Rafael Nadal

Ein ganz Großer und sein Fußabdruck

Eine 38-jährige Tennis-Legende wird in Paris umjubelt verabschiedet: Rafael Nadal hinterlässt eine fast surreale Bilanz.

Als Publikumsliebling in Paris verabschiedet: Tennis-Ikone Rafael Nadal.

© Dimitar Dilkoff/AFP

Als Publikumsliebling in Paris verabschiedet: Tennis-Ikone Rafael Nadal.

Von Jörg Allmeroth

Das große Ganze hatte er auch in jenem Moment im Blick, als er zum Abschied auf seinem heimischen Tennisgrund stand – fern der Heimat. „Wir hatten große Rivalitäten, wir haben uns erbitterte Kämpfe geliefert“, sagte Rafael Nadal (38) am Sonntagabend auf dem Pariser Centre-Court, „aber wir sind trotzdem Freunde geblieben und haben uns respektiert.“ Er blickte kurz hinüber zu den drei Weggefährten, die sich in dieser denkwürdigen Stunde auf dem Roten Platz von Roland Garros versammelt hatten, zu Roger Federer, zu Novak Djokovic und zu Andy Murray. Und dann fügte er seinen Worten noch dies hinzu: „Ich glaube, das ist eine großartige Botschaft an die Welt.“

Die Szenerie im größten Pariser Grand-Slam-Stadion sah aus wie die Wiedervereinigung einer berühmten, nur leicht gealterten Tennis-Band bei den French Open. Und tatsächlich wurde nicht nur das Ende einer fabelhaften, einzigartigen Karriere gewürdigt, es war auch zeremoniell der Schlusspunkt unter eine vergangene Ära, wie man sie im Tennis vermutlich nie wieder sehen wird. „Es war eine großartige Zeit, in der wir alle unsere Träume leben und erfüllen konnten“, sagte Nadal, der 14-malige French-Open-Gewinner. Wie die „Fabelhaften Vier“ da alle in ihren feinen Anzügen gestanden hätten, erklärte Ex-Nummer-eins-Mann und TV-Experte Mats Wilander, „da ist uns allen wohl erst so richtig bewusst geworden, dass nun etwas Unglaubliches vorbei ist“.

Doch die Hauptrolle auf der sandigen Bühne gebührte dem Akteur, der sich in 20 wildbewegten Pariser Jahren vom erst nur respektierten Seriensieger zum gefeierten, stürmisch umjubelten Publikumsliebling verwandelt hatte. Zwischen dem ersten Sieg am 23. Mai 2005 gegen den Essener Lars Burgsmüller und der Auftaktniederlage gegen Alexander Zverev am 27. Mai 2024 (verletzt angeschlagen) schrieb Nadal eine surreale 112:4-Bilanz in die Rekordbücher, 14 Triumphe beim härtesten Major des Planeten gehörten zu den größten individuellen Leistungen im Spitzensport.

„Maximaler Einsatz, keine Kompromisse“

Dass seine Erben auch nach dem Rückzug nicht ganz an ihm vorbeikommen können, war der Überraschungscoup einer schönen Verabschiedungsparty im Pariser Westen. Denn als Nadal gemeinsam mit Frankreichs Verbandspräsident Gilles Moretton und Turnierchefin Amelie Mauresmo zu einem Terrain rechts neben dem Centre-Court-Netzpfosten schritt, wurde von einem der Platzmeister eine Plakette freigefegt, auf der Nadals Fußabdruck zu sehen war. Und die Zahl 14. Und das Motto: „Spuren bleiben.“ Es war der irgendwie filmreife Moment, der Nadal wie kein anderer zu Tränen rührte. Nach dieser Enthüllung buchstäblich für die Ewigkeit.

Nadals Erinnerungen gingen in einer kurzen Ansprache zurück ins Jahr 2004, in dem er eigentlich sein Debüt auf der größten Sandplatzbühne der Welt hatte feiern sollen. Doch dann verletzte er sich kurz vor den Grand-Slam-Festspielen, reiste nur als Zuschauer in die französische Kapitale. „Ich stellte mich ganz oben auf die Tribüne des Centre-Courts, schaute hinab. Sah den Platz, den ich nur aus dem Fernsehen kannte. Und träumte davon, dort einmal als Sieger stehen zu können.“ Ein Jahr später war er dann da, preschte als Neuling mit Stirnband und Caprihose über die Courts, erinnerte an den einstigen Wimbledon-Himmelsstürmer Boris Becker – und gewann das Turnier. Das Motto, damals wie danach immer: „Maximaler Einsatz, keine Kompromisse.“

Nadal betonte immer, er wäre mit diesem einen Grand-Slam-Sieg ein „zufriedener, glücklicher Mann“ gewesen. Auch am Tag seines Abschieds erinnerte er daran: „Ich hatte erreicht, wofür ich gearbeitet hatte.“ Aber dann habe er festgestellt, „dass ich diese Glücksgefühle wieder erleben möchte, das Gefühl der tiefen Genugtuung nach einem großen Triumph.“ Nadal siegte dann wieder und wieder, aber ein Liebling des eigenwilligen Pariser Publikums war er anfangs nicht. Erst als Nadal verletzlich wirkte, als er nach vier Jahren Dominanz 2009 erstmals überhaupt verlor, im Achtelfinale gegen den Schweden Robin Söderling, wandelte sich das Bild. „Plötzlich war alles anders. Ich wurde gefeiert. Ich kann kaum beschreiben, wie groß mein Stolz und meine Freude waren, so geschätzt und geliebt zu werden. An dem Ort, der für mich das Größte war.“ Nun werde sein Herz immer „mit euch und diesem Ort“ verbunden sein, rief Nadal den 16 000 Fans zu.

Zukunft schon längst geplant

Die letzten Jahre waren auch in Paris schmerzvoll für Nadal, der 2022 beim 14. und letzten Pokalerfolg noch einmal den geschundenen Körper besiegen konnte. Vor einem Jahr, nur noch die Nummer 275 der Charts, verlor er das Erstrundenspiel gegen Zverev. Im Herbst folgte der Rücktritt.

Seine Zukunft hat Nadal längst geplant. Neben der Tennis-Akademie daheim in Mallorca hat er ein internationales Netz von Ausbildungsstätten etabliert, unter anderem in Kuwait, Mexiko und in Hongkong. Bald soll eine Akademie in den USA folgen.

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Erstellt:
26. Mai 2025, 13:44 Uhr
Aktualisiert:
26. Mai 2025, 14:00 Uhr

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