Ein zahnloser Tiger namens VfB Stuttgart

Die Offensive zählt zu den größten Enttäuschungen dieser Saison

VfB - Weil die Angriffsriege zu harmlos besetzt ist, stellen sich viele Fans die Frage: Wie will der Club noch ein Spiel gewinnen? 27 Tore hat der VfB in dieser Saison erst erzielt – und auch im Heimspiel gegen Leverkusen erwartet niemand vom VfB ein Torfestival.

Stuttgart Die Frage, wie spielstark der VfB Stuttgart in seiner Version 18/19 tatsächlich ist, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit beantworten. Die Spannbreite der Meinungen reichte in dieser Saison von „Der VfB ist wieder wer“ – das war zum Rundenstart – bis hin zum zuletzt häufig geäußerten Urteil, die Stuttgarter würden inzwischen nicht nur beim kümmerlichen 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg im Stile eines Absteigers agieren.

Spätestens seit dem Remis gegen den Vorletzten aus Franken, als der VfB durch einen Blitzreflex seines Torhüter Ron-Robert Zieler kurz vor Abpfiff dem Knock-out entging, hat sich die Diskussion über die wahre Spielstärke von Mario Gomez, Santiago Ascacibar und Co. allerdings um einen weiteren, besorgniserregenden Aspekt erweitert: Wie bitte schön, lautete nach dem Abpfiff gegen den FCN die meistgestellte Frage, soll der VfB in dieser Verfassung überhaupt noch ein Spiel gewinnen?

Sechs Partien stehen in der regulären Bundesliga-Saison noch aus – den Anfang macht für den VfB dabei die Heimpartie am Samstag (15.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen. Um gegen die Rheinländer oder danach in den Duellen mit Augsburg, Gladbach, Berlin, Wolfsburg oder Schalke wenigstens punktuell zu siegen, das steht fest, muss der VfB Tore schießen. Und damit hat die Elf von Trainer Markus Weinzierl („Wir haben gegen Nürnberg offensivst aufgestellt und sehr offensiv gewechselt“) in dieser Saison, das ist inzwischen klar, ganz heftige Probleme.

Auf 27 Treffer kommt das Team in Summe – das macht nach 28 Spieltagen 0,96 Tore pro Partie. Ein ganz ernüchternder Wert ist dies, auch angesichts der Tatsache, dass der Verein Mario Gomez (169 Bundesliga-Tore), den elftbesten Torjäger, in der Geschichte der Liga beschäftigt. Aber der formschwache Gomez, der in der Schlussphase die Riesenchance gegen FCN-Keeper Christian Mathenia ausließ, ist gewiss nicht allein schuld. „Natürlich sind das zwei verlorene Punkte“, resümierte Torwart Zieler dennoch.

Immerhin hatte Markus Weinzierl gegen Nürnberg all seine offensiven Waffen auf den Rasen geworfen – und hat dennoch in den vergangenen 13 Spielen nur einmal gewonnen. „Das tut extrem weh, geht an die Substanz“, sagt Weinzierl. Abgesehen von Chadrac Akolo und Erik Thommy, die inzwischen keine beziehungsweise eine Nebenrolle spielen, war aus der Abteilung Sturm und Drang alles im Einsatz. Dass am Ende mit Ozan Kabak aber ein Abwehrspieler das 1:1 erzielte – mit drei Saisontreffern ist der Türke inzwischen der drittbeste Torschütze beim VfB – verrät einiges über den Zustand der Offensivabteilung.

Trainer Weinzierl hätte sich in der Winterpause einen neuen Stoßstürmer gewünscht – doch der Ex-Manager Michael Reschke, der etwa bei Angreifer Dominic Solanke (wechselte vom FC Liverpool zum AFC Bournemouth) abgeblitzt war, konnte ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Also bildeten gegen Nürnberg neben Gomez zunächst der zweite Stürmer Anastasios Donis sowie die beiden Winter-Neuzugänge Alexander Esswein und Steven Zuber die VfB-Offensive. Zusammen kommen die letzten drei in ihren Karrieren auf 31 Bundesliga-Tore – und zählten wie Gomez, der Sechser Santiago Ascacibar und der Linksverteidiger Emiliano Insua gegen Nürnberg zu den größten Enttäuschungen.

Donis kam mit seinen Sprintversuchen nicht an den Gegenspielern vorbei – und war spätestens nach zwei Dritteln des Spiels platt. Esswein fand auf dem linken Flügel überhaupt keine Bindung zum Spiel. Auch in Sachen Biss und Dynamik blieb der Ex-Berliner, der sonst von seiner Aggressivität lebt, deutlich unter dem Niveau – und musste zur Halbzeit raus. Derweil kam Steven Zuber mit seiner Rolle im zentralen Mittelfeld gar nicht zurecht.

Aber auch die zweite VfB-Angriffsgarde war eine echte Enttäuschung: Nicolas Gonzalez schwebte nach seiner Einwechslung quasi im luftleeren Raum – und besaß die Durchschlagskraft eines Gummihämmerchens; Daniel Didavi hingegen, dem besten Fußballer im Kader, waren seine Defizite in Sachen Fitness deutlich anzumerken.

Doch andere Stürmer besitzt der VfB nicht. Um aus dem vorhandenen Reservoir das Beste herauszuholen, ist Markus Weinzierl nun näher an seine Spieler herangerückt. Also verließ der Chefcoach beim Training am Dienstag seine Beobachterrolle – und legte der Gruppe mit Donis, Gomez und Esswein die Bälle beim Schusstraining persönlich auf. Ob es etwas genutzt hat, wird sich am Samstag gegen Leverkusen zeigen. Ein Torfestival, das ist klar, wird seitens des VfB nicht erwartet.

Zum Artikel

Erstellt:
10. April 2019, 03:14 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen