Verwaltungsgericht Berlin
Zurückweisungen für rechtswidrig erklärt: Wie es jetzt weitergeht
Deutschland hat drei Schutzsuchende rechtswidrig zurückgewiesen: Das hat ein Gericht nun festgestellt. Was bedeutet das für den neuen asylpolitischen Kurs der Regierung? Ein Überblick.

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Trotz der Gerichtsentscheidung hält der Innenminister an seinem Vorgehen fest.
Von Rebekka Wiese
Deutschland darf Asylsuchende auf deutschem Boden nicht zurückweisen, ohne ihren Antrag vorher geprüft zu haben: Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am Montag entschieden. Ist das Vorgehen der Bundesregierung damit rechtswidrig? Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die Beamten zu entsprechenden Zurückweisungen angewiesen – und sich dabei eigentlich auf eine Ausnahmeklausel berufen wollen. Wie begründet das Gericht seine Entscheidung? Was folgt daraus? Das Wichtigste in Fragen und Antworten.
Wer hat geklagt?
Drei somalische Schutzsuchende, die Mitte Mai in einem Zug in Frankfurt (Oder) von der Bundespolizei aufgegriffen und zurückgewiesen wurden, hatten sich mit Eilanträgen gegen das Vorgehen der Beamten gewandt. Laut einer Sprecherin des Gerichts handelt es sich um zwei 19-jährige Männer und eine 16-jährige Frau. Die Organisation Pro Asyl teilte mit, die drei Betroffenen bei dem Verfahren unterstützt zu haben.
Was genau hat das Gericht entschieden?
Das Gericht schreibt, dass Schutzsuchende, die sich auf deutschem Boden befinden, nicht zurückgewiesen werden dürfen, ohne dass zuvor geprüft wurde, welcher EU-Mitgliedsstaat für ihr Asylverfahren zuständig wäre. Es verweist auf die Dublin-Regeln. Demnach muss Deutschland bei jedem Asyl-Antrag prüfen, welches EU-Land für den Schutzsuchenden zuständig ist. Das ist eigentlich das erste EU-Land, das der Antragsteller betreten hat. Im Fall der Somalier wäre das wohl Litauen gewesen, steht es im Gerichtsbeschluss. Doch erst wenn das abschließend geklärt ist, darf Deutschland die Person rückführen. Dobrindt hatte die Bundespolizei aber angewiesen, Asylbewerber ohne Prüfung zurückzuweisen. Er begründet das mit einer Ausnahmeregelung im EU-Recht, die vorsieht, dass jedes Land für seine öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig bleibt. Das Gericht kam aber zu dem Schluss, dass es „bereits an der hinreichenden Darlegung“ fehle, weshalb Sicherheit und Ordnung gefährdet seien. Somit bleibt es rechtswidrig, Schutzsuchende ohne Dublin-Verfahren zurückzuweisen.
Wie reagiert der Innenminister?
Dobrindt will an der Praxis festhalten. Das gab es noch am Montag bekannt. Dass er sich über die Entscheidung des Gerichts hinwegsetzt, erklärte er zum einen damit, dass das Gericht erstmal nur über einen Einzelfall entschieden habe. Zum anderen betonte er, dass die Richter lediglich die Begründung für das Vorgehen bemängelt hätten. Diese wollte er noch nachliefern. Er wolle nun ein Hauptsacheverfahren anstreben. Allerdings können im Regelfall nur die Kläger ein solches Verfahren nach einer Eilentscheidung anstreben. Im konkreten Fall hatte nur die Frau neben dem Eilantrag auch eine Klage eingereicht. Wenn sie daran festhielte, würde es zum Hauptsacheverfahren kommen. Wenn nicht, dann könnte die Bundesregierung zwar widersprechen. Dann aber würde das Gericht erstmal formal prüfen, ob der Rechtsstreit mit dem Eilantrag geklärt worden sei oder nicht – und nur wenn nicht, könnte ein Hauptsacheverfahren folgen. Das Fall schätzen Fachleute aber als sehr unwahrscheinlich ein. Voraussichtlich wird es kein Hauptsacheverfahren geben.
Wie geht es jetzt weiter?
Das ist schwer zu sagen. Es ist auch unklar, wie die Regierung vorgehen will, falls es noch zu weiteren Klagen und ähnlichen Entscheidungen kommt. Der Jurist und Migrationsexperte Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte dem „Deutschlandfunk“, es sei möglich, dass die Bundesregierung mit ihrem Vorgehen durchaus noch recht erhalte, wenn sie eine „solide Begründung“ vorlege. Sicher ist das aber nicht.
Welche Reaktionen gibt es?
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich hinter Dobrindts Kurs. Die Entscheidung des Berliner Gerichts enge die Spielräume zwar möglicherweise noch einmal etwas ein, sagte er in Berlin. „Aber die Spielräume sind nach wie vor da.“ Die Grünen forderten Dobrindt hingegen auf, seine Weisung zu den Zurückweisungen aufzuheben. „Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin ist eine schallende Ohrfeige für Friedrich Merz und seinen nationalen Alleingang“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in Berlin. „Es ist eine Blamage mit Ansage.“