Amerikas Liebling
US-Skistar Lindsey Vonn kehrt in den alpinen Weltcup zurück
Ski alpin - Sie ist noch da, denn sie will noch einen Rekord. Lindsey Vonn hat die Bestmarke von Ingemar Stenmark im Visier – um ihn zu knacken, geht die 34-Jährige sogar in die Verlängerung.
Stuttgart Sein Name ist P. K. Subban. Ausgeschrieben heißt er Pernell Karl Subban, er ist kanadischer Eishockeyspieler bei den Nashville Predators, in Europa muss man ihn nicht kennen. Doch da der aufgeregte Skizirkus jede Neuigkeit aus dem Leben der Speed-Ikone Lindsey Vonn gierig aufsaugt, ist der Rechtsverteidiger Subban zumindest in den europäischen Alpenländern kein Unbekannter. Er ist der Freund von Lindsey Vonn. Das ist nicht irgendwas. Vonn war auch schon mal mit dem Golfstar Tiger Woods liiert – und katapultierte sich damit stilsicher in die Schlagzeilen des amerikanischen Boulevards.
Nun will Vonn wieder auf Skiern Schlagzeilen liefern, nach ihrer mehrwöchigen Verletzungspause hat sie sich fit gemeldet und brennt auf ihren ersten Weltcup-Einsatz in dieser Saison. „Es waren harte sechs Wochen, aber ich stehe wieder auf Ski“, so Vonn: „Ich bin aufgeregt, an den Start zurückzukehren. Ich bin noch nicht fertig.“ Auch wenn sie sich noch etwas gedulden muss. Nach den am Mittwoch abgesagten Rennen in St. Anton an diesem Wochenende verschiebt sich ihr Comeback um eine Woche nach Cortina.
Vonn, die Skidiva aus dem Bundesstaat Minnesota, gibt in diesem Winter ihre Abschiedsgala, es ist ihre letzte komplette Saison – und für sie eine ganz entscheidende: Es wird kein belangloses Schaulaufen, auch wenn die Amerikanerin alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Dieser letzte Akt einer aufregenden Karriere ist der Jagd nach dem Rekord von Ingemar Stenmark gewidmet. Der als Stoiker, gleichzeitig aber auch größter Stilist aller Zeiten bekannte Schwede hat 86 Weltcup-Rennen gewonnen. Lindsey Vonn liegt mit 82 Erfolgen auf der Lauer, diesen eigentlich für die Ewigkeit aufgestellten Rekord vielleicht doch noch zu knacken. Nachdem sie ja die ersten Rennen dieses Winters auf ihrer Lieblingsstrecke in Lake Louise verpasst hat, wird sie deshalb nach der Saison in die Verlängerung gehen. Sie will noch einmal in Lake Louise starten – dort, wo sie so oft gewann. Sicher ist sicher. Dort will sie sich den Rekord spätestens holen. Und dann endgültig abtreten.
Schafft sie es, wäre sie die Größte, das ist im Hinblick auf ihr Selbstverständnis nicht ganz unwichtig. Wenn sich jemand über den Sport definiert, dann Lindsey Vonn. „Meinen Rücktritt bekannt zu geben“, sagt sie, „war das Schwierigste, was ich tun musste.“
Schon seit dem fünften Lebensjahr habe sich bei ihr alles um den Skisport gedreht – um den Hunger nach Siegen, nach Adrenalin, nach Herausforderungen.
Die letzte große zu bewältigende Aufgabe ist nun Stenmarks Rekord. Leicht wird das nicht für „America’s Sweetheart“, die so populäre Rennfahrerin. Vonn ist 34 Jahre alt – und die hochveranlagten anderen Frauen, sie schlafen nicht. Was Vonn da vorhat, ist möglich. Im vergangenen Winter war ihre Aufholjagd von Erfolg gekrönt. Vonn gewann vier Abfahrten und einen Super-G. Wegen dieser Auftritte hat sie Lust auf mehr bekommen und schätzt ihre Chance auf den Rekord als realistisch ein. „Ich werde bis zum letzten Rennen oft nach Stenmarks Bestmarke gefragt werden. Auch habe ich meinen großen Wunsch, gegen Männer zu fahren, noch nicht erfüllen können. Ich arbeite daran, beides möglich zu machen, und ich werde mit derselben Intensität und demselben Fokus wie üblich am Start stehen“, sagt sie.
Und danach? Vonn will dann ihre neue Rolle finden. „Definieren“, wie es weitergeht mit ihr und wer sie ist. Ihre sportlich beispiellose Karriere wurde begleitet von Irrungen und Wirrungen. Schmerzhafte Trennungen von Lebenspartnern waren dabei, die publicityträchtige Liaison mit Tiger Woods, Zerwürfnisse mit ihrem Vater und teils unterhaltsam inszenierte Dauerfehden mit Rivalinnen wie ihrer einst (und nun wieder) so guten Freundin Maria Höfl-Riesch.
Am schlimmsten waren und sind aber die Depressionen, die sie seit Jahren begleiten. Es ist nicht lange her, da sprach die Rennläuferin erstaunlich offen darüber, wie wichtig für sie die Medizin sei, die das Leben mit trüben Gedanken erleichtert. In ihre schillernde Karriere, aber auch in die Abgründe gewährte die Olympiasiegerin und Weltmeisterin immer wieder sehr offen Einblicke. Diese Art der Vorwärtsverteidigung gehörte wohl auch ein bisschen zu ihrer Verarbeitungsstrategie.
Von braven Konkurrentinnen wie Anna Veith oder Tina Weirather bekommt die Öffentlichkeit dagegen wenig mit. Sie konzentrieren sich auf ihren Job, führen ein unaufgeregtes Dasein – ohne Allüren und Tamtam.
Solch eine Ruhe wird Lindsey Vonn womöglich erst finden, wenn der Zauber um ihre Person vorüber ist – im Leben danach. „Jetzt, da ich mit 34 Jahren die älteste Olympia-Medaillengewinnerin bin, ist mir klar geworden, dass ich über Medaillen, Podeste, Ziele und den Wettbewerb hinausschauen muss, und an diesem Punkt kommen meine Gesundheit und Familie zuerst. Außerdem will ich schmerzfrei gehen können und meinen Kindern selbst das Skifahren beibringen“, sagt Lindsey Vonn.
Doch die letzte Mission, die Bestmarke von Stenmark zu pulverisieren, ist noch nicht erfüllt. Nicht nur P. K. Subban ist echt gespannt darauf, ob das noch klappt – sondern die komplette Sportwelt.