Zivilcourage im Zug zeigen

Belästigung oder Gewalt: Die Polizei gibt Tipps, wie man sich im ÖPNV in schwierigen Situationen verhalten sollte

Die Polizisten Andreas Gulde und Gabor Sipor verteilen Flyer an Friederike Schmidt und Irene Hensch (von links). Foto: G. Habermann

© Gabriel Habermann

Die Polizisten Andreas Gulde und Gabor Sipor verteilen Flyer an Friederike Schmidt und Irene Hensch (von links). Foto: G. Habermann

Von Celine Dieterich

SCHORNDORF/WAIBLINGEN. Wenn es zu Notfällen oder Auseinandersetzungen in öffentlichen Verkehrsmitteln kommt, dann ist Zivilcourage gefragt. Vor allem Frauen sind wegen sexueller Übergriffe darauf angewiesen. Die Polizei informierte deshalb in Zügen zu diesem Thema. Aber Achtung! Polizist Gabor Sipor stellt klar: „Wir erwarten nicht, dass Sie sich in Gefahr bringen.“ Es reicht, wenn man mit dem Handy Hilfe ruft.

Zivilcourage ist ein großes Thema. Immer wieder wird über Fälle von Belästigung oder Gewalt in der Öffentlichkeit berichtet, Vorfälle, die passieren, ohne dass jemand hilft. Auf Autobahnen wird keine Rettungsgasse frei gehalten, bei Unfällen holen die Umstehenden sogar noch das Handy heraus, filmen und blockieren die Einsatzkräfte, und bei Auseinandersetzungen in der Bahn oder am Bahnhof schauen Passanten weg, anstatt zu helfen. Um zu informieren, wie der Einzelne helfen kann, veranstalteten die Bundespolizei und die Polizeipräsidien im Raum Stuttgart am Donnerstag mit Vertretern mehrerer ÖPNV-Betreiber einen gemeinsamen Aktionstag zum Thema Zivilcourage.

Ziel: informieren und aufmerksam machen auf Zivilcourage und Sicherheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Neben Aktionen am Stuttgarter Hauptbahnhof, bei denen an Ständen über das Thema informiert wurde, gingen in Regionalbahnen, so auch auf der Remsbahntrasse, Polizisten durch die Züge, verteilten Flugblätter und sprachen mit Fahrgästen. Mit dabei die Polizisten Gabor Sipor und Andreas Gulde vom Polizeipräsidium Aalen. Als beide Männer in voller Polizeiuniform in den Zug von Stuttgart nach Aalen steigen, staunen die Fahrgäste nicht schlecht. Sobald der Zug losfährt, geht es auch schon an die Arbeit. Gabor Sipor macht auf sich aufmerksam und spricht zu den Fahrgästen am Ende des Zuges. Sein Kollege Andreas Gulde scherzt noch: „Eigentlich sollte man das WLAN kappen“ – dann hätte man sofort die Aufmerksamkeit der Fahrgäste.

Doch auch so wurde fleißig zugehört. Gabor Sipor erklärt: „Wenn entsprechende Vorfälle passieren, haben die meisten ihr Handy schon parat.“ Dies solle man allerdings nicht benutzen, um zu filmen, sondern um die Polizei zu benachrichtigen. Zudem sei es wichtig, der Polizei zu helfen, indem man sich zum Beispiel als Zeuge zur Verfügung stellt. „Wenn Sie in so einer Situation sind, wären Sie froh, wenn Sie Hilfe bekommen“, schließt Gabor Sipor und geht mit seinem Kollegen weiter.

Wichtig sei auch, dass man sich nicht selbst in Gefahr bringt, sondern nur Hilfe holt. Reihe um Reihe gehen die beiden Polizisten durch den Zug und reden mit den Passagieren, verteilen Flyer, treten in Kontakt.

Bei den Passagieren kommt das gut an. Friederike Schmidt aus Sondheim und Irene Hensch finden das gut. Auch Barbara Kalic aus Plüderhausen nimmt Flyer und Infomaterial mit: „Für meine Kinder gerne.“ Sie findet das Thema wichtig und hat auch schon mit ihrem Nachwuchs über Zivilcourage gesprochen. Sie wünscht sich mehr Sicherheit – vor allem an den Bahnhöfen. Insbesondere wenn die Kinder nachts unterwegs sind, macht sie sich natürlich Gedanken.

Michael Nakobitsch und Harald Lukaschewsky von der Go-Ahead Baden-Württemberg GmbH erklären, dass wenn etwas passiert, auch die Zugbegleiter helfen würden. So passiere es zum Beispiel „immer wieder, dass es Fahrgästen nicht gut geht“. Die Zugbegleiter können dann Erste Hilfe leisten und einen Krankenwagen holen.

Info
Sechs Regeln

ÖPNV-Betreiber im Stuttgarter Raum und die Polizei haben sechs Regeln für Zivilcourage im öffentlichen Nahverkehr ausformuliert:

Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.

Ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.

Ich beobachte genau, präge mir Tätermerkmale ein.

Ich organisiere Hilfe unter Notruf 110.

Ich kümmere mich um Opfer.

Ich stelle mich als Zeugen zur Verfügung.

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Erstellt:
13. September 2019, 06:00 Uhr

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