Eine Empfehlung, der nicht alle folgen

Die einen hören auf den WFV und wahren den Mindestabstand, die anderen entscheiden sich für die gewohnte Variante. Manche posieren mit Mund-Nasen-Schutz, wieder andere basteln ihr Exemplar am Computer. Die Mannschaftsfotos in Zeiten der Coronakrise.

Mannschaftsfotos in Coronazeiten: Fußball-Oberligist Stuttgarter Kickers hat sich für die Variante mit Mund-Nasen-Schutz, dafür aber ohne Mindestabstand entschieden. Foto: Baumann

© Pressefoto Baumann

Mannschaftsfotos in Coronazeiten: Fußball-Oberligist Stuttgarter Kickers hat sich für die Variante mit Mund-Nasen-Schutz, dafür aber ohne Mindestabstand entschieden. Foto: Baumann

Von Steffen Grün

Ein paar Bierbänke im Stadion, auf dem Dorfsportplatz oder vor dem Vereinsheim platzieren. Die Kicker, den Trainer- und Betreuerstab sowie die wichtigsten Funktionäre antanzen und in drei, vier Reihen auf diesen wackligen Holzteilen aufstellen lassen. Bitte lächeln, die vorab informierten Fotografen drücken auf den Auslöser – und fertig ist das aktuelle Mannschaftsfoto. So simpel war es in all den Jahren vor der Coronakrise. Nur die richtig Kreativen dachten noch über den passenden Hintergrund wie vielleicht eine örtliche Sehenswürdigkeit nach oder sie verfrachteten die Truppe auf den Bauernhof, in den nächstbesten Acker oder in den Steinbruch, um Jahr für Jahr frische Akzente zu setzen.

2020 stellt sich vorrangig eine völlig andere Frage: Darf überhaupt ein herkömmliches Foto gemacht werden oder ist zwingend der derzeit in vielen Bereichen obligatorische 1,50-Meter-Mindestabstand zu beachten? Klubvertreter, die sich eine klare Ansage seitens des Württembergischen Fußballverbandes erhofft hatten, warteten vergeblich. Vom WFV gibt’s lediglich eine „Empfehlung“, die sich wiederum an der Coronaverordnung Sport des Landes Baden-Württemberg orientiert – und die besagt, dass auf den Mindestabstand in den „für das Training oder die Übungseinheit üblichen Sport-, Spiel- oder Übungssituationen“ verzichtet werden kann. Dagegen gelte für alles, was nicht unmittelbar dem Sportgeschehen zuzuordnen ist, weiterhin das Distanzgebot. „Dazu gehört unserem Ermessen nach auch das Mannschaftsfoto“, schlussfolgern die Verbandsoberen in Stuttgart im Rahmen der FAQ (häufig gestellte Fragen) zum WFV-Hygienekonzept und verweisen ihrerseits auf die FAQ des Landes Baden-Württemberg. Dort heißt es dann: „Gruppenbilder sind grundsätzlich möglich. Aber auch hier sollte daran gedacht werden, den Personen die Einhaltung des Mindestabstands zu anderen Personen, die nicht zu ihrem direkten Bezugskreis gehören, zu ermöglichen.“

Mal abgesehen davon, dass sich letzterer Passus nicht im Sportbereich, sondern bei den „Fragen und Antworten zu Feiern und privaten Veranstaltungen“ findet, ist die spitzfindige Überlegung naheliegend, wer Bestandteil des direkten Bezugskreises ist und damit untereinander keinen Abstand halten muss. Für die Landesregierung sind das „Personen, die sowieso in engem persönlichen Kontakt stehen, wie Paare oder Bewohner des gleichen Haushaltes“. Vielleicht aber auch Fußballer, die sich vor allem in der Vorbereitung beinahe tagtäglich treffen und vielleicht mehr Zeit miteinander verbringen als mit der Frau oder mit der Freundin? Und die darüber hinaus bereits seit dem 1. Juli wieder in 20-köpfigen Gruppen trainieren dürfen, dabei in Zweikämpfen am Boden oder in der Luft zusammenrasseln und es in den Test- und Punktspielen auch noch mit den Akteuren anderer Vereine zu tun haben?

