Der Masterplan mit Tim Walter

VfB soll sich mit dem Trainer von Holstein Kiel einig sein РAbl̦sesumme ist noch offen

Personal - Bei dem Vorhaben, einen neuen Cheftrainer zu verpflichten, ist der VfB Stuttgart offenbar vorangekommen. Mit dem Namen Tim Walter verknüpfen sich aber noch unbeantwortete Fragen.

Stuttgart Thomas Hitzlsperger ist zuletzt unterwegs gewesen. Der Sportchef des VfB Stuttgart sei deshalb telefonisch nur schwer zu erreichen, verlautete mehrfach aus der Kommandozentrale in der Mercedesstraße. So viel ist mal sicher in diesen aufgeregten Zeiten, in denen der Fußball-Bundesligist gegen den Abstieg kämpft und gleichzeitig einen Trainer für die neue Saison verpflichten will. Alles andere lässt sich am Donnerstag jedoch nur noch mühsam rekonstruieren, denn Hitzlsperger soll zuvor an zwei Orten gleichzeitig gesichtet worden sein.

Einmal saß der VfB-Manager angeblich im Schnellzug TGV nach Paris, mutmaßlich um sich mit dem Trainerkandidaten Zsolt Löw (PSG) zu treffen. Das andere Mal führte die Spur des 37-Jährigen nach Norddeutschland. Dort soll Hitzelsperger mit Tim Walter am Tisch gesessen sein, um weitestgehend Einigung über die künftige Zusammenarbeit zu erzielen.

Vieles deutet nun darauf hin, dass die zweite Variante stimmt. Nach Informationen unserer Redaktion soll Walter der Mann werden, mit dem der VfB den Neustart plant. Allerdings gibt es noch Details zu klären, wie es in der Branche gerne heißt. Zum Beispiel die Ablöse, die Holstein Kiel verlangt. Bei einer Million Euro soll sie liegen, schwappt eine erste Zahl von der Förde an den Neckar herüber.

Ein schönes Sümmchen für einen Fußballlehrer, der es im Profibereich gerade mal auf eine Saison in der zweiten Liga bringt. Doch zum einen verfügt Walter noch über einen Vertrag bis 2020. Und zum anderen weiß der Holstein-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, dass sich sein Coach einer gewissen Nachfrage erfreut. Noch gibt es aber keine offizielle Bestätigung der Personalie. Weder aus Stuttgart noch aus Kiel.

Beim VfB gilt die volle Konzentration dem „extrem schweren Spiel“ an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen den VfL Wolfsburg, wie Nico Willig betont. Der Interimstrainer kennt den potenziellen nächsten Chefcoach nur aus Begegnungen im Jugendbereich – U-17-Partien der Stuttgarter gegen den Karlsruher SC, wo Walter von 2013 bis 2015 tätig war. Danach wechselte er zum FC Bayern in die Nachwuchsabteilung. In München betreute Walter die U 23, ehe es den 43-Jährigen nach Kiel zog. Dort sagt Sportchef Wohlgemuth: „Es hat sich bis dato noch kein Verein bei uns gemeldet. Gerüchte werden nicht wahrer, wenn sie immer wiederholt werden.“

Der Poker dürfte damit eröffnet sein – und der Endbetrag darf dann auch als Schmerzensgeld für einen Club verstanden werden, der nun wohl zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit seinen Trainer verliert. Vor einem Jahr ging Markus Anfang zum 1. FC Köln, nachdem er die Kieler als Aufsteiger bis in die Relegation zur Bundesliga geführt hatte. Schon damals kassierte Holstein eine Entschädigung, die im hohen sechsstelligen Bereich gelegen haben soll. Anschließend zog es Ralf Becker, den Baumeister des Erfolgs, als Sportvorstand zum Hamburger SV. Jetzt steht Walter vor dem Absprung, was den Verdacht nahelegt, dass die Kieler beim Umbau ihres Stadions irgendwo auch ein großes Sprungbrett installiert haben, von dem aus sich die Trainer und besten Spieler gerne nach oben katapultieren.

Walters Ausrichtung ist dabei so klar wie einfach: Mit „Fußball spielen“ hat er seine Spielphilosophie in einem Interview des Magazins „Elf Freunde“ beschrieben. Bei Hitzlsperger trifft er mit dieser Herangehensweise einen Nerv. Der VfB-Manager will nicht nur am liebsten einen offensiven und kreativen Spielstil sehen, sondern diesen in Stuttgart wieder implantieren. Das hat er jenseits des Abstiegskampfes mehrfach verdeutlicht.

Dabei ergibt sich beim VfB einmal mehr die Schwierigkeit, die missliche Gegenwart und die von Fantasie geprägte Zukunft zusammenzubringen. Denn noch wissen die Stuttgarter nicht, in welcher Liga sie nächste Saison antreten: Erster oder zweiter? Und mit welchem Kader? Fragen, die den künftigen Chefcoach brennend interessieren dürften und an deren Antworten Hitzslperger mit dem neuen Sportdirektor Sven Mislintat arbeitet.

Wie viel Umbruch der VfB benötigt, wird das Führungsduo über die anvisierte Relegation hinaus beschäftigen. Wie viel sich von den Vorstellungen letztlich umsetzen lässt, wird die begleitende Herausforderung sein, ehe das heilige Masterplänle fertig ist. Walter gilt jedenfalls als großer Fachmann mit geringer Kompromissbereitschaft, wenn es um seine Spielidee geht. Und diese vertritt er sehr selbstbewusst. Allerdings sind Offensivspektakel in der aktuellen Stuttgarter Besetzung kaum vorstellbar. Zur Mannschaft der nächsten Runde könnte deshalb Jannik Dehm gehören. Noch spielt der Rechtsverteidiger mit Vorwärtsdrang aber in Kiel.

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Erstellt:
10. Mai 2019, 02:04 Uhr

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