„Patient Null“ aus Göppingen: Weitere Coronavirus-Fälle

dpa/lsw Stuttgart. Das Coronavirus hat auf seinem Weg um den Globus auch Baden-Württemberg erreicht. Nach einem Fall in Göppingen sind nun Fälle in Tübingen und Rottweil bekannt geworden. Lässt sich die Ausbreitung des Virus eindämmen? Ja, sagt der Gesundheitsminister.

Eine inaktivierte Probe eines Covid-19-Verdachtsfalles in einer Vorrichtung. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Eine inaktivierte Probe eines Covid-19-Verdachtsfalles in einer Vorrichtung. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Irgendwann am Nachmittag wirkte die Kette der Meldungen wie ein Dominoeffekt. Kaum hatte Gesundheitsminister Manne Lucha die Details zum ersten baden-württembergischen Coronavirus-Patienten aus dem Kreis Göppingen veröffentlicht, da schlug zunächst das Universitätsklinikum in Tübingen Alarm und meldete zwei weitere Fälle. Wenige Stunden später folgte der vierte Fall, ein Patient in Rottweil. Spätestens am Mittwoch war klar, dass das Coronavirus auf seinem rasanten Zug um die Welt auch an Baden-Württemberg nicht vorbeiziehen wird. Lucha mahnte allerdings ebenso wie die Gesundheitsbehörden zur Besonnenheit. Es gebe noch „keinen Grund zur Unruhe“, sagte der Grünen-Politiker.

Nach Angaben der Behörden stehen die beiden Tübinger Fälle in direktem Zusammenhang mit dem sogenannten Patienten Null, dem infizierten Mann aus dem Kreis Göppingen. Beide Namen finden sich auf der Liste seiner Kontakte aus den vergangenen Tagen. Sowohl die 24 Jahre alte Reisebegleitung des Mannes aus dem Italien-Urlaub vergangene Woche als auch deren Vater, ein Oberarzt in der Pathologie am Tübinger Universitätsklinikum, würden isoliert behandelt, teilte das Krankenhaus mit.

Anders dagegen der Fall in Rottweil: Der 32-jährige Mann aus dem Landkreis sei mit seiner Familie aus dem Risikogebiet, dem Ort Codogno in der italienischen Provinz Lodi, eingereist, teilte das Gesundheitsministerium am Abend mit. Während seine Frau und sein Kind keine Symptome zeigten, habe sich der Familienvater mit grippeähnlichen Beschwerden beim Gesundheitsamt gemeldet. „Am frühen Mittwochabend hat sich der Verdacht schließlich bestätigt“, teilte das Ministerium mit. Weitere Details nannte die Behörde zunächst nicht. Auch über den Gesundheitszustand des Mannes wurde zunächst nichts bekannt.

Den beiden Tübinger Patienten und dem Mann in Göppingen geht es nach Angaben der Behörden gut. „Sie sind in gutem Zustand und fühlen sich wohl“, sagte Nisar Malek, Ärztlicher Direktor an der Medizinischen Klinik, über die betreuten Fälle in Tübingen. Der ältere Patient habe „so gut wie keine Symptome“, seine infizierte Tochter verspüre lediglich leichte Halsschmerzen.

Sämtliche Kontaktpersonen der beiden Patienten aus den vergangenen Tagen seien bekannt und informiert. Der Mann hatte nach dem Wochenende an einem Treffen von Oberärzten teilgenommen. Es seien daraufhin ein Dutzend Mediziner getestet und „aus der Krankenversorgung herausgenommen worden“. Sie seien unter Beobachtung, teilte das Klinikum mit.

Gesundheitsminister Lucha bemühte sich vor Bekanntwerden der neuen Fälle darum, besorgte Gemüter zu beruhigen. „Es gibt nach wie vor keinen kursierenden Virus bei uns“, sagte er. Die Krankenhäuser seien vorbereitet, es sei aber noch alles unter Kontrolle, der Weg des Erregers im Südwesten könne nachgezeichnet werden. Auch die Tübinger Mediziner zeigten sich überzeugt, den Erreger isoliert und die Ansteckungsgefahr in den Griff bekommen zu haben.

Der Göppinger Landrat gab sich ebenfalls zuversichtlich: „Wir setzen darauf, dass wir das Virus in den Griff bekommen und eine Weiterverbreitung verhindern können“, sagte Edgar Wolff. Es gebe einen Krisenstab, der die Lage stets neu bewerte. Tübingens Landrat Joachim Walter warnte davor, „Hyperaktivitäten zu entwickeln“. Es sei für das Funktionieren einer Gesellschaft gefährlich, wenn Menschen zu viele Ängste entwickelten.

Bislang sind laut Ministerium 13 Kontakte des erkrankten Mannes aus dem Kreis Göppingen bekannt und informiert, darunter die junge Frau aus Tübingen und eine italienische Freundin des Paares. Problematisch könnte noch ein Kinobesuch des Mannes mit einem Bekannten am Samstagabend im bayerischen Neu-Ulm werden. Laut Landratsamt saßen insgesamt 138 Menschen im Saal.

Trotz der Zusicherung der Gesundheitsbehörden betonte die Infektionsschutz-Expertin Isolde Piechotowski auch, dass sich das aus China stammende Virus im Vergleich zur Influenza weitgehend ungehindert ausbreiten könne. „Bei der Influenza gibt es eine Impfquote, wenngleich sie noch zu gering ist“, sagte die Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums in Stuttgart. Auch sei ein Teil der Menschen immun. „Aber das Coronavirus trifft auf eine völlig naive Bevölkerung. Es kann wirklich jeden treffen und es gibt keine Abwehrmechanismen.“

Der Freiburger Virologe Hartmut Hengel mahnte, Infektionsketten möglichst zu unterbinden oder zumindest zu unterbrechen. „Das gelingt, wenn schnelle Erstdiagnosen gestellt und dann Weitergaben des Virus durch Isolation der Patienten verhindert werden“, sagte der Leiter des Instituts für Virologie der Universität Freiburg der Deutschen Presse-Agentur. Es muss vermieden werden, dass Menschen mit Beschwerden die Kliniken stürmten und das Personal ansteckten, das dann wiederum weitere Patienten infizieren könne. Ein solcher Dominoeffekt sei fatal.

In Deutschland waren schon vor einiger Zeit erste Infektionen mit Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, nachgewiesen worden: vor allem bei einer Firma in Bayern, aber auch bei Rückkehrern aus der chinesischen Stadt Wuhan. Diese Fälle führten aber nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen. Der Ursprung des neuartigen Virus liegt in China. Die Zahl der Todesopfer und Infizierten dort ist erneut gestiegen.

Zum Artikel

Erstellt:
26. Februar 2020, 15:41 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen