Eine Traditionssportart geht neue Wege

Der KKSV Zell feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag und ist damit längst noch nicht der älteste Schützenverein, auch nicht in der Region. Um die Anziehungskraft in Zukunft zu erhalten, zeigen sich die Verantwortlichen aufgeschlossen für neue Disziplinen wie dem Blasrohrschießen.

Die Pfeile stecken in der Zielscheibe, die Ergebnisse werden penibel notiert. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Pfeile stecken in der Zielscheibe, die Ergebnisse werden penibel notiert. Foto: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

In diesem Moment ist hohe Konzentration gefragt. Die Teilnehmer an der Kreismeisterschaft, die in der Stadthalle in Murrhardt gerade an der Reihe sind, bringen ihr Blasrohr in Position. Sie nehmen die sieben Meter entfernten Zielscheiben ins Visier und warten aufs Startsignal. Als das ertönt, pusten sie einmal energisch ins Mundstück aus Plastik und schon saust der Pfeil mit rasanter Geschwindigkeit durch die Luft. Bleibt er im Zentrum stecken, ist es perfekt, das bedeutet das Maximum von zehn Ringen. Die Freude muss aber warten, denn es gilt, eine Serie von sechs Schuss in drei Minuten abzufeuern – erst danach wird abgerechnet.

Knapp 30 Mädchen, Jungen, Frauen und Männer „im Alter von sieben bis 78 Jahren“, so Kreisoberschützenmeister Bernd Fried, haben sich zu den Titelkämpfen eingefunden. Das unterstreicht die Behauptung des Deutschen Schützenbunds (DSB), dass es „ein Sport für die ganze Familie ist. Sobald man eine Kerze auspusten kann, hat man schon alle Grundvoraussetzungen erfüllt.“ Blasrohrschießen mache Spaß, fördere die Konzentration, das Lungenvolumen, die Präzision und die innere Ruhe. Dass sich diese Disziplin stetig wachsender Beliebtheit erfreut und der DSB mit ihr große Hoffnungen verbindet, ist deshalb kein Wunder.

Sie ist ein Baustein für die Zukunft der Schützenvereine, die hierzulande eine lange Tradition haben. Seit dem Mittelalter ist die Existenz von Schützengilden in einigen Städten belegt, viele davon bestanden bis weit in die Neuzeit. Über die Jahrhunderte wandelte sich das Brauchtum zum Sport, bei dem auf Zielscheiben geschossen wurde. Was vielleicht so manchen erstaunen mag: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als demokratische Bestrebungen aufkamen, zählten die Schützenvereine zu den wesentlichen Trägern der demokratischen Opposition gegenüber den deutschen Fürsten. 2015 wurde das Schützenwesen zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands erhoben.

Ein Vorteil des Blasrohrschießens sind die geringen Kosten für die Ausstattung

Dennoch fristen die organisierten Schützen eher ein Schattendasein. Für die Vereine stellt sich die deshalb Frage, ob und wie sie für künftige Herausforderungen gerüstet sind. „Die meisten wissen nicht, dass wir so vielfältig aufgestellt sind“, sagt Kreisoberschützenmeister Bernd Fried vom Schützenkreis Backnang, der sich von Affalterbach bis Sulzbach am Kocher erstreckt. „Es geht bei uns nicht nur um Schusswaffen.“ Etwa ein Drittel der organisierten Schützen betreibt Bogenschießen. Hinzu kommt inzwischen das Blasrohrschießen, zu dessen Vorteilen es zählt, dass die Investitionen überschaubar sind. Eine Grundausstattung mit Blasrohr, Pfeilen, Reinigungsset und passenden Zielscheiben kostet um die 40 Euro.

