Natur-Training und Ungewissheit: Wintersportler im Sommer

dpa Siegsdorf. Die Winter-Vorbereitung läuft für die Skispringer nicht wie in normalen Zeiten. Für Markus Eisenbichler ist das kein Grund zu jammern - im Gegenteil. Andere Wintersportler stellt die Krise vor größere Herausforderungen.

Hofft auf eine Vierschanzentournee mit Zuschauern: Markus Eisenbichler. Foto: Daniel Karmann/dpa

Hofft auf eine Vierschanzentournee mit Zuschauern: Markus Eisenbichler. Foto: Daniel Karmann/dpa

Sein abwechslungsreiches Trainingslager in Corona-Zeiten hatte Markus Eisenbichler direkt vor der Haustür. Die Alpen in unmittelbarer Nähe, Platz auf dem heimischen Hof und schönes Wetter: So ließ sich die ungewöhnliche Saisonvorbereitung für den Skispringer aushalten.

„Ich konnte Rad fahren und bald schon wieder durfte man auch auf die Berge gehen und klettern“, berichtet Eisenbichler von den ersten Monaten der Coronakrise und klingt dabei keinesfalls wie jemand, der mit den Abstandsregeln und zunächst ausgefallenen Lehrgängen große Probleme gehabt hätte. „So konnte ich meinen Körper fit machen für den kommenden Winter.“

Mittlerweile springen Eisenbichler und seine Kollegen wieder von den Schanzen und feilen an ihrer Form für den Highlight-Winter mit Skiflug-WM, Vierschanzentournee und Heim-WM in Oberstdorf. Weit reisen müssen die Adler des Deutschen Skiverbandes dafür nicht - anders als die Alpinen, die dies normalerweise tun würden.

Trainingslager in der südlichen Hemisphäre, etwa in Chile oder Neuseeland, sind aktuell wegen der Coronavirus-Pandemie nicht möglich. „Das fällt alles flach“, sagt Abfahrer Josef Ferstl. „Das ist super-schade. Aber jetzt sind wir Sportler eben noch mehr gefordert. Jeder muss sich auf seine vier Buchstaben setzen und sich selbst motivieren.“

Das gilt auch für Eisenbichler, der mit der Motivation nach eigenen Angaben keine Probleme hat. „Das Feuer ist noch da wie eh und je“, sagt er. Die Zeit in der oberbayerischen Heimat hat er nicht nur zur Verbesserung der körperlichen Fitness genutzt - sie tat ihm auch abseits des Sports gut. „Drei Monate am Stück zu Hause war ich vorher in meiner sportlichen Karriere noch nie“, erklärt er. „Das war sehr angenehm, mal ein bisschen Zeit mit meiner Freundin, meiner Familie und, als das wieder möglich war, auch mit meinen Freunden zu verbringen.“

Abschalten und das Training richtig dosieren: Das scheint dem Dreifach-Weltmeister in diesem Jahr besser zu gelingen, als im vergangenen Sommer. Die richtige Balance aus Training und Entspannung ist für „Eisei“ ein zentraler Erfolgsfaktor.

„Ich wollte letztes Jahr schauen, wie weit ich mich noch verbessern kann, habe viel trainiert“, sagt der 29-Jährige. „Irgendwann war es dann aber kein lockeres, entspanntes Training mehr, sondern eher ein Kampf. Man will unbedingt und dann verkopft man eher. Ich habe letztes Jahr gemerkt, dass das nicht funktioniert.“ Eisenbichler kam nur schwer in Form und belegte in der Saison nach seinem Traum-Winter mit drei Goldmedaillen bei der WM in Seefeld im Gesamtweltcup nur Rang 23.

Frisch im Kopf und austrainiert will der Siegsdorfer 2020/21 wieder an seine alten Leistungen anknüpfen. „Es ist schon ein sehr besonderes Jahr mit der Skiflug-WM, die ein großes Ziel von mir ist, und der Heim-WM“, sagt er. Dass wegen Corona Wettkämpfe ausfallen oder ohne Zuschauer stattfinden könnten, darüber versucht er möglichst wenig nachzudenken. Auch andere Wintersportler gehen mit der Unsicherheit im Hinblick auf den kommenden Winter relativ gelassen um.

„Ich bereite mich so vor, als würde ein ganz normaler Winter bevorstehen“, sagt Biathlet Arnd Peiffer. „Ich rechne fest damit, dass sich für uns nicht allzu viel ändert.“ Man müsse sich auf alles einstellen, meint Ferstl. „Es gibt verschiedene Pläne, etwa Geisterrennen, Quarantäne-Rennen oder weniger Rennen.“ Was konkret auf ihn und seine Teamkollegen zukommt, weiß er aber auch noch nicht.

Der Umgang mit der Unsicherheit ist zum einen bemerkenswert, zum anderen bleibt den Athleten aber auch nicht viel anderes übrig, als wie Eisenbichler das Beste aus der Situation zu machen und sich möglichst normal vorzubereiten. Alpin-Direktor Wolfgang Maier bringt es auf den Punkt. „Wir stellen uns auf jeden Fall auf einen Winter mit Rennen ein“, sagt er. „Von dieser Vorstellung rücken wir nicht ab. Sonst bräuchten wir ja gar nicht trainieren.“

© dpa-infocom, dpa:200714-99-791533/5

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Erstellt:
15. Juli 2020, 06:02 Uhr

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