Wo Tiere auf ihr Traumzuhause warten

Pro Jahr landen rund 350 Hunde, Katzen und Kleintiere im Tierheim Großerlach – Manche müssen Jahre auf eine Adoption warten

Ausgesetzte Kaninchen, Hunde aus schlechter Haltung oder Katzen, die in Messihaushalten lebten: Im Großerlacher Tierheim hat jeder Bewohner seine eigene – meist tragische – Geschichte. Im Tierheim werden sie wieder aufgebaut und an neue Familien vermittelt. Doch das kann Jahre dauern und wichtige ehrenamtliche Helfer fehlen.

Leiterin Marion Bentrup mit Ubaldo. Für Kuscheleinheiten hat sie nur wenig Zeit.Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Leiterin Marion Bentrup mit Ubaldo. Für Kuscheleinheiten hat sie nur wenig Zeit.Fotos: A. Becher

Von Kristin Doberer

GROSSERLACH. Wenn Marion Bentrup durch das Hundehaus des Großerlacher Tierheims läuft, wird es laut. Alle 15 Hunde in den Käfigen wollen ihre Aufmerksamkeit erlangen, vom kleinen Mischlingshund mit heller Stimme bis zur Bulldogge mit tiefem Bellen. „Wir Tierpfleger haben leider nicht die Zeit, um uns ausführlich mit jedem Tier zu beschäftigen. Darunter leiden manche Tiere schon sehr“, sagt Leiterin Bentrup. „Aber bei uns geht es in erster Linie um eine gute Versorgung.“ Bentrup leitet das Tierheim seit 22 Jahren, in der Zeit hat sie schon viele traurige Schicksale gesehen, noch immer berühren die Geschichten der Tiere die Pflegerin. „Man kann sich dagegen auch nach Jahren nicht abhärten.“

Viele Tiere kommen aus schlechter Haltung oder wurden ausgesetzt

Die Tiere kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen ins Tierheim. Manche werden auf der Straße aufgegriffen – ausgesetzt, angefahren oder sogar vergiftet – andere werden ins Tierheim gegeben, weil sich die Besitzer aus Krankheitsgründen oder im Todesfall nicht mehr um ihr Tier kümmern können. Und einige leben unter so schlechten Bedingungen, dass sie vom Veterinäramt beschlagnahmt werden mussten.

Die Geschichte solcher Tiere sei für die Pflegerinnen am schwersten zu verkraften. Sie kommen in einem sehr ungepflegten Zustand an und wurden unter falschen Bedingungen gehalten. „Wir mussten schon einen Hund abholen, der in einem Vogelkäfig auf der Treppe leben musste“, erzählt Betrup. „Da kann man nur den Kopf schütteln.“ Immer wieder fechten die Besitzer die Beschlagnahmung an und bekommen ihre Tiere in einigen Fällen auch zurück. „Der schlimmste Fall war ein Husky, der viermal wegen schlechter Haltung beschlagnahmt wurde, aber immer wieder seinem Besitzer zurückgegeben werden musste. Jedes Mal kam er in einem schlechteren Zustand wieder als zuvor“, sagt Bentrup. Für sie sei es besonders schrecklich, Tiere an solche Besitzer zurückgeben zu müssen. Denn sie wisse ja genau, dass diese Tiere früher oder später wieder in ihrer Obhut landen.

Auch deshalb prüfen die Mitarbeiter des Tierheims genau, wer ein Tier von ihnen adoptieren möchte und ob er dazu geeignet ist. Die Verantwortlichen führen lange Gespräche mit Interessierten, lassen sich Bilder von der Wohnung zeigen oder kommen sogar persönlich im potenziellen neuen Zuhause eines Tieres vorbei. „Wir sind da ganz ehrlich zu den Leuten. Wir verheimlichen keine Probleme oder Macken der Tiere und sagen den Leuten auch, wenn wir sie als nicht geeignet ansehen“, erklärt Bentrup. Das betreffe zum Beispiel Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, sich aber einen Hund raussuchen, der nicht so lange allein sein kann. Oder Leute, die einen jungen und kräftigen Hund adoptieren wollen, dem aber körperlich einfach nicht gewachsen sind. „Manche reagieren darauf auch ungehalten und gehen dann zum Züchter. Aber für uns ist es wichtig, die Tiere an genau die richtige Person zu vermitteln, auch wenn das manchmal etwas länger dauert.“

