sonderrolle ein: So seien überwiegend Motorradfahrer in die Unfälle verwickelt. Kein Geheimnis sei die „erhöhte Verletzungsanfälligkeit“ auf dem Zweirad. „Je schneller sie fahren, desto höher ist die Gefahr, dass der Unfall tödlich endet.“ Über Kontrolldruck mittels Radar- und Lasergeschwindigkeitsmessungen soll die Verkehrssicherheit erhöht werden.

Zurück zum Mercedes-Fahrer: Der Laser hat die Geschwindigkeitsüberschreitung auf 135 Meter Entfernung gemessen; möglich wären Messungen auch über noch größere Distanzen, erklärt Lars Wenzelburger, Schichtleiter im Streifendienst. Der junge Mercedes-Fahrer scheint gut informiert zu sein, verweist auf „Übergangsfristen“ und will von den Polizisten wissen, ob ein Video gemacht wurde. Er erfährt, dass beim Anvisieren seines Fahrzeugs mittels der Lasergeschwindigkeitsmessung weder Foto noch Video gemacht werden. Er darf weiterfahren, muss aber nach Aussage von Markus Jatzko mit einem mindestens vierwöchigen Fahrverbot, Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen.

Im weiteren Streckenverlauf Richtung Schlichten dreht er noch mal sportlich auf und lässt die „High Performance“-Muskeln seiner Karosse spielen. Das Motorendröhnen ist von Weitem deutlich zu hören. „Durch die Tallage verbreitet sich der Schall hier sowohl talabwärts als auch in umgekehrte Richtung“, kommt Jatzko auf die erhebliche Lärm- und Abgasbelästigung zu sprechen – Leidtragende der Beschleunigungsorgien sind Bewohner des Spittler-Stifts und Anwohner des angrenzenden Wohngebiets.

„Seit Beginn der Motorradsaison häufen sich wieder die Beschwerden“, so der Revierleiter. Die Wahrnehmung der Bürger decke sich mit der Statistik der Polizei, wonach ein überhöhtes Geschwindigkeitsniveau auf der Strecke besteht. Auf Höhe des Spittler-Stifts habe die Polizei in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Schilder anbringen lassen („Fahr nicht wie ein Esel“). Von der Stadt seien immer wieder Überschreitungen der Geschwindigkeit festgestellt worden, zu unterschiedlichen Tageszeiten. Die Polizei will weiter Präsenz zeigen: Die Kontrolle auf der unfallrelevanten L1151 sei „ein Baustein in der Gesamtstrategie“, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Weitere Geschwindigkeitsmessungen zu anderen Zeiten sollen folgen. Unfallprävention zähle zu den Kernaufgaben der Polizei, auch in Coronazeiten und in Zeiten eines erhöhten Personaleinsatzes infolge der Krawalle in Stuttgart. „Unser Ziel ist es, das Geschwindigkeitsniveau dadurch zu senken und damit auch die Lärmbelastung“, so Jatzko.

Elf Autofahrer zu flott unterwegs

Bei der Kontrolle am Samstag von 9.50 bis 11.30 Uhr hat die Polizei einen Verstoß gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung festgestellt. Ein 32-jähriger Mercedes-Fahrer beschleunigte nach der Lichtschranke. Die Polizei mit Laserpistole stoppte ihn rund 160 Meter nach der ersten Messstelle. Die gemessene Tempoüberschreitung: 26 Stundenkilometer.

Der Gemeindevollzugsdienst hat insgesamt zehn Geschwindigkeitsverstöße festgestellt, neun Verstöße im Zeitraum von 11.30 bis zum Kontrollende um 12 Uhr. Spitzenreiter war hier ein Autofahrer mit einer Überschreitung von 22 Stundenkilometern.

Im Rahmen einer Kontrolle wurden technische Veränderungen an einem Motorrad festgestellt. Inwiefern diese Veränderungen zulässig waren, wird geprüft.

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Erstellt:
29. Juni 2020, 06:00 Uhr

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