Ältester Weltmeister: Firat Arslan will Geschichte schreiben

dpa Göppingen. Im biblischen Box-Alter von über 49 Jahren will es Firat Arslan noch einmal wissen. Um am Samstag Geschichte zu schreiben, schreckt er auch vor radikalen Einschnitten in sein Leben nicht zurück.

Ordnet seinem WM-Kampf alles unter: Firat Arslan. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ordnet seinem WM-Kampf alles unter: Firat Arslan. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Für seinen großen Traum hat Firat Arslan sogar für einige Zeit seine Familie verlassen. „Ich habe meine Kinder wochenlang nicht gesehen. Das ist sehr, sehr schmerzhaft, aber ich muss Prioritäten setzen“, sagt Arslan.

Am 8. Februar will Arslan Box-Geschichte schreiben und mit dann 49 Jahren und 133 Tagen der älteste Weltmeister der Geschichte werden. Er würde Bernard Hopkins ablösen, der 2013 im Alter von 48 Jahren und 53 Tagen noch einmal Weltmeister geworden war.

Dazu muss Arslan in Göppingen den 22 Jahre jüngeren IBO-Champion Kevin Lerena aus Südafrika entthronen. Für ihn steht auch ohne den Titel viel auf dem Spiel. Denn der Ex-Weltmeister steigt nicht nur als Hauptkämpfer in den Ring. Er ist in der 5600 Zuschauer fassenden EWS-Arena auch Veranstalter. Mit einer sechsstelligen Summe sei er in Vorleistung gegangen. „Wenn der Kampf wegen eines Infekts platzen würde, wäre das ein finanzielles Fiasko für mich“, betont der Cruisergewichtler. Doch eine Absage habe es mit ihm in 30 Jahren nicht gegeben.

Damit es auch diesmal nicht so weit kommt, hat Arslan radikale Maßnahmen ergriffen. Wer aus seinem Team auch nur Anzeichen einer Erkältung hatte, durfte nicht mehr zum Training kommen. Seinen am 17. Oktober vergangenen Jahres geborenen Sohn Bilal habe er aus Angst vor einem Infekt „über die Hälfte seines bisherigen Lebens“ nicht gesehen. „Aber das Wiedersehen wird dafür umso schöner“, sagt Arslan.

Auch seinen dreijährigen Zwillingstöchtern Melisa und Lina kam er in der Vorbereitung nicht zu nahe. Damit er seine Kinder als Weltmeister in die Arme nehmen kann, ging er in der Vorbereitung in die Vollen. Neben einem Trainingscamp in Liechtenstein schindete sich Arslan zudem in einer Höhenkammer in Bad Aibling. Am dortigen „Hermann Buhl Institut“ wurde eine Höhe von 3000 Metern simuliert.

Die dünne Luft hat gewirkt. Arslan hatte im Sparring einen in seinem Alter anatomisch beachtlichen Maximalpuls von 207, kämpfte fast eine Stunde lang mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 190. „Der Motor ist belastbar“, sagt Arslan und klingt dabei ein wenig stolz. „Mein Ruhepuls ist bei knapp unter 40. Ich bin richtig fit. Die Chance, noch einmal Weltmeister zu werden, ist ein immenser Ansporn, alles zu geben.“

Dabei verhehlt Arslan auch nicht, dass er das Alter langsam merkt. Was mit 49 Jahren natürlich keine Schande ist. „Die Regeneration nach harten Einheiten dauert deutlich länger“, erklärt er. „Ich bin aber Realist. Ich weiß, dass ich meine Bestleistung wohl nicht mehr steigern werde. Aber ich denke, dass ich durch meine Erfahrung die Bestleistung abrufen kann.“

An seinem geschichtsträchtigen Kampfabend ist Arslan allerdings als Außenseiter zu sehen. Lerena hat fast die Hälfte seiner 24 Kämpfe vorzeitig beendet. Im September hatte er Sefer Seferi förmlich aus dem Ring geprügelt, während Arslan gegen denselben Boxer ein knappes Jahr zuvor nur ein Unentschieden erreicht hatte. „Ich habe in der Vorbereitung auf dieses Duell jeden Morgen an Firat gedacht und daran, wie hart er trainiert. Dann bin ich aufgestanden und habe noch härter trainiert“, sagt Lerena.

Derlei Trashtalk gehört zum Boxen. Und Arslan bleibt trotz der klaren Rollenverteilung entspannt. „Ich bin schon oft als Verlierer eingekauft worden und habe dann alle überrascht“, erklärt der Box-Opa. Darauf hofft Arslan auch beim Kampf am 8. Februar. Wichtig sei für ihn aber, dass er danach wisse, hundert Prozent gegeben zu haben. „Dass ich im Reinen mit mir bin, wenn ich in den Spiegel schaue.“

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Erstellt:
6. Februar 2020, 04:49 Uhr

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