Zweifel an Verkehrskonzept für Obere Walke

Es ist das Ende einer jahrzehntelangen Hängepartie: Morgen verabschiedet der Backnanger Gemeinderat den neuen Bebauungsplan für die Obere Walke. Damit kann die Dibag Industriebau schon bald mit dem Bau eines Pflegeheims und von rund 450 Wohnungen beginnen.

So könnte der Blick über Backnang in ein paar Jahren aussehen: Auf dem ehemaligen Industriegelände sollen dann 23 neue Gebäude entstanden sein. Visualisierung: Dibag Industriebau AG

So könnte der Blick über Backnang in ein paar Jahren aussehen: Auf dem ehemaligen Industriegelände sollen dann 23 neue Gebäude entstanden sein. Visualisierung: Dibag Industriebau AG

Von Kornelius Fritz

Backnang. Die endgültige Entscheidung steht zwar noch aus, aber nach einer einstimmigen Beschlussempfehlung durch den Ausschuss für Technik und Umwelt besteht kein Zweifel, dass der Gemeinderat den Plänen für die Obere Walke morgen Abend zustimmen wird. Damit ist der Weg frei, damit auf der seit mehr als 30 Jahren bestehenden Industriebrache endlich etwas Neues entstehen kann. Noch in diesem Jahr will der Eigentümer, die Dibag Industriebau aus München, dort mit dem Bau eines neuen Pflegeheims beginnen.

In den kommenden Jahren sollen dann noch ein Büro- und Ärztehaus sowie 21 Wohngebäude mit insgesamt 450 Wohnungen folgen. „Wir haben bereits die Architekten beauftragt und werden im Oktober einen Planungsworkshop durchführen, um die Qualitäten der künftigen Bebauung festzulegen“, teilt Sebastian Kuhlen, Projektleiter bei der Dibag, mit.

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich ist erleichtert, dass nach all den Jahren, in denen unterschiedlichste Ideen entwickelt und wieder verworfen wurden, nun ein überzeugendes Konzept auf dem Tisch liegt. „Die Obere Walke war ein schwarzer Fleck in der Stadt, der sich nun nach und nach in ein attraktives Stadtquartier verwandeln wird“, freut sich der OB. Neue Wohnungen würden in Backnang dringend benötigt und von den 450 Wohneinheiten auf der Oberen Walke würden immerhin 95 zu vergünstigten Mieten an Personen mit geringem Einkommen vergeben.

Anklang findet auch die geplante Gestaltung des Quartiers: „Wir ermöglichen ein kompaktes, aber dennoch qualitätsvolles Wohnen“, sagt Tobias Großmann, der Leiter des Stadtplanungsamtes. Ein Viertel des fünf Hektar großen Geländes werde zu Grünflächen. Ein Grünstreifen am Murrufer dient gleichzeitig als Retentionsraum, der bei einem Hochwasser überflutet werden kann. Die Gebäude werden überwiegend vierstöckig – das sei nicht dichter als in anderen Bereichen der Innenstadt, versichert Großmann. Nur am zentralen Platz ist ein achtstöckiges Gebäude geplant – als „Alleinstellungsmerkmal für das Quartier“, wie Großmann es formuliert.

Nachdem der Gemeinderat die Baupläne geschlossen unterstützt und auch der Streit um das Energiekonzept beigelegt wurde (siehe Infobox), gibt es nur noch einen strittigen Punkt: das Verkehrskonzept. 450 neue Wohnungen bedeuten nämlich rund 1200 neue Bewohner und jede Menge zusätzliche Autos. Damit es nicht zu viele werden, hat die Dibag mit Unterstützung eines Fachbüros ein Mobilitätskonzept entwickelt. So will der Investor auf der Oberen Walke unter anderem Carsharing und ein Leihsystem für E-Bikes und Lastenfahrräder anbieten. „Wir wollen den Verzicht auf den Zweitwagen sehr attraktiv machen“, erklärt Julia Friz von der Dibag. Dafür muss der Investor dann auch nur 490 Tiefgaragenstellplätze schaffen – nach dem sonst üblichen Backnanger Stellplatzschlüssel wären es eigentlich 550.

