Deutscher Clásico im europäischen Fokus

dpa Dortmund/München. Mehr Spitzenspiel geht nicht. Der Ligagipfel zwischen dem Zweiten aus Dortmund und dem Ersten aus München könnte für eine Vorentscheidung im Titelkampf sorgen. Auf jeden Fall bietet er die Chance für viel internationale Werbung für die Bundesliga.

BVB-Trainer Lucien Favre kann wieder auf Abwehr-Ass Mats Hummels bauen. Foto: Alexandre Simoes/Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA/dpa

BVB-Trainer Lucien Favre kann wieder auf Abwehr-Ass Mats Hummels bauen. Foto: Alexandre Simoes/Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA/dpa

Nervenkitzel ist garantiert - selbst ohne Fans. Obwohl das 102. Duell der Branchenriesen aus Dortmund und München in Corona-Zeiten zum Geistergipfel wird, verheißt die Ausgangslage auch ohne 80.000 Zuschauer im Stadion ein Spektakel.

Nicht nur die imposante Trefferzahl beider Teams, sondern auch deren beachtliche Rückrundenbilanz und das immense internationale Interesse an der Partie schüren die Vorfreude. Bei nur vier Punkten Rückstand könnte der Tabellenzweite BVB dem Abo-Meister der vergangenen sieben Jahre mit einem Sieg bedrohlich nahe kommen. „Beide sind in Top-Verfassung. Es müsste ein Superspiel werden“, orakelte Bayern-Legende Franz Beckenbauer in der „Bild“.

Ähnlich wie das Champions-League-Final der Rivalen 2013 in London könnte das Kräftemessen am Dienstagabend (18.30 Uhr/Sky) zu einem PR-Highlight für die Bundesliga werden. Schließlich wird sie wegen des frühen deutschen Neustarts des Fußballs nach der Corona-Pause konkurrenzlos in die europäischen Wohnzimmer übertragen, während andere Top-Ligen wie die in England oder Spanien noch pausieren.

Nach jeweils neun Siegen in den bisherigen zehn Rückrundenspielen gehen die Dauerrivalen voller Selbstvertrauen in die Partie. Zudem präsentierten sich beide Teams zuletzt in Torlaune. 80 Treffer nach 27 Spieltagen sind dem FC Bayern zuvor noch nie gelungen. Und auch der BVB sorgt mit 74 Toren zu diesem Zeitpunkt für einen Clubrekord.

Nicht nur deshalb erklärte BVB-Sportdirektor Michael Zorc das Gigantentreffen zu einem Schlüsselspiel im Titelkampf: „Da braucht man kein allzu großer Prophet zu sein. Wenn wir um die Meisterschaft weiter mitspielen wollen, sollten wir gewinnen. Es sind nachher nur noch sechs Spiele zu spielen.“ Bayern-Coach Hansi Flick dagegen würde selbst bei einem Münchner Erfolg und dann siebten Punkten Vorsprung nicht von einer Vorentscheidung sprechen wollen. Auch dann seien immer noch „genügend Punkte zu verteilen“, wie er sagte.

Ermutigt durch den jüngsten Aufwärtstrend erwartet Lucien Favre deutlich mehr Gegenwehr seines Teams als beim ernüchternden 0:4 in der Hinrunde - als in München noch 75.000 Fans im Stadion jubeln konnten. „Wir sind besser geworden. Wir spielen mit einem anderen System, das besser für unseren Kader ist. Und wir haben im Winter zwei Spieler verpflichtet und haben eine andere Präsenz“, sagte der Schweizer Fußballlehrer mit Verweis auf die so wirkungsvollen Transfers von Erling Haaland und Emre Can. Flick hob das Duo bei seiner Video-Pressekonferenz ebenfalls hervor, als er über „eine andere Mannschaft“ des BVB sprach.

„Es kommt darauf an, dass wir an uns glauben und keine einfachen Fehler im Ballbesitz machen“, sagte Zorc, der beschwörend verkündete: „Wir können sie schlagen!“ BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erwartet „ein außergewöhnliches, völlig offenes Spiel“, wie er dem „Kicker“ sagte.

Die Bayern freuen sich auf das Kräftemessen von einem großen TV-Publikum rund um die Welt. „Für uns ist es ein schönes Spiel, ein Spiel, das wir uns alle wünschen. Man misst sich mit den Besten“, sagte Flick. Die erfahrenen Titelsammler aus München lieben solche Fußballabende, auch wenn diesmal, so Flick, „die Zuschauer fehlen, ohne Frage“. Die Motivation werde trotzdem am oberen Limit sein.

Als Handicap für den BVB könnte sich erweisen, dass die Gelbe Wand enerut grau bleibt. Doch schon beim 4:0 im Revierderby gegen Schalke gelang der Nachweis, dass im größten Bundesliga-Stadion auch vor leeren Rängen hohe Spielkultur möglich ist. „Emotional ist es sicher anders als sonst - ohne Zuschauer. Es kommt wieder auf die Werte an, die wir schon in den vergangenen beiden Spielen ganz gut auf den Platz bekommen haben“, sagte Zorc. Gut für den BVB ist zudem die Nachricht, dass der angeschlagene Abwehrchef Mats Hummels „zu 99 Prozent“ dabei sein kann, wie Trainer Favre vorab berichtete.

Doch auch die Bayern haben die Corona-Pause ohne sichtbaren Substanzverlust überstanden. Nach zwei Erfolgen bei Union Berlin (2:0) und Eintracht Frankfurt (5:2) steuern sie weiter unbeirrt auf Meisterkurs. In der Abwehr ist Jérôme Boateng wieder „einsatzfähig“, wie Flick mitteilte. Mittelfeldspieler Thiago fällt dagegen erneut aus. Flick könnte übrigens gut damit leben, wenn das erhoffte und von vielen sogar erwartete Spektakel im Signal Iduna Park ausbliebe: „Wenn wir hinten die Null stehen haben, bin ich zufrieden.“

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Erstellt:
25. Mai 2020, 11:18 Uhr

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