European League of Football

Beteiligt sich auch Stuttgart Surge an der Rebellion?

Die Kritik vieler Clubs an der ELF-Führung wird immer massiver, die Abspaltung droht. Bei Stuttgart Surge überlegen die Verantwortlichen, ob sie ihre neutrale Position aufgeben.

Sportlich läuft bislang bei den Footballern von Stuttgart Surge alles nach Plan.

© Baumann

Sportlich läuft bislang bei den Footballern von Stuttgart Surge alles nach Plan.

Von Jochen Klingovsky

Die European League of Football (ELF) geht in die entscheidende Phase der Saison – allerdings nicht nur sportlich. Während die Top-Teams, darunter Stuttgart Surge, um die Qualifikation für die Play-offs kämpfen und das große Finale am 7. September in der MHP-Arena in Stuttgart im Blick haben, wird hinter den Kulissen um eine ganz andere Perspektive gerungen. Es geht um die Zukunft der Liga. Oder anders ausgedrückt: Die ELF erlebt fünf Jahre nach der Gründung ihre größte Krise – und steht vor einer echten Zerreißprobe.

Seit dieser Woche rebellieren nicht mehr nur acht Franchises gegen ihren Liga-Verband, zu Rhein Fire, Frankfurt Galaxy, den Madrid Bravos, Paris Musketeers, Vienna Vikings, Tirol Raiders, Prague Lions und Wroclaw Panthers stieß nun auch noch der bislang ungeschlagene Spitzenreiter Nordic Storm aus Kopenhagen. Zu der Interessenvertretung EFA, die schwere Vorwürfe gegen die eigene Liga erhebt, gehören damit neun der insgesamt 16 Clubs. Was sonst noch neu ist? Der Ton wird immer schärfer. Was Suni Musa genau registriert.

Stuttgart Surge überdenkt seine bisher neutrale Position

Der Geschäftsführer von Stuttgart Surge beobachtet natürlich, was derzeit passiert, wer sich wie äußert, welche Szenarien drohen. Nach Informationen unserer Zeitung beschäftigt sich Stuttgart Surge auch mit dem Gedanken, ob es sinnvoll ist, sich weiterhin neutral zu verhalten oder sich womöglich der Allianz der Kritiker offiziell anzuschließen. „Sportlich müssen wie nach uns schauen und unser Soll erfüllen. Wir machen unsere Arbeit, so gut es geht, und richten unseren Fokus darauf, das Finale in Stuttgart zu erreichen“, sagt Suni Musa. Zugleich mahnen der Surge-Boss und sein Medienchef Sascha Müller jedoch eine andere Kommunikation an: „Es muss endlich miteinander und nicht mehr übereinander gesprochen werden.“ In den vergangenen Wochen ist dieser Appell ungehört verhallt.

Zuletzt haben die Kritiker noch einmal kräftig nachgelegt. Zunächst hatten die Clubs der ELF-Führung „schlechte Kommunikation, finanzielle Misswirtschaft, unzureichende Arbeit in zentralisierten Bereichen wie Merchandising, Marketing, Reiseorganisation und Medien“ sowie einen „fehlenden Wissenstransfer“ vorgeworfen. Mittlerweile sind die Anschuldigungen beim Thema Finanzen konkreter geworden. „In den letzten Jahren ist die ELF schlichtweg ihren vertraglich-finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Franchises wiederholt nicht nachgekommen“, erklärte Eric Reutemann, der Geschäftsführer von Frankfurt Galaxy in einem FAZ-Interview, „es fehlt es bis heute an echter wirtschaftlicher Transparenz, insbesondere bei zentralen Einnahmen wie TV- und Sponsoringdeals.“

Suni Musa mahnt interne Klärung an

Auf die Frage, ob auch Stuttgart Surge schon einmal auf Überweisungen von der Liga gewartet habe oder dies womöglich immer noch tue, gibt es von Suni Musa keine klare Antwort. „Das ist ein Thema, das erst recht nicht an die Öffentlichkeit gehört“, sagt der Geschäftsführer des Vizemeisters von 2023 und Halbfinalisten von 2024, „das sind Punkte, die intern geklärt werden müssen.“

Dass Suni Musa zu den Verantwortlichen gehört, die besonnen agieren, ist offensichtlich. Doch unabhängig von der Frage, wie sich Stuttgart Surge positioniert, wurden zuletzt die Drohungen, eine Abspaltung zu forcieren, wenn die ELF-Führung nicht bis zum Ende der laufenden Saison ein tragbares Konzept für die Zukunft vorlegt, immer deutlicher.

Die Club-Allianz fordert „grundlegende Veränderungen“

Vorgelegt hatte Martin Wagner, der Gründungsgesellschafter des Titelverteidigers Rhein Fire: „Wir wollen weiter Football spielen, aber wir wollen nicht mehr unter diesem Dach spielen“, sagte er gegenüber der „Rheinischen Post“ in Richtung der ELF, „was sich daraus ergibt, ist eigentlich relativ einfach.“ Ähnlich äußerte sich jetzt Eric Reutemann: „Wenn wir den Sport, den wir alle lieben, langfristig stark entwickeln wollen, müssen wir selbst die Verantwortung übernehmen.“ Ohne „grundlegende Veränderungen“ sei ein Austritt der Galaxy aus der ELF „nicht ausgeschlossen“. Und auch Jaime Martin setzte die Liga unter Druck. „Unsere Priorität besteht nicht darin, Spaltung zu schaffen, sondern Reformen und Nachhaltigkeit zu fördern“, sagte der Geschäftsführer der Madrid Bravos, „sofern sinnvolle Gespräche nicht möglich sind und die bestehende Struktur weiterhin die Bedürfnisse ihrer wichtigsten Interessengruppen ignoriert, haben wir die Verantwortung, Alternativen zu prüfen.“

Ob diese Botschaften bei der ELF angekommen sind? Es scheint so. Denn auch der für die Organisation zuständige Geschäftsführer Zeljko Karajica hat sich zuletzt mehrfach öffentlich geäußert. „An allen Standorten fehlt Professionalität, auch der Liga fehlt Professionalität – das ist ganz normal“, sagte er in dieser Woche. Trotzdem sei man „gemeinsam innerhalb von fünf Jahren weit gekommen“. Weshalb Karajica die Vorwürfe der neun Franchises auch schwer zu schaffen machen: „Das lasse ich so nicht stehen.“

Trotz der verfahrenen Situation, in der völlig unklar ist, in welche Richtung es gehen wird, ist Suni Musa sicher, dass es einen Ausweg gibt. „Wenn alle konstruktiv miteinander sprechen, dann können die Probleme gelöst werden“, meint der Surge-Geschäftsführer, „nur so gibt es eine Zukunft.“ Auch über den 7. September hinaus.

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Erstellt:
24. Juli 2025, 11:44 Uhr

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