Auf den Spuren von Julian Nagelsmann

VfB-Interimstrainer Nico Willig will sich im Profifußball einen Namen machen

Interimscoach - Nico Willig möchte sich einen Namen im Profifußball machen.

Stuttgart Eines der seltenen Interviews, die Nico Willig in seiner Zeit als Jugendtrainer gegeben hat, war mit der Schlagzeile überschrieben: „Durch Markus Weinzierl ging eine Tür auf.“ Bezogen war die im Februar getätigte Aussage auf die scheinbar neue Durchlässigkeit vom Nachwuchs- in den Profibereich. Jetzt, zwei Monate später, geht für Nico Willig selbst die Tür auf, durch die Weinzierl den VfB Stuttgart am Samstagabend verlassen hat.

Willkommen auf dem heißesten Trainerstuhl der Fußball-Bundesliga, Nico ­Willig!

Wer ist dieser Mann, der beim Tabellen-16. retten soll, was zu retten ist? Zunächst einmal ein relativ unbeschriebenes Blatt. Als Spieler kam er nie über die Oberliga ­Baden-Württemberg hinaus. Für die TSG Balingen bestritt er 92 Oberliga-Spiele. Als kompromissloser Verteidiger war der gebürtige Tübinger hoch geschätzt. Lukas Fölsch, ehemaliger Mitspieler bei der TSG, erinnert sich: „Er ist akribisch ohne Ende und war auch für unsere Verhältnisse immer hoch professionell. Ein normales Fußballspiel mit ihm anzuschauen ist schwierig, weil er alles genau analysiert.“

Klingt nach geborenem Fußballtrainer. Weshalb Willig parallel zu seinem Sportstudium auch schnell die Fußballlehrer-Laufbahn einschlug. Zunächst als Jugendkoordinator in Balingen, ehe er in Stuttgart landete. Erst bei den Kickers als A-Jugend-Trainer, wenig später beim VfB. U 16, U 17, zuletzt die U 19. Mit der A-Jugend führt er die Bundesliga-Tabelle an und steht im DFB-Pokal-Finale. Stichhaltige Argumente, die ihm letztlich seinen ersten Job im Profifußball bescherten. Wenn auch nur interimsweise bis Saisonende. Sportvorstand Thomas Hitzlsperger überzeugten an Willig „seine Arbeitsweise, seine Art der Ansprache und das Wissen, das er einbringt“.

Ob das reicht, die schwierige Profitruppe zu zähmen und den VfB im Oberhaus zu ­halten? Zweifel sind angebracht. Schließlich gilt es als Binsenweisheit, dass den Profi- vom Jugendfußball Welten trennen. Der Kampf gegen den Abstieg hat seine besonderen Tücken. Andererseits gibt es das Beispiel Julian Nagelsmann. Auch der heutige Startrainer der TSG Hoffenheim übernahm 2016 in ausweglos erscheinender Situation die Profimannschaft und führte sie noch ans rettende Ufer. Julian wer?, fragte bald niemand mehr – der damals 28-Jährige machte sich in Windeseile einen Namen.

Im selben Jahr bestand Nagelsmann seine Trainerlizenz. Gemeinsam mit: Nico Willig. Zusammen mit Domenico Tedesco bildete das Trainer-Trio eine Fahrgemeinschaft nach Hennef, seither schätzen sie sich. „Nico ist sehr akribisch und detailversessen. Er will immer einen guten Fußball spielen lassen“, sagt Nagelsmann.

Seine Trainerphilosophie umschrieb der neue VfB-Coach, der mit seiner Frau und seinen Kindern noch immer auf der Zollernalb lebt, einmal so: „Der Spieler soll mich als seinen Helfer wahrnehmen, der genauso wie er alles in seine Weiterentwicklung investiert und bereit ist, dafür auch Verantwortung zu übernehmen.“ Willig hat es vorgemacht und nicht gezögert, als Hitzlsperger ihn an die vorderste Front rückte. Der 38-Jährige sieht in der Aufgabe mehr Chance als Risiko. Willig möchte die Spuren von Nagelsmann nicht verlassen – und sich selbst einen Namen im Profifußball machen.

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Erstellt:
23. April 2019, 10:18 Uhr

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