Misshandlung von Pflegekind: Richter senken Strafe für Paar

dpa/lsw Mannheim. 20 Monate nach der Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Misshandlung eines Pflegekindes steht ein Ehepaar erneut vor Gericht. Trotz milderer Strafen attestiert der Vorsitzende Richter dem Ehepaar im Berufungsverfahren, es sei an seiner Aufgabe „krachend gescheitert“.

Eine modellhafte Nachbildung der Justitia. Foto: Volker Hartmann/dpa/Archivbild

Eine modellhafte Nachbildung der Justitia. Foto: Volker Hartmann/dpa/Archivbild

Ein wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Misshandlung eines Pflegesohnes verurteiltes Ehepaar ist im Berufungsprozess zu milderen Strafen verurteilt worden. Die Richter am Landgericht Mannheim entschieden sich am Dienstag für eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Wochen für die Frau und für zwei Jahre Haft auf Bewährung für den Ehemann.

Die Frau und ihr Ehemann waren im vergangenen Jahr zu Haftstrafen von drei Jahren und elf Monaten beziehungsweise drei Jahren verurteilt worden, weil sie 2017 ihren damals drei Jahre alten Pflegesohn nach Überzeugung des Gerichts gequält und geschlagen hatten. Auch hätten die Pflegeeltern das Kind hungern lassen.

Dass der 46 Jahre alte Mann nun eine Haftstrafe auf Bewährung erhielt, begründete der Vorsitzende Richter damit, dass er bei den Übergriffen eher eine passive Rolle eingenommen habe. Die gleichaltrige Frau hingegen habe einen aktiven Beitrag zur Misshandlung geleistet, letztendlich aber habe sie zur Aufklärung der Vorwürfe beigetragen.

Ihre Haftstrafe wurde nun gesenkt, weil beim Urteil 2019 noch mehrere Diebstähle berücksichtigt worden waren. Mittlerweile habe die Frau in dieser Angelegenheit mehrere Tagessätze gezahlt. Mit Blick auf die Taten gegen das Pflegekind hielten die Richter am Strafmaß aus dem Vorjahr fest.

Insgesamt seien die Eltern zweier leiblicher Kinder an der Herausforderung eines Pflegekindes „krachend gescheitert“, sagte der Richter. Beide seien überfordert gewesen. Außerdem habe es an der Bereitschaft gefehlt, eigene Defizite zu erkennen und entsprechend zu handeln. So hätten die Eheleute das Jugendamt bei der Bewerbung um ein Pflegekind über bestimmte Fakten bewusst im Unklaren gelassen: Weder die psychische Erkrankung des Ehemanns war damals nach Angaben des Richters zur Sprache gekommen noch eine Freiheitsstrafe auf Bewährung, zu der die Mutter wegen mehrfachen Diebstahls verurteilt worden war. „Sie sind gescheitert, weil sie weder zu sich selbst, noch zu anderen ehrlich waren“, fügte der Richter hinzu.

Eigenen Angaben zufolge konnten die zweifachen Eltern keinen weiteren Nachwuchs mehr bekommen. Dennoch habe ein weiterer Kinderwunsch bestanden. Weil eine Adoption aber zu kompliziert gewesen sei, habe man sich um ein Pflegekind bemüht.

Nähere Hintergründe zu den gerichtlich festgestellten Misshandlungen des heute sechs Jahre alten Jungen blieben am Dienstag weitgehend vertraulich, da die Verhandlung zeitweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurde. Im Fall des Mannes ist das Urteil rechtskräftig, im Fall seiner Frau noch nicht.

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Erstellt:
20. Oktober 2020, 14:08 Uhr

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