Ob diese Rechnung aufgeht, daran gibt es im Gemeinderat allerdings erhebliche Zweifel. „Für mich klingt das ein bisschen nach Wunschkonzert“, meinte CDU-Stadtrat Gerhard Ketterer. Auch SPD-Fraktionschef Heinz Franke stellte die Prognosen infrage: „Das kann man glauben oder auch nicht.“ Die Stadträte vermuten, dass Bewohner und Besucher in den angrenzenden Wohngebieten parken werden, wenn die Stellplätze nicht reichen. Außerdem befürchten sie noch mehr Staus in der City.

Laut einem Gutachten kann der Kreisverkehr an der Annonaystraße den zusätzlichen Verkehr zwar gerade noch verkraften, allerdings nur, wenn das Mobilitätskonzept greift und die Bewohner der Oberen Walke nicht deutlich mehr mit dem Pkw fahren als gedacht. Stadtplaner Tobias Großmann und Baudezernent Stefan Setzer sind der Meinung, das Gebiet sei wegen der Nähe zur Innenstadt prädestiniert für ein solches Mobilitätskonzept. „Wenn es uns bei der Oberen Walke nicht gelingt, einen Teil des Verkehrs auf andere Verkehrsmittel zu verlagern, dann gelingt es uns nirgends“, meinte Großmann. Setzer erinnerte auch daran, dass der Bau von Tiefgaragenplätzen die Baukosten enorm in die Höhe treibt: „Bezahlbaren Wohnraum und viele Stellplätze schaffen – das passt nicht zusammen.“

Ein Zugeständnis konnte Großmann den zweifelnden Stadträten allerdings machen. Da die Dibag das Gebiet in drei Abschnitten bebauen will, werden nicht alle 450 Wohnungen gleichzeitig bezogen. So habe man die Möglichkeit, nach dem ersten Bauabschnitt zu prüfen, ob das Mobilitätskonzept die Erwartungen erfüllt. Sollte dies nicht der Fall sein, könne man noch nachsteuern und bei den folgenden Bauphasen einen höheren Stellplatzschlüssel einfordern.

Tobias Großmann,
Leiter des Stadtplanungsamtes „Wenn es uns bei der Oberen Walke nicht
gelingt, einen Teil des Verkehrs auf andere
Verkehrsmittel zu
verlagern, dann gelingt es uns nirgends.“
Ambitioniertes Energiekonzept

Klimaneutral Ein Streitpunkt war im Frühjahr noch das Energiekonzept für die Obere Walke gewesen. Die Grünen hatten im Gemeinderat ein klimaneutrales Quartier gefordert, der Investor wollte das aber nicht garantieren. Die Fraktion stimmte daraufhin zunächst gegen das Projekt. Nun präsentierte die Dibag jedoch ein Energiekonzept, das auch die Grünen überzeugt.

Heizen mit Holz 80 Prozent des Energiebedarfs sollen mit einem Blockheizkraftwerk gedeckt werden, das mit Holzhackschnitzeln gespeist wird. 16 Prozent werden durch eine Wärmepumpe gewonnen. Die Spitzenlast an besonders kalten Tagen wird mit Biogas abgedeckt. Auf den Dächern der Gebäude soll außerdem Solarstrom produziert und ins Netz eingespeist werden.

Lob für den Investor „Das Quartier setzt für die Stadt neue Planungsmaßstäbe hinsichtlich Innovation und Energiekonzept“, lobte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich die Pläne. Auch Grünen-Fraktionschef Willy Härtner zeigte sich zufrieden mit dem Konzept: „Viele grüne Themen sind abgearbeitet worden. Unser stetiges Bohren hat etwas gebracht.“

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Erstellt:
29. September 2021, 06:00 Uhr

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