Er sehe „keinen großen Sinn darin“, so Günter Schäffler, der Sportvorstand des SV Allmersbach, dass diese Spieler „dann nicht auch für ein gemeinsames Foto posieren dürfen. Ich halte das für ein wenig übertrieben“. Trotzdem trafen er und seine Mitstreiter die Entscheidung, das Landesliga-Team beim offiziellen Fototermin mit dem geforderten Mindestabstand aufzustellen, weil „eine gewisse Unsicherheit“ bestehe, ob eine normale Aufnahme nun erlaubt oder verboten ist. Was die Fotos aller SVA-Mannschaften für das Jahresheft des Vereins betrifft, spielen die Verantwortlichen noch etwas auf Zeit.

„Wir halten uns an die Empfehlung des WFV“, betont Marc Erdmann, der Sportliche Leiter des Fußball-Oberligisten TSG Backnang. Die Spieler, der Trainer- und Betreuerstab sowie die Funktionäre verteilten sich fürs Foto auf der Tribüne des Etzwiesenstadions, um sich nicht zu nah zu kommen. „Es ist eben eine Ausnahmesituation“, erklärt Erdmann und fügt hinzu: „Ich hoffe, es ist eine einmalige Ausnahmesituation.“ Komplett nachvollziehen könne er den Rat des WFV jedoch nicht, räumt der Macher der Roten ein und denkt daran, wie eng der Kontakt der eigenen Akteure untereinander beim Training und mit den Kickern der anderen Klubs bei den Spielen ist.

Das Rechts- und Ordnungsamt sieht „eine gewisse Vorbildfunktion“.

Das ist bei der SG Sonnenhof Großaspach grundsätzlich dasselbe, aber auch im Fautenhau wird die WFV-Empfehlung befolgt. „Wir machen kein normales Mannschaftsfoto“, kündigt Pressesprecher Lucca Volkmer an und verrät das Ergebnis der Suche nach Alternativen: „Stattdessen gibt es Einzelporträts von jedem Spieler, aus denen wir dann ein Teamfoto anfertigen.“ Andere Vereine, auch aus der Bundesliga, hätten es ebenso gehandhabt. Zu erkennen ist die Montage des Regionalligisten, denn es würde ja keinen Sinn machen, es so zu basteln, dass die Öffentlichkeit am Ende doch denkt, die Abstände wären nicht eingehalten worden.

Ungeachtet dessen, dass man über die Ansteckungsgefahr beim kurzen Fototermin trefflich streiten könnte, schreibt Gisela Blumer den Fußballern „eine gewisse Vorbildfunktion“ zu. In den Augen der Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes der Stadt Backnang erhöht es die Bereitschaft der Bürger, sich im Alltag an die Abstandsregeln zu halten, wenn die Vereine bei ihren Mannschaftsfotos mit gutem Beispiel vorangehen. Umgekehrt könnte die Akzeptanz weiter sinken, würden die Aufnahmen eine Normalität andeuten, die es eben längst noch nicht wieder gibt. Und das wäre in einer Phase, in der das Infektionsgeschehen ohnehin wieder zunimmt, kontraproduktiv, gibt Blumer zu bedenken. Außerdem verweist sie darauf, dass es nicht die Coronaverordnung der Stadt ist, sondern die von Baden-Württemberg: „Das Land gibt uns die Interpretationen und Auslegungshinweise vor. Ich halte sie für nachvollziehbar.“ Um auf lokale Entwicklungen reagieren zu können, gelte vor Ort der Grundsatz, „Wir dürfen verschärfen, aber nicht lockern.“

Von der Stadt ist also nicht zu erwarten, dass sie den Vereinen einen Freibrief ausstellt, normale Mannschaftsfotos machen zu dürfen. Vom WFV auch nicht. Trotzdem gibt es Ligarivalen der SG Sonnenhof Großaspach, der TSG Backnang oder des SV Allmersbach, die sowohl auf Masken als auch auf Abstand verzichten. Andere wiederum tragen Masken oder halten Abstand. Der Interpretationsspielraum in der Verordnung macht es möglich.

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Erstellt:
19. August 2020, 16:00 Uhr

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