Tennis-Ass Altmaier stellt alles auf den Prüfstand

dpa Köln. Nach seinem Achtelfinal-Einzug bei den French Open hatte es um Daniel Altmaier einen großen Hype gegeben. Doch für den 22-Jährigen war es mental wie körperlich eine völlig neue Situation. Die er vielleicht unterschätzt hat. Umso schonungsloser will er sich nun analysieren.

Schied in Köln erneut in der ersten Runde aus: Daniel Altmaier. Foto: Jonas Güttler/dpa

Schied in Köln erneut in der ersten Runde aus: Daniel Altmaier. Foto: Jonas Güttler/dpa

Der Höhenflug endete schnell, die Landung war hart, nun stellt Daniel Altmaier alles auf den Prüfstand. Nach seinem Achtelfinal-Einzug bei den French Open schien der 22-Jährige auf einem guten Weg zum nächsten deutschen Tennis-Star.

Weil er so herzerfrischend spielte und abseits des Courts genauso herzerfrischend redete. Zwei Wochen nach dem Paris-Rausch saß Altmaier zerknirscht auf dem Podium in Köln und kündigte nach zwei bitteren Erstrunden-Niederlagen in der Heimat eine Runderneuerung an.

„Ich muss schauen, wo ich jetzt stehe“, sagte er nach der bitteren 1:6, 0:6-Lehrstunde gegen Jegor Gerassimow aus Belarus, immerhin auch gerade einmal die Nummer 85 der Weltrangliste. Er fühle sich „einen Tick leer“. Und weil Altmaier ehrgeizig ist und möglichst schnell und möglichst weit nach oben will, will er jetzt „die richtigen Entscheidungen treffen“. Was nicht mehr und nicht weniger heißt, als dass Altmaier alles an sich und um sich herum hinterfragt.

Als er kurz vor dem ersten der beiden Turniere in Köln vor die Presse trat, gerade aus Paris gekommen und von großer Euphorie getragen, versicherte Altmaier noch, gut auf den Hype und die neue Situation vorbereitet zu sein. „Wir haben im engsten Kreis immer darüber gesprochen, dass der Tag irgendwann kommt“, hatte er zu seinem Durchbruch gesagt. „Dass er so schnell kommt, hätte ich nicht gedacht. Aber ich war ready für die Situation und fühle mich darin sehr wohl.“

Nun muss er feststellen: Er hat doch eine völlig andere Welt betreten. „Ich spiele nicht mein erstes Turnier und nicht meine erste Saison“, sagte er: „Die ATP-Tour ist nicht komplett anders als die Challenger. Aber man braucht mehr Erholung, mehr Schlaf, muss sich bewusst ernähren. All das muss als Routine laufen. Ich musste mich in den letzten Wochen sehr darauf fokussieren. Und das zieht Energie.“ Deshalb müsse er nun mit seinem Team entscheiden, „wann ich was spiele, wie ich den Tag gestalte, wie ich mich vorbereite“.

Zuletzt habe er „in drei Monaten nur zwei Tage Pause gehabt“. Deshalb sei eine derbe Niederlage wie gegen Gerassimow „menschlich“. Erleben will er solch ein Debakel trotzdem nicht mehr. „So etwas darf und soll nicht passieren“, stellte Altmaier klar: „Ich hasse solche Niederlagen. Mit 1 und 0 vom Platz gehen, dafür spielt man nicht Tennis, das genießt man nicht.“

Am Morgen vor dem Spiel habe er im Training ein Ziehen im Knie gespürt, berichtete Altmaier. Das solle aber keine Ausrede sein, denn der eiligst konsultierte Physio hatte ihm versichert, dass es nichts Schlimmes sei. Doch die Nummer 124 der Weltrangliste war komplett verunsichert. „Es passiert, dass man durch solche Sachen irritiert ist“, sagte er: „Aber damit muss man klarkommen. Ich bin nicht damit klargekommen. Das muss ich beim nächsten Mal sicher besser händeln.“

Mit seiner schonungslosen Analyse hielt Altmaier aber, was er vor dem Start in Köln versprochen hatte: seine Gefühle offen nach außen tragen zu wollen. Sollte er nun die richtigen Lehren ziehen, könnte ihm die Bauchlandung von Köln auf dem weiteren Weg nach oben mehr nutzen als der Rausch von Paris. Schon dort hatte der deutsche Herrentennis-Chef Boris Becker wohlwollend zur Kenntnis genommen: „Es gefällt mir, dass er demütig bleibt.“

© dpa-infocom, dpa:201019-99-04116/4

Zum Artikel

Erstellt:
20. Oktober 2020, 04:56 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen