Bunker, Kliniken, Medikamente

Woran es in Deutschland beim Bevölkerungsschutz hapert

Planungen für ein nationales Schutzraumkonzept laufen schon seit einiger Zeit. Bald wird die Bevölkerung über Ergebnisse des „Bunker-Plans“ informiert.

Der Hinweis „Zum Luftschutzraum“ ist an der Wand einer Kellertreppe angebracht. Wie hier im Frankfurter Stadtgebiet zeugen zahlreiche Bunker vom Zweiten Weltkrieg.

© Andreas Arnold/dpa

Der Hinweis „Zum Luftschutzraum“ ist an der Wand einer Kellertreppe angebracht. Wie hier im Frankfurter Stadtgebiet zeugen zahlreiche Bunker vom Zweiten Weltkrieg.

Von Markus Brauer/AFP/dpa

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat vor massiven Problemen beim Bevölkerungsschutz gewarnt. „Die Bevölkerung ist im Krisenfall kaum geschützt“, sagt DRK-Generalsekretär Christian Reuter. „Egal, wo Sie hinschauen: Es fehlt an funktionierenden Schutzräumen, an Vorräten für eine Krise, an Kapazitäten in Krankenhäusern und an Medikamenten wie Antibiotika.“ Ressourcen, um Bürgerinnen und Bürgern in der Krise zu helfen „haben wir in den meisten Fällen nicht.“

Schutz nur für „einige Zehntausend“

Laut Weißbuch der Bundeswehr müsse der Staat ein bis zwei Prozent der Bevölkerung unterbringen und versorgen – „also zwischen 800.000 und 1,6 Millionen Menschen“, erklärt Reuter. „Bislang aber klappt das nur für einige Zehntausend.“

Die im Haushalt veranschlagten Mittel reichten „nicht hinten und nicht vorne“, stellt der DRK-Generalsekretär klar. „Für den Bevölkerungsschutz sind 2,5 Milliarden Euro jährlich im Haushalt nötig. Eingeplant ist für 2025 derzeit nur die Hälfte. Das ist nicht akzeptabel.“

Starken Investitionsbedarf sieht das Rote Kreuz auch in Krankenhäusern. „Das Gesundheitswesen steht schon unter normalen Umständen auf der Kippe“, betont Reuter. „Für einen großen Krisenfall sind wir überhaupt nicht ausgerüstet.“ Die Bundeswehr gehe in Szenarien von 1000 Verwundeten pro Tag zusätzlich aus. „Wir sollten also 10.000 bis 20.000 Betten für Krisen und Konflikte vorhalten, auch wenn die erst mal leer stehen.“

Bunker, Schutzräume, Lost Places in Deutschland

  • Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind von 2000 öffentlichen Schutzräumen in Deutschland aktuell noch 579 mit rund 480.000 Schutzplätzen übrig.
  • Bestehende Anlagen wurden verkauft, andere verfielen. Im Jahr 2007 wurde entschieden, die öffentlichen Schutzräume abzuwickeln. Der Prozess wurde im März 2022 – nach Beginn des Ukraine-Kriegs – gestoppt.
  • In Baden-Württemberg gab es zu Zeiten des Kalten Krieges laut dem Landesinnenministerium 547 öffentliche Schutzräume mit mehr als 400.000 Plätzen.
  • Übrig blieben 220 Schutzräume mit rund 176.000 Plätzen. Keiner ist nutzbar.

Staat als „Prepper“: Notreserven an Essen und Trinken?

Eine Notreserve an Grundnahrungsmitteln ist im Rahmen der staatlichen Lagerhaltung von Nahrungsmittelvorräten angelegt. Die staatlichen Nahrungsreserven bestehen zum einen aus Weizen, Roggen und Hafer (Bundesreserve Getreide). Zum anderen werden Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch eingelagert (Zivile Notfallreserve).

Die Lagerstandorte und die in den einzelnen Standorten gelagerten Waren werden aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben. Ein Vorrat an Sanitätsmitteln durch den Bund wird nach Kenntnis des Innenministeriums aktuell an neun Standorten in Baden-Württemberg vorgehalten.

Bevölkerungsschutz oder Kriegsbereitschaft?

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat bereits im Dezember 2024 gemahnt, sich für den Ausfall essenzieller Infrastruktur zu rüsten.

„Ich appelliere an die Bürger: Bereiten Sie sich auf Notlagen vor, dies kann auch länger andauernder Stromausfall sein“, konstatiert BBK-Vizepräsident René Funk. „Notlagen müssen nicht eintreten, sind aber jederzeit möglich. Wir müssen nicht nur militärisch verteidigungsfähig sein, sondern auch im Zivil- und Katastrophenschutz.“

„Drei Tage lang selbstständig versorgen“

  • „Jeder deutsche Haushalt sollte so gerüstet sein, dass er sich drei Tage lang selbstständig versorgen kann“, empfiehlt Funk.
  • Das gelte auch für länger andauernde Stromausfälle. „Viele Menschen bedenken nicht, was dann alles nicht mehr funktionieren würde: das Licht, der Herd, in Teilen die Wasserversorgung, das Internet, die Geldautomaten.“
  • Die Vorbereitungen müssten nicht viel kosten, betonte Funk. Wichtig seien zum einen „Lichtquellen, die nicht vom Strom abhängig sind – also zum Beispiel batteriebetriebene Lampen, Kerzen oder Streichhölzer.“
  • Weiterhin rät Funk einen Vorrat von 1,5 Litern Wasser pro Tag und Person, „auch für die persönliche Hygiene“, sowie Lebensmittel für 72 Stunden. „Das können zum Beispiel Konserven von Lebensmitteln sein, die nicht gekocht werden müssen, Nüsse, Kekse oder Salzstangen“, führt der Katastrophenexperte aus.
  • „Und: ein batterie- oder kurbelbetriebenes Radio, um sich weiter informieren zu können.“
  • Auch Bargeld sollte vorgehalten werden.

Bunker bei Atomkrieg nutzlos

Funk räumt ein, dass eine solche Vorbereitung auf Notlagen „ein unbequemer Gedanke“ und hierzulande gewöhnungsbedürftig sei. „Wir haben in Deutschland lange von der Friedensdividende profitiert“, erklärt er. „Der Gedanke, uns für Bedrohungen von außerhalb zu rüsten, liegt uns fern.“

Dies sei aber notwendig. Die Zahl der Attacken auf die kritische Infrastruktur aus dem Ausland steige. „Wir sind bereits jetzt täglich einer Vielzahl von hybriden Angriffen ausgesetzt“, warnt Funk. Unklar ist indes, was Schutzräume und Bunker im Fall eines Atomkriegs überhaupt noch für einen Nutzen bringen würden.

Zum Artikel

Erstellt:
29. Juli 2025, 14:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen