Lutz Siebrecht vor dem Endspiel gegen SSV Ulm

„Die Kickers haben Spieler, die ein Finale entscheiden können“

An der Favoritenrolle des SSV Ulm 1846 im WFV-Pokal-Finale gibt es für Lutz Siebrecht keinen Zweifel. Warum der ehemalige Sportliche Leiter beider Clubs dennoch den Stuttgarter Kickers eine Außenseiterchance einräumt, verrät er im Interview.

Lutz Siebrecht (re., neben Präsident Rainer Lorz) beim Besuch des Kickers-Spiels am 14. April gegen den 1. CfR Pforzheim.

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Lutz Siebrecht (re., neben Präsident Rainer Lorz) beim Besuch des Kickers-Spiels am 14. April gegen den 1. CfR Pforzheim.

Von Jürgen Frey

Lutz Siebrecht arbeitete als Sportlicher Leiter bei den Stuttgarter Kickers und beim SSV Ulm 1846. Vor dem WFV-Pokal-Finale an diesem Samstag (16.15 Uhr/Gazi-Stadion) zieht er Vergleiche.

Herr Siebrecht, wie schätzen Sie die Kräfteverhältnisse ein?

Die Ulmer haben zuletzt viermal hintereinander den WFV-Pokal souverän gewonnen, sie haben eine starke Regionalligasaison gespielt und sind nur knapp am Drittligaaufstieg vorbeigeschrammt. Sie haben den besser besetzten Kader und gehen als absoluter Favorit ins Spiel. Aber: Auf den SSV wartet ein richtig harter Brocken. Die Kickers haben durchaus eine Außenseiterchance.

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Warum?

Weil sie in ihrem Wohnzimmer spielen, das ist ein immenser Vorteil. Die Fans werden das Team pushen. Und weil sie eine junge, unbekümmerte Mannschaft haben mit Spielern, die individuelle Klasse besitzen: Mijo Tunjic, Kevin Dicklhuber oder Markus Obernosterer können ein Finale entscheiden.

Die Kickers stecken mitten im Kampf um den Aufstieg. Spielt das eine Rolle?

Für die Ulmer ist das Finale die letzte Aktion der Saison, danach geht’s in den Urlaub. Die Kickers haben noch drei schwere Oberligaspiele vor sich. Aber das hat am Samstag keinerlei Bedeutung. Der Pokal ist ein separater Wettbewerb, der mit der Teilnahme am DFB-Pokal gekrönt werden kann. Dieses großartige finanzielle Zubrot könnten beide Vereine gut gebrauchen (Anm. d. Red.: rund 200 000 Euro plus Ticketing-Einnahmen).

Wem fühlen Sie sich enger verbunden?

Ich fühle mich generell beiden Vereinen sehr verbunden. Mit Ulm verbinde ich die schönen Erlebnisse Aufstieg 2016 und WFV-Pokalsieg 2018. An den Kickers bin ich näher dran, da ich bis Ende Oktober 2021 noch verantwortlich war und diese Mannschaft auch zusammengestellt habe.

Wie sehr ärgert es Sie nun, möglicherweise die Früchte Ihrer Arbeit bei den Kickers nicht ernten zu können?

Meine Entscheidung vergangenen Oktober zu Lok Moskau zu gehen, war zum damaligen Zeitpunkt die richtige. So wie es nun lief, mit dem Ausbruch des Krieges und meiner Vertragsauflösung zum 1. März 2022, ist es für mich nicht so gelaufen wie geplant. Aber ich gönne den handelnden Personen bei den Kickers und den Fans von Herzen den Aufstieg.

Haben Sie Sorgen, dass die Kickers in die Relegation müssen und am 14. Juni mit leeren Händen dastehen?

Diese Sorgen habe ich nicht. Ich bin fest vom Aufstieg überzeugt, weil aus dieser Mannschaft und dem Trainerteam eine echte Einheit entstanden ist, auf und neben dem Platz. Sie wird ihr Ziel erreichen, und ein erfolgreiches Finale wäre ein Zubrot.

Und würde beflügeln?

Jeder Titel ist etwas Außergewöhnliches und bringt Selbstvertrauen. Geht das Endspiel verloren, würden die Titelchancen im Zweikampf mit dem SGV Freiberg aber nicht sinken.

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„Jeder Titel bringt Selbstvertrauen“

Ulm oder Kickers – wer hat mittelfristig die besseren Perspektiven?

Ulm ist sportlich einen Schritt weiter als die Kickers. Was die Infrastruktur betrifft, ist das Ulmer Stadion dagegen nicht profitauglich. Da sind die Kickers besser aufgestellt. Klar ist der SSV der Platzhirsch in der Stadt Ulm, und die Region hat die finanzielle Kraft, doch auch die Wirtschaftsregion in und um Stuttgart verträgt zwei Fußball-Proficlubs, das hat man jahrzehntelang gesehen. Beide Vereine gehören für mich in den Profifußball.

Wann sehen wir Sie wieder im Profifußball?

„Ich bitte um Verständnis, darüber können wir zu gegebener Zeit gerne reden.“

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Erstellt:
18. Mai 2022, 11:18 Uhr
Aktualisiert:
19. Mai 2022, 14:55 Uhr

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