Denn von der Ankunft im Tierheim bis zur Vermittlung vergeht oft viel Zeit. Kommen die Tiere an, müssen sie zunächst in die Quarantäne. Hier verbringen sie etwa zwei Wochen, bis eine Wurmkur und alle nötigen Impfungen wirken, weitere ansteckende Krankheiten ausgeschlossen werden können und sie mit einem Chip versehen worden sind. Dann müssen die Tiere körperlich und seelisch wieder aufgebaut werden. „Tiere aus schlechter Haltung brauchen oft Zeit, um Menschen an sich heranzulassen. Trotz der nicht ganz idealen Bedingungen blühen sie im Tierheim oft wieder auf.“ Doch vor allem ältere Tiere lassen sich nur schwer vermitteln und müssen manchmal mehrere Jahre im Tierheim bleiben, bis sie ein neues Zuhause finden. So zum Beispiel die Hündin Xena, die neun Jahre in Großerlach war und ein weiteres Jahr in einem Tierheim in Österreich. „Sie wurde letztendlich doch noch von einer Familie aufgenommen. Manchmal braucht es einfach Zeit, bis der genau richtige Mensch kommt.“

Das Tierheim braucht ehrenamtliche Helfer

Doch wie bei vielen Vereinen, schwinden auch beim Tierschutzverein Mitgliederzahlen und ehrenamtliche Helfer. „Der Verein ist von freiwilligen Helfern abhängig“, sagt Vorsitzende Irmtraud Wiedersatz. „Unsere Ehrenamtlichen werden auch immer älter und es sind oft einfach körperlich anstrengende Arbeiten, die sie verrichten.“ Denn die Ehrenamtlichen kümmern sich neben der Verwaltung des Vereins und des Ausschusses auch um die Pflege der Außenanlagen, um Fahrten zu Tierärzten und Spezialisten. Sie helfen auch bei verschiedenen Festen und Aktionen, wie zum Beispiel beim Einfangen von Katzen zur Kastration. Zehn Personen helfen momentan regelmäßig im Tierheim aus. „Wir freuen uns aber auch, wenn Leute zum Spazierengehen und Katzenstreicheln kommen und mit den Tieren Zeit verbringen. Sie können uns aber auch nur durch eine passive Mitgliedschaft unterstützen“; sagt Wiedersatz.

Neben Kosten für Futter und Unterbringung fallen vor allem hohe Tierarztrechnungen an. 2019 beliefen sich die Kosten auf etwa 65000 Euro. Denn jeden Montag kommt der Tierarzt ins Heim, um Neuankömmlinge durchzuchecken, nötige Impfungen zu geben, Chips zu setzen und andauernde Erkrankungen im Blick zu behalten. Was besonders auf den Geldbeutel schlägt: Nicht selten müssen vor allem Fundtiere einige Zeit in der Tierklinik verbringen, so zum Beispiel zwei Katzen, die vergiftet aufgefunden wurden oder eine Katze mit mehreren Frakturen an der Hüfte.

Für die Zukunft haben die Verantwortlichen noch viel geplant: den Anbau einer Voliere und die allgemeine Modernisierung des Tierheims. „Energetisch müssen wir etwas tun“, sagt Pressesprecher Reiner Eblen. „Unser momentaner Energieverbrauch ist einfach zu hoch.“ Die Umbauten sollen Mitte 2020 beginnen.

In Zusammenarbeit mit dem Tierheim Großerlach startet unsere Zeitung die Serie „Tiere suchen ein Zuhause“. In regelmäßigen Abständen werden Tiere vorgestellt, die auf der Suche nach einem neuen Besitzer sind.

Mischlingshündin Riley ist erst seit Dezember im Tierheim.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Mischlingshündin Riley ist erst seit Dezember im Tierheim.Foto: A. Becher

Info
Das Tierheim Großerlach:

Momentan leben 15 Hunde, 20 Katzen und ein Kaninchen im Tierheim, doch die Zahl der Bewohner ändert sich regelmäßig. Insgesamt kommen pro Jahr etwa 150 Katzen, 100 Hunde und ebenso viele Kleintiere in Großerlach unter.

Finanziert wird das Tierheim durch die Mitgliederbeiträge des Tierschutzvereins Backnang, durch Zuschüsse, Spenden, Erbschaften und die Beteiligung der umliegenden Partnerkomunen.

Die Tiere bleiben zwischen wenigen Wochen und mehreren Jahren im Tierheim, je nachdem wie schnell sich passende neue Besitzer finden und die Tiere bereit für einen Umzug sind.

Weitere Infos zu Tieren und Mitgliedschaft im Verein gibt es auf der Website: www.tierschutzverein-backnang.de

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Erstellt:
18. Februar 2020, 11:30 Uhr

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