Zeitung als Vermittler und Orientierungshilfe

Instagram-Star Uwe Baltner besucht als externer Blattkritiker die Redaktion – Schilderung der Medienwelt aus berufenem Munde

Medienprofi Uwe Baltner (Mitte) weiß gut gemachten Lokaljournalismus zu schätzen. A. Becher

© Alexander Becher

Medienprofi Uwe Baltner (Mitte) weiß gut gemachten Lokaljournalismus zu schätzen. A. Becher

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Klickzahlen sind wichtig, aber nicht lebensnotwendig, wenn man Uwe Baltner glauben darf. Der Backnanger hat diesbezüglich gut reden: 1,6 Millionen Nutzer des Internetportals Instagram folgen ihm mittlerweile, wenn er sich beim Karaokesingen im Auto filmt. Auch prominente Showgrößen gehören zu seinen Followern, wie die Abonnenten im Netz genannt werden.

Als externer Blattkritiker brachte Baltner am Dienstag aber nicht nur eine gut geölte Stimme mit, sondern auch einen fundierten beruflichen Hintergrund. Denn als ehemaliger Lokal- und Sportredakteur mit profunden Kenntnissen auch des Online-Journalismus und der Werbebranche – er betreibt eine eigene Agentur in Ludwigsburg – hatte er einige Ausgaben der Lokalseiten der Backnanger und der Murrhardter Zeitung genau unter die Lupe genommen. Sein schonungsloses Fazit: „Exzellent.“

„Der Lokalteil der BKZ bietet die ganze Vielfalt von den Berichten aus dem Gemeinderat bis zu den bunten Themen mit großer Nähe zu den Lesern, hoher Recherchequalität und viel Hintergrund als Leserservice“, so Baltners Analyse.

Aus eigener Erfahrung wisse er, wie schwierig heutzutage die Abwägung für die Zeitungsleute sei, was man im gedruckten Teil der Zeitung bringt, welche Beiträge man eher im Internet platziert und worauf zu achten ist, wenn man neben der langjährigen Leserschaft auch die Zielgruppe der jungen Generation mit für sie interessanten Informationen bedienen will.

Zumal die Aufmerksamkeitsspanne vieler Menschen heute Texte betreffend arg geschrumpft sei. Baltner: „Ich will hier nicht von Häppchenjournalismus reden, aber die Informationseinheiten im Internet werden zum Teil immer kürzer. Lange Texte werden zum Teil kaum noch gelesen.“ Umso erfreulicher sei es, dass in der Lokalzeitung für Backnang und das Umland viel Wert auf „gute Überschriften und Texteinstiege“ gelegt werde, die zum Weiterlesen animieren.

Der Influencer hat ein Faible für gute Reportagen und Porträts

„Hut ab hoch drei“, kommentierte Baltner die Tatsache, dass die Backnanger Kreiszeitung im Gegensatz zu vielen anderen Zeitungen noch auf Korrektoren zurückgreift, um die Zahl der Fehler im Blatt auf ein Minimum zu reduzieren. Mit orthografischen Fehltritten verspiele man schnell das Vertrauen der Leser, da sei die BKZ indessen bestens aufgestellt. Auch die „lebendige Berichterstattung“ der BKZ und MUZ weiß Baltner lobend hervorzuheben. „Die Bürger und Akteure der jeweiligen Geschichten kommen im Blatt oft zu Wort“, so die Einschätzung des 56-Jährigen, der seine Tätigkeit als Influencer, also als Markenträger im Internet, noch weiter ausbauen will und dazu eigens einen Manager eingestellt hat.

Denn das unkritische Abdrucken von Pressemitteilungen und zum Teil offenbar völlig unhinterfragter Texte falle ihm andernorts schon sehr auf. Da sei die Sorgfalt der Backnanger Zeitung umso begrüßenswerter.

Baltners bevorzugte Form der Mediennutzung spielt sich mittels Smartphone ab: Er präferiert neben den BKZ-Beiträgen vornehmlich die Angebote von Zeit Online. Auch wenn Baltner laut eigener Aussage kein Faschingsfreund ist, so hat er doch jüngst den Artikel über das Narrentreiben in Auenwald mit einigem Interesse gelesen. „Im Internet sucht man meist gezielt nach bestimmten Inhalten. Die Lokalzeitung aber beantwortet Fragen, die keiner gestellt hat“, bringt er den Unterhaltungswert und Lerneffekt des Zeitungslesens auf den Punkt. Dabei würden zum Teil „Schranken im Kopf“ abgebaut, so Baltners Erfahrung nach dem Lesen des Artikels über queere Jugendliche, der jüngst in der BKZ zu lesen war. Auch die Schilderung der Mitarbeit am eigenen Wein einer BKZ-Redakteurin fand lobende Erwähnung.

Überhaupt sind Reportagen und Porträts von Menschen aus dem lokalen Umfeld sein bevorzugtes journalistisches Format. Davon würde er sich auch gerne etwas mehr im Sportteil der Lokalzeitung wünschen. Bei all den verschiedenen Lebensentwürfen und -welten, in denen sich die Menschen heutzutage bewegen, habe die Zeitung auch eine besondere Aufgabe als Vermittler neben ihrer Rolle als vierte Gewalt, Kontrollorgan der (Kommunal-)Politik und regionaler Orientierungshilfe, so Baltners Auffassung.

Eine besondere Herausforderung für die Presse sei zudem der Umgang mit der AfD. „Dieser meines Erachtens nach undemokratischen Partei gegenüber müssen sie eine klare Haltung zeigen, Position beziehen und dürfen nicht auf deren Sprache hereinfallen“, formuliert Baltner einen Appell.

Zeitung als Vermittler und Orientierungshilfe

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Erstellt:
5. Februar 2020, 16:00 Uhr

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