„Ein bisschen Boulevard schadet sicher nicht“

Der DHB-Vorstandsvorsitzende über die Nachhaltigkeit der WM-Erfolge

Interview - Die WM im eigenen Land ist für den Deutschen Handball-Bund (DHB) bislang ein Riesenerfolg – sportlich und vom Imagegewinn her. Nun gilt es, daraus langfristig etwas zu machen. „Wir arbeiten hart“, verspricht der DHB-Vorstandsvorsitzende Mark Schober vor dem Halbfinale an diesem Freitag.

Köln/Hamburg

Frage: Herr Schober, dürfen wir mit einer Geschmacksfrage einsteigen?

Antwort: Bitte schön.

Frage: Wie finden Sie die schrillen Designer-Pullis von DHB-Vizepräsident Bob Hanning?

Antwort: Also für mich wären sie nichts. Aber das muss jeder selbst wissen. Wie sagt mein Fliesenleger immer: Das ist Geschmackssache.

Frage: Er dürfte es bewusst machen, damit der Handball auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Antwort: Ein bisschen Boulevard schadet uns sicher nicht.

Frage: Wie wichtig ist die Zielgruppe, die sonst nichts mit Handball am Hut hat?

Antwort: Jeder ist bei uns herzlich willkommen. Und diese WM ist das erfolgreichste Kommunikationstool, das man sich nur vorstellen kann. Die Hallen sind voll, die Fernsehquoten sind top. Man spricht in Deutschland über Handball.

Frage: Und wenn die deutsche Mannschaft im Halbfinale ausscheidet, ist die Chance auf einen Boom vorbei?

Antwort: Je erfolgreicher man ist, desto interessanter ist man. Aber wir haben bereits jetzt viel erreicht und sind unglaublich stolz darauf. Und den Begriff Boom mag ich übrigens gar nicht.

Frage: Warum?

Antwort: Diese WM und auch die Heim-EM 2024 sind Leuchtturmveranstaltungen. Sie helfen uns bei unserer täglichen Arbeit. Aber wir werden jetzt nächste Woche nicht hektisch anfangen, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, weil wir schon seit vielen Jahren sehr hart und strategisch arbeiten.

Frage: Das heißt, der Effekt einer erfolgreichen WM wird nicht verpuffen wie nach dem Wintermärchen 2007?

Antwort: Auch 2007 gab es einen positiven WM-Effekt, aber das war eine andere Situation. Damals hatte der DHB 20 Mitarbeiter, jetzt 50. Wir sind strukturell und organisatorisch viel besser aufgestellt. Wir haben bereits die Konzepte, um stetig und langfristig zu wachsen.

Frage: Dann müssen Sie den Nachwuchs für sich gewinnen. Basketball wird als hipper, jünger, jugendlicher wahrgenommen.

Antwort: Wir sind nicht so cool wie Basketball. Den Handball zu entwickeln ist auch nicht so einfach, er hat nicht diese Straßenkultur. Ich sehe diese Konkurrenz aber gelassen, da es gut ist, wenn Kinder überhaupt Sport machen. Wir Handballer müssen einfach zeigen, was wir gut können.

Frage: Das wäre?

Antwort: Wir müssen es schaffen, unsere Werte besser zu vermitteln. Das sind Teamfähigkeit, Bodenständigkeit, Ehrlichkeit, Fairness – vor allem auch Nahbarkeit. Unsere Spieler steigen nicht erst in die Eistonne, sie geben sofort nach den Spielen noch Autogramme. Es wird uns doch gerade von allen Seiten bestätigt, dass das ein echter Sport ist, den wir hier betreiben. Ein Sport, bei dem man ungemein viel lernen kann: konditionell, technisch, koordinativ. Köpfchen und soziale Kompetenz sind auch ganz wichtig.

Frage: Das vermitteln Sie einmal den Menschen mit Migrationshintergrund. Sie zeigen dem Handball die kalte Schulter.

Antwort: So sehe ich es nicht. Meine zehn- und zwölfjährigen Söhne spielen beide Handball beim TuS Bommern, und in diesem Verein gibt es auch Handballer, die eine Einwanderungsgeschichte aufweisen, vor allem bei den Mädchen. Aber völlig klar ist, dass wir diese Zielgruppe dringend stärker nutzen müssen zur Mitglieder- und Talentrekrutierung.

Frage: Droht der Handball nicht zu überaltern?

Antwort: In den Hallen haben wir zugegebenermaßen ein etwas älteres Publikum als etwa der Basketball. Aber diese Zielgruppe wird immer größer, und wir dürfen sie nicht vernachlässigen. Es gibt auch Zuschauer, die erst mit 50 Jahren den Zugang zum Handball finden. Dennoch müssen wir stärker an die Jüngeren ran, ja.

Frage: Die laufende WM wirft einen siebenstelligen Gewinn ab. Wie viel Geld fließt davon in den Nachwuchs?

Antwort: Das lässt sich noch nicht genau sagen, aber mit Sicherheit ein großer Teil davon. Ich würde am liebsten Kindergärten, Schulen, Universitäten mit Tausenden von Bällen versorgen (lacht). Und die Digitalisierung des Handballs können wir auch noch weiter verbessern.

Frage: Dann stimmen Sie Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar zu, der fordert, Geld in den E-Sport zu stecken?

Antwort: Mir geht es vor allem darum, dass wir unsere Mitglieder und unser Publikum über die digitalen Kanäle erreichen. Da haben wir noch einiges zu tun.

Frage: Und E-Sport ist kein Thema für den Deutschen Handball-Bund?

Antwort: Das ist ein hoch spannender Markt, der sich rasant entwickelt. Aber wir folgen nicht jeder spannenden Jugendbewegung, deshalb ist es für uns derzeit kein strategisches Thema. Was allerdings nicht ausschließt, dass wir versuchen, Synergien zu nutzen.

Frage: In welcher Form?

Antwort: Indem wir taktische Elemente übernehmen oder Kindern elektronische Spiele anbieten und sie danach dazu bringen, sich im Handballtraining sportlich zu bewegen.

Frage: Kommen wir noch einmal zu Bob Hanning. Er ist als Vizepräsident aber nur bis 2021 gewählt und will danach aufhören. Ist der DHB ohne ihn überhaupt vorstellbar?

Antwort: Der DHB ist ein großer Verband, Bob Hanning spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich vermute, er wird dem Handball in irgendeiner Form erhalten bleiben.

Frage: Vervollständigen Sie bitte den Satz: Wenn Deutschland am Sonntag Weltmeister wird, dann . . .

Antwort: . . . wäre das die Kirsche auf die Torte. Wir würden uns freuen, feiern, und dann würde ganz viel Arbeit auf uns warten.

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Erstellt:
25. Januar 2019, 03:14 Uhr

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