Protest in Stuttgart
Zum Berufsstart arbeitslos: Künftige Lehrer fordern Bezahlung in Sommerferien
Das Referendariat ist zu Ende, der Dienst an der neuen Schule hat noch nicht begonnen: Angehende Lehrer sind nach dem Ausbildungsende für sechs Wochen arbeitslos. Die GEW protestiert.

© Lichtgut
Die Forderung der Gewerkschaft im Kern: Sommerferien bezahlen.
Von Isabell Erb
Finanziell wird es für den angehenden Biologie- und Englischlehrer Denis Bahtinov in den kommenden sechs Wochen eng. Er zieht nach dem Ende seines Referendariats nach Stuttgart, wo er vom kommenden Schuljahr an an einer Gesamtschule unterrichtet. Für Bahtinov bedeutet das: Die Miete der neuen Wohnung will bezahlt werden, die Kaution steht auch schon an. Doch der Neu-Stuttgarter wird in den kommenden sechs Wochen nichts verdienen.
In der Zeit zwischen dem Ende des Referendariats, also zum Ende eines Schuljahres, und dem Beginn der ersten Lehrerstelle, also zu Beginn des neuen Schuljahres, sind die angehenden Lehrer an keiner Schule angestellt. Weder an der alten Schule noch an der neuen, die sie in der Zeit der Sommerferien auch noch nicht betreten dürfen. Betroffen sind bundesweit rund 4000 Referendare.
Gewerkschaft ruft zum Protest auf
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat deshalb vor dem Stuttgarter Schauspielhaus, unweit des Landtags, gemeinsam mit einigen Betroffenen protestiert. Einige Landespolitiker waren ebenfalls vor Ort. Das Land Baden-Württemberg sei mit der Praxis, Referendare über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, bundesweiter Spitzenreiter, so die Gewerkschaft. „Man verlässt sich darauf, dass die neuen Lehrkräfte in den Sommerferien trotzdem arbeiten, um den Unterricht vorzubereiten – ohne Bezahlung“, kritisiert etwa die Vorsitzende des GEW-Landesverbands, Monika Stein. Die GEW fordert deshalb: richtige Schulferien und finanzielle Sicherheit.
Für den Noch-Referendar Simon Hoffmann ist die Frage nach der Bezahlung über die Ferien auch eine Frage der Wertschätzung. „Viele meiner ehemaligen Kommilitonen haben sich gegen das Referendariat entschieden. Aber wir ziehen es durch – und müssen dafür dann Arbeitslosengeld beantragen“, sagt er. Hoffman selbst ist noch mitten im Referendariat. Aber das Thema der abzusehenden Arbeitslosigkeit sei unter seinen Kollegen ständig präsent. „Bei unserer Bezahlung kann man ja auch kaum Rücklagen bilden“, sagt er. Etwa 1650 Euro landen bei einem Referendar wie Hoffmann auf dem Konto, abzüglich der Krankenkassenbeiträge, die die Referendare selbst zahlen müssen, sagt er. Bei Gymnasialanwärtern sei der Verdienst ein wenig höher.
Land begründet Entscheidung mit fehlendem Geld
Das Problem der Lohnlücke besteht bereits seit vielen Jahren. Die GEW protestiert seit einigen Jahren stets am ersten Sommerferientag dagegen. Die Politik erkläre das Vorgehen mit fehlendem Geld, berichtet Monika Stein. Jetzt, nachdem man festgestellt hat, dass 1440 Lehrerstellen fälschlicherweise nicht besetzt waren, hält Stein diese Begründung aber für nichtig. „Es kann mir keiner mehr erzählen, dass das Geld nicht da ist“, sagt sie. Jeder Cent, der durch die 1440 unbesetzten Stellen eingespart worden sei, stünde den Schulen zu. „Es gibt keinen Grund mehr, die Referendare nicht zu bezahlen.“
Aber nicht nur die Gewerkschaft und die Referendare, auch einige Landespolitiker sprechen sich beim Protest für eine Anstellung in den Sommerferien aus. „Die Maßnahme ist längst überfällig“, sagt etwa der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Thomas Poreski. „Wenn es nach den Bildungspolitikern ginge, dann wäre es auch schon so.“ Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Manuel Hailfinger will „alles geben, dass die nächste Landesregierung es umsetzt“, wie er es formuliert. Und die Linken-Landesgeschäftsführerin Lisa Neher weist auf den Fachkräftemangel hin, der auch bei Lehrern herrsche – und der nur mit fairer Bezahlung zu beheben sei: „Es ist wichtig, unsere gut ausgebildeten Refendare zu halten“, sagt sie.
Anstellung ist auch Existenzgrundlage
Für die ehemaligen Referendare ist die Sache mit der Bezahlung Politikum und Existenzgrundlage zugleich. Der angehende Realschullehrer Kim Pätzold lebt seit heute, wie Denis Bahtinov und viele weitere angehende Lehrkräfte auch, von seinem Ersparten. Er selbst bekommt weder Arbeitslosen- noch Bürgergeld. Seine Partnerin habe ja ein Einkommen und könne unterstützen, hieß es laut Pätzold vom Amt. Auch viele andere würden Unterstützung von der Familie oder anderen Angehörigen brauchen – „nachdem wir einen Masterabschluss und zwei Staatsexamen in der Tasche haben.“
Über die Runden wird Pätzold mit seinem Ersparten wohl kommen, viel übrigbleiben werde allerdings nicht, sagt er. „Aber das können sich auch nur die leisten, die einen entsprechenden Hintergrund haben.“ Und so solle Bildung nicht sein.