Züge auf der Murrbahn sind oft zu kurz

Zahlen aus dem Verkehrsministerium bestätigen den Verdacht des SPD-Abgeordneten Gernot Gruber

Der private Betreiber Go-Ahead bedient seit 2019 die Zugverbindung zwischen Stuttgart und Nürnberg. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Der private Betreiber Go-Ahead bedient seit 2019 die Zugverbindung zwischen Stuttgart und Nürnberg. Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Überfüllte Züge sind für Berufspendler ein Ärgernis, erst recht in Coronazeiten, wenn eigentlich Abstandhalten angesagt wäre. Auch der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber (SPD) hat schon häufiger die drangvolle Enge auf seinen Fahrten zwischen Stuttgart und Backnang erlebt. Deshalb hat er zusammen mit dem FDP-Abgeordneten Jochen Haußmann aus dem Wahlkreis Schorndorf eine sogenannte „Kleine Anfrage“ an die Landesregierung gerichtet. Darin baten die beiden Politiker um Informationen zur Auslastung der Züge auf der Rems- und der Murrbahn sowie über Zugausfälle, Verspätungen und Abweichungen zwischen den bestellten und den tatsächlich bereitgestellten Kapazitäten.

Die Antwort, die Gruber und Haußmann diese Woche von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erhalten haben, zeigt: Eng wird es in den Zügen immer dann, wenn diese kürzer sind, als sie es laut Vertrag sein müssten. Und das kommt auf der Murrbahn gar nicht so selten vor. Während sich der private Betreiber Go-Ahead bei den Regionalexpresszügen (Linie RE90) in den allermeisten Fällen an die Vorgaben hielt, hatten die Regionalbahnzüge der DB Regio (Linie RB19) im vergangenen Jahr häufig weniger Kapazität als vereinbart.

„Insgesamt war die Fahrzeugverfügbarkeit ganzjährig oft angespannt“, teilt der Verkehrsminister mit. Eine mitgelieferte Tabelle zeigt, dass je nach Monat zwischen 4 und 13 Prozent der Züge mit weniger Waggons fuhren als vertraglich vereinbart. Besonders gravierend waren diese sogenannten „Minderkapazitäten“ in den Monaten von August bis Oktober. Als Grund nennt der Verkehrsminister „Verzögerungen bei größeren Instandhaltungsarbeiten“.

Umgekehrt zeigt die Statistik aber auch: Wenn die Betreiber die bestellten Kapazitäten bereitstellen, reichen diese in der Regel auch aus. Selbst in den Hauptverkehrszeiten liegt die Auslastung der Züge meist nur zwischen 30 und 50 Prozent. Lediglich die beiden Züge, die um 5.33 und 6.34 Uhr vom Backnanger Bahnhof Richtung Stuttgart fahren, sind etwas voller. Auch hier liegt die Auslastung laut Ministerium aber nur selten über 80 Prozent. „Falls in Einzelfällen sehr hohe Auslastungswerte auftreten, sind im Wesentlichen kurzfristig auftretende Minderkapazitäten durch die Betreiber dafür verantwortlich“, stellt Gernot Gruber fest. Den Abgeordneten hätte deshalb auch interessiert, welche Strafzahlungen die Linienbetreiber für ihre Vertragsverstöße erwarten, doch darauf gab es aus Stuttgart keine Antwort: „Die Abrechnung für das Jahr 2021 ist noch nicht erfolgt“, teilt das Ministerium nur mit.

Pünktlichkeit bei knapp 90 Prozent

Auch Zugausfälle können dazu führen, dass nachfolgende Züge überfüllt sind. Laut Verkehrsministerium sind 2021 bei Go-Ahead 1,5 Prozent der Züge ausgefallen, der Spitzenwert von 3,0 Prozent im Juni sei auf eine „zwischenzeitlich angespannte Personalsituation zurückzuführen“. Bei DB Regio fielen insgesamt 1,1 Prozent der Züge auf der Murrbahn aus. Ausreißer nach oben gab es hier wegen eines Lokführerstreiks in den Monaten August und September.

Aber es gibt auch positive Nachrichten von der Murrbahn: Bei der Pünktlichkeit schneidet die Strecke vergleichsweise gut ab. Das Verkehrsministerium nennt eine Quote von 89,79 Prozent (Go-Ahead) beziehungsweise 87,46 Prozent (DB Regio). Als pünktlich gelten dabei allerdings auch Züge mit bis zu vier Minuten Verspätung. Gruber und Haußmann sprechen deshalb von „statistischer Kosmetik“. Bei einem Qualitätsranking des Landes hatte die Murrbahn im vergangenen Jahr überraschend gut abgeschnitten. Die von Go-Ahead betriebene Zugverbindung belegte unter 29 bewerteten Bahnstrecken im Land den achten Rang, die von DB Regio kam auf Platz 13.

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Erstellt:
11. März 2022, 06:00 Uhr

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