Anzeige der TSC-Fußballer sorgt für Zwist

Der türkische Klub aus Murrhardt sucht Jugendkicker und Trainer über eine Zeitungsannonce. Doch diese ist etwas missverständlich und ruft bei anderen Vereinen und beim Bezirksjugendleiter Antonio Agazio Verwunderung hervor. TSC-Jugendleiter Ogur Celik entschuldigt sich nun.

Stein des Anstoßes ist die Zeitungsannonce des TSC Murrhardt, die hier in einer Collage auf einem Archivfoto zu sehen ist. Foto: J. Fiedler

Stein des Anstoßes ist die Zeitungsannonce des TSC Murrhardt, die hier in einer Collage auf einem Archivfoto zu sehen ist. Foto: J. Fiedler

Von Heiko Schmidt

Für Aufregung sorgt eine Zeitungsanzeige der Fußballer des TSC Murrhardt, die in der vergangenen Woche in der Murrhardter Zeitung erschienen ist. Der türkische Klub sucht dabei Nachwuchsfußballer von der G- bis zur C-Jugend sowie die dazugehörigen Trainer. Das ist erst mal nichts Verwerfliches. Doch jeder Neue erhält laut der Annonce einen Gutschein im Wert von 20 Euro. Und genau das ist der Stein des Anstoßes und ruft Verantwortliche vom Bezirk und von anderen Vereinen auf den Plan.

„Wie sollen so junge Spieler im Alter von sechs bis 14 Jahren soziale Kompetenzen, Werte wie Teamfähigkeit, Toleranz, Respekt, Kritikfähigkeit, Fairness, Empathie erlernen? Gemäß dem Motto: Wenn es einem nicht passt, wechselt man eben den Verein – und Geld gibt’s noch obendrauf“, ist Wolfgang Schwellinger völlig außer sich. Der Koordinator der SGM Rottal, der Jugendspielgemeinschaft der Vereine SC Fornsbach, FC Oberrot und SK Fichtenberg, schiebt nach: „Diese Werte werden mit Füßen getreten, wenn schon sechsjährige Kinder Geld in Form von Gutscheinen für einen Vereinswechsel bekommen.“

Antonio Agazio, Jugendleiter des Fußball-Bezirks Rems-Murr, sieht es ähnlich. Er sagt: „Es ist absolut nicht akzeptabel, Jugendfußballer mit Vorteilen zu werben. Das ist aus meiner Sicht keine Fairness gegenüber anderen Vereinen.“ Von einem ähnlichen Fall im Rems-Murr-Kreis hat er in seiner bisherigen Amtszeit als Bezirksjugendleiter noch nicht gehört. „Ich hoffe, dass es der letzte Fall dieser Art sein wird.“ Auch für Michael Weiß ist Derartiges neu. Der sportliche Leiter und Jugendkoordinator von der U 14 bis zur U 19 der Fußballer der TSG Backnang sagt dazu: „Im Jugendbereich ist es nicht üblich und keine gängige Praxis, neue Spieler mit Geld oder Gutscheinen zu holen.“

TSC wolle keine Nachwuchsfußballer von anderen Vereinen abwerben

Der 39-Jährige sollte es wissen, denn er hat von 2012 bis 2015 die U 13 des VfB Stuttgart trainiert und war anschließend drei Jahre lang A- und B-Jugend-Coach bei der SG Sonnenhof Großaspach. Danach wechselte er zur TSG. Zudem spielt sein Sohn Mats bei den Bambinis (G-Jugend) bei der TSG. „Für mich als Elternteil sind nicht das Geld, sondern andere Werte entscheidend.“ Michael Weiß macht aber auch klar, dass viele Jugendtrainer eine Übungsleiterpauschale von bis zu 240 Euro pro Monat erhalten. Das ist auch der einzig mögliche Ansatz für Bezirksjugendleiter Antonio Agazio. Er verweist auf verschiedene Angebote des Württembergischen Fußballverbands (WFV) bezüglich der Förderung der Nachwuchskicker in den Klubs.