Der KKSV Zell, der sein 100-Jahr-Jubiläum feiert, kann sich durchaus vorstellen, die neue Disziplin ins Programm aufzunehmen. Das hänge jedoch auch vom Interesse der Mitglieder ab, so Oberschützenmeister Michael Kiefer. Seit sechs Jahren bietet der Verein das Bogenschießen an, unter anderem als Teil des Sommerferienprogramms von Backnang und Oppenweiler. Auf reges Interesse stößt auch der Schnupperkurs ab acht Jahren im Rahmen von Geburtstagsfeiern. Wer mal reingeschnuppert hat, kommt des Öfteren mal wieder vorbei. Auch Bernd Fried weiß vom großen Anklang, den der Bogenschießtag bei seinem Heimatverein in Allmersbach im Weinberg in den Sommerferien findet. Besonders begeistert sind die Kinder und Jugendlichen davon, ihren eigenen Pfeil zu bauen. Zum gemeinsamen Abschluss sind zudem die Eltern eingeladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Gerade diese Ferienangebote seien eine tolle Gelegenheit, um zu zeigen, „dass wir keine wilden Waffennarren sind“, betont Michael Kiefer. „Man sieht, dass es geregelt zugeht.“

Bogenschießen wird auch in der Rehaarbeit eingesetzt

Ins Mundstück pusten, schon saust der Pfeil durch die Luft: Das Blasrohrschießen erfreut sich wachsender Beliebtheit. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ins Mundstück pusten, schon saust der Pfeil durch die Luft: Das Blasrohrschießen erfreut sich wachsender Beliebtheit. Foto: Alexander Becher

Schießen erfordert und fördert vor allem die Konzentration, Feinmotorik und Koordination. Wichtige Eigenschaften, die auch im Beruf, in der Schule und im Alltag benötigt werden. Um sie zu trainieren, wird das Bogenschießen beispielsweise in der Rehaarbeit mit Jugendlichen eingesetzt. Zu Beginn jeder Schießübungen steht erst einmal die richtige Atemtechnik, um zu lernen, sich nur auf eines zu fokussieren. Wer das schon einmal versucht hat, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, alle anderen Gedanken auszuschließen. Für Bernd Fried ist die Zeit am Schießstand deshalb auch optimal, um sich zu entspannen und vom Alltag loszulösen.

Nicht zu vernachlässigen ist die Pflege der Schießstände, alle vier Jahre werden die Einrichtungen überprüft. Lüftungsanlagen, Kugelfang und die Entsorgung der Munition sind stets auf dem neuesten Stand zu halten. Nicht zu vergessen sind die Sicherheitsmaßnahmen wie Feuerlöscher, Erste-Hilfe- Ausrüstung und feuerresistente Wandbehänge, die Querschläger vermeiden.

Der Schießsport ist vielseitig und gesetzlich genau reguliert

Vielfältigkeit In den Schützenvereinen werden viele Disziplinen angeboten: Blasrohr- und Bogenschießen, Lichtgewehr (eine Laserwaffe, die bereits für Kinder unter zwölf Jahren geeignet ist), Luftgewehr und Luftpistole (ab zwölf Jahren) sowie Schusswaffen verschiedenster Art, darunter beispielsweise auch der Umgang mit historischen Waffen wie etwa Vorderladerwaffen.

Regulierung Waffenbesitzkarte, Waffenschein, waffenrechtliches Bedürfnis – nicht jeder darf ohne Weiteres einfach schießen. So ist der Erwerb eines „waffenrechtlichen Bedürfnisses“ nur unter gewissen und streng geregelten Voraussetzungen möglich. Die Waffen müssen auf einer Waffenbesitzkarte eingetragen werden, die Waffen und die Munition sind strikt getrennt voneinander aufzubewahren. Das Führen von geladenen Waffen außerhalb einer Schießsportanlage ist für Besitzer einer Waffenbesitzkarte nicht zulässig. Zudem wird jede Waffe mehrfach mit einer eindeutig zuzuordnenden ID gekennzeichnet, damit es nicht möglich ist, illegale Veränderungen an ihr vorzunehmen. Regelmäßig stehen Überprüfungen durch die Experten der Waffenbehörde auf der Tagesordnung. Anders als die Waffenbesitzkarte berechtigt ein Waffenschein zum Führen einer geladenen Waffe auch außerhalb von Schießsportanlagen. Dieses Schriftstück wird allerdings nur an berechtigte und eng eingegrenzte Personengruppen ausgegeben, beispielsweise also an Polizisten oder an Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten.

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Erstellt:
20. März 2024, 06:00 Uhr

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