Zurück zu eigenen Unterkünften

Der Landkreis will die Unterbringung von Flüchtlingen auf neue Grundlagen stellen – weg von Behelfslösungen, Containern und angemieteten Immobilien, hin zu soliden Massivbauten. Vorbild könnten die Häuser in der Albertviller Straße in Winnenden sein.

In Winnenden hat die Kreisbau ein Gebäudeensemble errichtet, das für die künftige Unterbringung Geflüchteter Pate stehen könnte. Foto: G. Schneider

© Gaby Schneider

In Winnenden hat die Kreisbau ein Gebäudeensemble errichtet, das für die künftige Unterbringung Geflüchteter Pate stehen könnte. Foto: G. Schneider

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Das Ensemble in Winnenden besteht aus sechs Häusern in Massivbauweise. Errichtet wurden sie von der Kreisbau, die Einweihung war bereits 2014, also noch vor der Flüchtlingskrise. Der große Vorteil dieser Unterkunft: Sie ist flexibel nutzbar – für Familien, Einzelpersonen sowie Geflüchtete unterschiedlicher Herkunft und Kulturkreise. Gleichwohl besteht räumliche Nähe, was der Betreuung durch einen Sozialarbeiter entgegenkommt. Deshalb könnten diese Gebäude Modell für künftige Unterbringungsformen stehen, wie Landrat Richard Sigel und Frank Schneider, Leiter des Ausländeramts, im Sozialausschuss des Kreistags jetzt ankündigten. Weiterer Vorteil: Mit solchen Häusern wäre auch leicht ein Wechsel unterschiedlicher Unterbringungsarten möglich, sei es Gemeinschaftsunterkunft in der Regie des Landkreises, sei es die Anschlussunterbringung durch die Kommune, sei es Raum für Obdachlose.

Hintergrund für solche Überlegungen sind einerseits die gesunkenen Zahlen: Zurzeit muss der Landkreis monatlich etwa 30 Personen neu aufnehmen – während der Krise waren es bis zu 1000. Andererseits laufen in den kommenden Jahren sukzessive Mietverträge aus, die der Landkreis im Zuge der Flüchtlingskrise für Gemeinschaftsunterkünfte geschlossen hat – und zum Teil auch für teures Geld schließen musste, um die immensen Zahlen an Geflüchteten zu bewältigen. Damit biete sich jetzt, so Schneider, die Möglichkeit, sich für die Zukunft neu aufzustellen und wieder verstärkt auf eigene Unterkünfte zu setzen.

Der Landkreis will unabhängig von Mietangeboten werden.

Ziel ist es, von Mietangeboten auf dem Wohnungsmarkt unabhängig zu werden. Gerade im Ballungsraum hatten sich dabei infolge der Krise von 2015 hohe Belastungen ergeben. Bedarf an Unterbringungskapazitäten, so machte Schneider deutlich, werde auch künftig bestehen. Weltweit sind nach wie vor Menschen auf der Flucht – und ihre Zahl steigt eher, als dass sie sinken würde. Nötig sei deshalb ein nachhaltiges und möglichst krisensicheres Unterbringungskonzept. „Wir wollen uns langfristig aufstellen“, unterstrich der Landrat.

Die Kreisbaugruppe soll als Partner dienen, um entsprechende Kapazitäten zu schaffen. Schneider erinnerte an die bis 2014 praktizierte Strategie der Flüchtlingsunterbringung. Damals gab es mit Backnang und Schorndorf zwei große Standorte – später kam noch Winnenden hinzu –, mit denen der räumliche Bedarf im Kreis weitgehend abgedeckt werden konnte. Im Verlauf der Flüchtlingskrise ist die Zahl der Standorte auf den Höchstwert von 62 Unterkünften im Jahr 2016 angewachsen. Derzeit sind es 16.

Mit dem neuen Konzept will Schneider in Jahren mit geringen Unterbringungszahlen teure Leerstände vermeiden und gleichzeitig sicherstellen, dass der Landkreis bei neuerlich ansteigenden Zahlen nicht so rasch in eine kostenintensive Abhängigkeit vom Immobilienmarkt kommt. Anders als früher ist vorgesehen, die neuen Unterkünfte auf mehrere Standorte im Kreis zu verteilen. Dies soll in Abstimmung mit den Kommunen erfolgen. Mit einer angedachten Größe von etwa 150 bis 200 Plätzen je Standort, verteilt auf mehrere Gebäude, sei ein integrationsförderlicher und wirtschaftlich sinnvoller Betrieb möglich.

Stand Oktober dieses Jahres lebten in den verfügbaren Unterkünften 652 Personen. Um die Belegung in den einzelnen Quartieren wegen der Coronarisiken zu reduzieren, hat der Landkreis die Kapazitäten auf 1000 Personen erhöht. Dazu wurden im Lauf des Jahres zwei Standorte reaktiviert. Das Land hatte für diesen Schritt grünes Licht gegeben, nachdem es ursprünglich eine Auslastung von 80 Prozent gefordert hatte. Wichtig ist dies im Zusammenhang mit der Kostenerstattung durch das Land.

Den neuen Ansatz zur künftigen Unterbringung billigten die Mitglieder des Sozialausschusses einstimmig. Ferner bewilligten sie Zuschüsse an drei Institutionen, die sich um besonders belastete Flüchtlinge kümmern: Psychosoziale und therapeutische Hilfen für traumatisierte Geflüchtete bieten der Verein refugio Stuttgart (10000 Euro) und die Psychologische Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart (42500 Euro), und der Verein Seehaus aus Esslingen betreibt Trauma- und Opferberatung für psychisch instabile und traumatisierte Geflüchtete (15000 Euro).

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Erstellt:
26. November 2020, 06:00 Uhr

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