Wie reagiert der TSC Murrhardt auf die Empörung? „Ich entschuldige mich dafür, dass die Anzeige missverstanden wurde. Es sind von unserer Seite keine Hintergedanken dabei gewesen“, antwortet der Murrhardter Jugendleiter Ugur Celik. Er stellt zudem klar, wie die Zeitungsannonce, die vom TSC-Vorstand aufgegeben wurde, gemeint war. „Es kommen zu uns immer wieder Kinder, deren Eltern kein Geld für Fußballschuhe oder für einen Ball haben“, so Celik. Der Zuschuss in Form eines Gutscheins für ein Sportgeschäft sei gerade für diese Kinder als Unterstützung gedacht. Aus Celiks Sicht wolle der TSC keine Nachwuchsfußballer von anderen Vereinen abwerben. Vielmehr weist der Murrhardter darauf hin, dass sich in der Jugend einiges bei seinem Klub tut. „Wir haben derzeit fünf Mannschaften und die Altersklassen von der G- bis zur C-Jugend mit jeweils einem Team besetzt. In der Winterpause wollen wir auch eine B-Jugend für den Spielbetrieb anmelden“, erklärt der 43-jährige Ugur Celik, der seit drei Jahren der Jugendleiter beim TSC ist.

Mit den Ausführungen des TSC Murrhardt gibt sich Wolfgang Schwellinger von der SGM Rottal aber nicht so recht zufrieden. Er betont vielmehr: „Mit der Anzeige wurde meiner Meinung nach eine Grenze überschritten, die für den Fußball in unserer Region sicherlich nicht förderlich ist.“ Viele Vereine haben aus seiner Sicht nach den beiden Corona-Lockdowns besonders in den jüngeren Altersklassen zu kämpfen. Auch deshalb schließen sich immer mehr kleine Klubs zu Spielgemeinschaften zusammen, um noch Teams zu stellen.

„Bei der SGM Rottal versuchen wir jedes Jahr, den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, in einer Mannschaft ihrer Altersklasse zu spielen. Das haben wir bisher immer geschafft und auch für die Zukunft sieht es sehr gut aus“, teilt Wolfgang Schwellinger mit. Er schiebt nach: „Mit ehrenamtlichen Trainern wollen wir die Kinder und Jugendlichen für den Fußball begeistern, ihnen die soziale Kompetenz vermitteln und sie bis zum Übergang zu den Aktiven begleiten. Bei uns steht der Jugendliche im Mittelpunkt. Nicht der Ausgang eines Spieles ist das Allerwichtigste, sondern das Erreichen des Ausbildungszieles.“

Schwellinger stört sich auch an der Entwicklung im Amateurfußball bei den Erwachsenen. „Mir ist durchaus bekannt, dass es schon viele Amateurmannschaften im Aktivenbereich gibt, die ihren Spielern Geld bezahlen. Ich finde diese Entwicklung sehr bedenklich für den Fußball und für die Vereine“, berichtet der langjährige Trainer der Vereine FC Oberrot, VfL Mainhardt, FV Sulzbach, TSF Welzheim, VfR Murrhardt, SK Fichtenberg und SC Fornsbach. Als Spieler war er bis in die damalige Oberliga aktiv, dabei unter anderem für den VfR Murrhardt und für die Sportfreunde Schwäbisch Hall. Schwellinger sieht „genügend Negativbeispiele, bei denen Vereine für den vermeintlichen Erfolg viel Geld an ihre Spieler bezahlen. Stellt sich der erhoffte Erfolg dann nicht ein, sind eben jene Spieler sehr schnell wieder weg.“ Für ihn wäre es sinnvoller, das Geld anders einzusetzen und in die Jugendarbeit zu stecken.

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Erstellt:
27. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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