Zeugin traut sich kaum auszusagen

Der mutmaßliche Mörder Katharina K.s wird als gewalttätig und kontrollsüchtig beschrieben

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. „Sie sind hier sicher“, beruhigte Richter Uwe Tetzlaff die sichtlich mitgenommene, verängstigte Zeugin. Eine zusätzliche Sicherheitskraft wurde in den Saal gebeten, um sich zwischen die junge Frau und den Angeklagten zu setzen. Sie war schon zu einem früheren Zeitpunkt geladen worden, hatte aber abgesagt. Die Begründung: Sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der psychiatrische Gutachter Peter Winckler befand damals, die Frau sei „allenfalls mittelbar“ traumatisiert. Nun wurde sie erneut geladen, nach einem kurzen Gespräch mit Winckler traute sie sich dann in den Zeugenstand. Stockend und unter Tränen sagte die 27-Jährige aus. Sie war Katharina K.s beste Freundin, die beiden kannten sich seit Babyjahren. Deren mutmaßlichem Mörder Daniel E. vor Gericht zu begegnen, belastet sie schwer. „Das bringt doch alles nichts“, sagte die junge Frau mehr zu sich als zu den Richtern. Am sechsten Verhandlungstag im Mordfall Katharina K. am Stuttgarter Landgericht stand vor allem deren Beziehung zum Angeklagten im Mittelpunkt.

Nahtlos fügt sich da die Aussage der besten Freundin in das Bild ein, das auch die Zeugen zuvor von Daniel E. zeichneten. Katharina K. habe Angst vor ihm gehabt. Er habe sie mehrmals gewürgt, gedroht, sie umzubringen. Als es hieß, die 22-Jährige sei verschwunden, habe die beste Freundin gleich gewusst, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. „Katharina kommt nicht wieder“, hatte sie damals der Polizei gesagt. Sie wäre an jenem 8. November 2017 niemals ohne Schuhe, ohne Mantel und ohne ihr Portemonnaie aus dem Haus gegangen und hätte ihre beiden Kinder mit Daniel E. allein gelassen.

Das sei auch der Grund gewesen, weshalb er die Polizei rief, sagte Katharina K.s ältester Bruder aus. Er beschreibt, wie er und seine Geschwister in den Tagen nach der Tat bei der Suche nach der Vermissten jeden Stein umdrehten. Unter anderem suchten sie ein Waldstück in der Nähe ab. „Wenn er ihr was getan hat, hätte er sie vielleicht hierher gebracht.“ Dass Daniel E. zu so etwas fähig war, steht für den Bruder der Getöteten außer Frage. Er habe Katharina und auch deren älteren Sohn mehrfach misshandelt. In einem WhatsApp-Chat hatte das spätere Opfer Daniel E. einmal deswegen zur Rede gestellt. Sie schrieb: „Du drohst mir mit dem Tod, das ist doch nicht normal. Und das Schlimme ist, dass ich es dir zutraue.“ Die Mutter des späteren Opfers gab an, sie habe lange ein gutes Verhältnis zum Angeklagten gehabt. „Wenn alles geht, wie er es will, dann ist alles prima. Aber wehe, irgendwas ging schief.“ Dann sei der heute 25-Jährige „ziemlich böse“ geworden, habe Tassen an die Wand geworfen oder die Winterjacke seiner Freundin zerschnitten. Ihr gegenüber habe Daniel E. behauptet, er selbst sei als Kind geschlagen und überhaupt von seinen Eltern schlecht behandelt worden.

Dass Daniel E. gegenüber seiner Ex-Freundin gewalttätig geworden ist, bestätigte auch die Aussage eines Ludwigsburger Polizeibeamten. Ihm hatte Katharina K. ein Foto von sich übermittelt, das sie mit roten Malen am Hals zeigte. Schon bei dem ersten Aufeinandertreffen mit dem damaligen Paar 2015 im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung wegen Betrugsvorwürfen, noch bevor die häusliche Gewalt zum Thema wurde, hatte eben jener Beamte eine Aktennotiz zu deren Beziehung gefertigt. Es sei „sehr auffällig“ gewesen, dass Daniel E. stets das Wort hatte, Katharina K. hingegen sehr passiv und schüchtern aufgetreten war. Den Angeklagten beschrieb der Zeuge als „sehr strukturiert und routiniert – auch bei der Durchführung der Straftaten“. Er sei stets sicher aufgetreten, wortgewandt gewesen. Dass er, als sie mit dem gemeinsamen Sohn schwanger war, sagte, er wolle sein Leben in den Griff bekommen und freue sich auf das Kind, ist eines der wenigen positiven Dinge, die an jenem Tag über Daniel E. geäußert werden. Sie scheinen auch nur ein kurzzeitiger Anflug von Einsicht gewesen zu sein. Zu einem späteren Zeitpunkt habe sich Katharina K. bei dem Beamten gemeldet, weil Daniel E. in ihrem Auto einen GPS-Sender zur Überwachung angebracht habe. Ein weiteres Mal rief sie an, weil der Angeklagte sich eine Schreckschusspistole besorgt hatte. Die panische Reaktion der jungen Frau sei glaubwürdig gewesen; „Auf mich wirkte das nicht wie gespielt.“

Aufschluss darüber, wie Daniel E.s Verhalten einzuschätzen ist, gibt womöglich das psychiatrische Gutachten, dass Peter Winckler voraussichtlich am kommenden Montag, 26. November, vorstellt. Im Verfahren hatten Zeugen schon mehrfach davon gesprochen, dass der 25-Jährige nach Aussagen Katharina K.s in psychologischer Behandlung gewesen sei.

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Erstellt:
23. November 2018, 06:00 Uhr

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