EM-Gold mit neuem Weltrekord geholt

Kunstradfahrerin Viola Brand liefert bei den Titelkämpfen in Wiesbaden eine Traumkür ab und gewinnt vor Adriana Mathis

Sie wolle ihr Können während der fünfminütigen Kür bei der Europameisterschaft im Hallenradsport in Wiesbaden „abrufen und dann schauen, was dabei herauskommt“. So hatte es Viola Brand vor den Titelkämpfen in Wiesbaden ganz pragmatisch angekündigt, und dieses Konzept ging voll auf. Die Kunstradfahrerin des RSV Unterweissach holte die Goldmedaille und stellte mit 186,58 Punkten einen neuen Weltrekord auf.

Behielt stets die Balance und kassierte so viele Punkte wie nie zuvor: Viola Brand.Foto: W. Schwarz

Behielt stets die Balance und kassierte so viele Punkte wie nie zuvor: Viola Brand.Foto: W. Schwarz

Von Wilfried Schwarz

Für Brand bedeutete diese EM, die es im Kunstradfahren zum ersten Mal gab, eine spezielle Herausforderung. Anders als in der Vergangenheit musste sie schon gegen Ende der ersten Jahreshälfte topfit sein, um in den Kampf um die Medaillen eingreifen zu können. Beim ersten Training am Donnerstag hatte sie wie alle anderen Sportler noch Probleme mit der rutschigen, roten Flächenmarkierung, doch „derVeranstalter hat das Problem in der Nacht auf Freitag gelöst, in dem er neue Markierungen anbrachte. Hessens Radsportvereine haben alle ihre Reserven ausgegraben“, lobte Trainerin und Mutter Heike Brand.

Deren Tochter zählte zu dem am stärksten eingeschätzten Quartett, das den Wettkampf abschließen sollte. Bevor es so weit war, lag die Messlatte bei 155,39 Punkten und wurde von Nathalie Walter (Schweiz) gehalten. Denise Boller (Österreich) reihte sich mit 151,41 Zählern dahinter ein, ihre Landsfrau Adriana Mathis übernahm mit 170,03 Punkten die Führung. Während das passierte, bereitete sich Viola Brand schon mit dem üblichen Ritual auf ihre Kür vor. Strecken, Dehnen, die Muskeln erwärmen, nochmals auf den Holzklötzen den Handstand hochdrücken – und dann: Augen zu und alles um sie herum ausblenden.

Als die grüne Lampe signalisierte, dass der Start frei ist, betrat die für Unterweissach startende Miedelsbacherin die Bühne und hielt kurz inne, um sich nochmals zu konzentrieren. „Der Bundestrainer holte dann noch zwei schwarze Flusen von der Fläche. Das hat mich im ersten Moment etwas verunsichert, doch nach dem Startruf hatte ich das alles vergessen“, erinnerte sie sich später. Für den Lenkerhandstand gab es sofort Szenenapplaus. Eine winzige Unsicherheit zu Beginn des Sattelstands war nur mit geschultem Auge zu sehen. Brand erweiterte die Lenkerstanddrehung von zwei- auf vierfach und heimste dafür Zusatzpunkte ein. Auch den Sattellenkerhandstand quittierte das fachkundige Publikum mit Beifall. Die komplette Rückwärtsserie mit diversen Steigerübungen, dem Sattellenkerstand und der Seitvorhebehalte meisterte die Vize-Weltmeisterin perfekt. „Nur beim Übergang vom Kehrlenkersitz- zum Standsteiger handelte sie sich einen Prozentabzug ein, der sie mindestens 2,5 Punkte kostete“, erklärt Heike Brand: „Aber ansonsten war es eine tadellose Kür. Ich wusste, dass sie es kann.“

Als sie die Kür mit dem Kehrstandsteiger beendet hatte, huschte ein verschmitztes Lächeln über das Gesicht der Sportlerin. Erleichtert stieg sie vom Rad und ihr Blick richtete sich auf die Anzeigetafel – 186,58 Punkte, sollte das etwa ein Weltrekord sein? „Ich wusste nicht, ob der bisherige bei 0,57 oder 0,58 hinter dem Komma war“, verrät Viola Brand, warum sie sich nicht sofort sicher war, sondern erst, als der Weltrekord bei der Siegerehrung offiziell bestätigt wurde: „Ich habe mich einfach nur über die tolle Kür gefreut.“

Iris Schwarzhaupt patzt

und wird sogar nur Vierte

Was die Punktzahl wert war, wusste sie noch nicht. Silber war sicher, aber Teamkollegin Iris Schwarzhaupt hätte ihr Gold wegschnappen können – zumal die Stuttgarterin mit 192,7 Zählern den höchsten Schwierigkeitsgrad eingereicht hatte. Sie patzte aber zweimal, zudem fehlte am Ende die Zeit. Mit 154,08 Zählern verfehlte sie als Vierte sogar das Podest. „Es tut mir schon etwas leid für Iris“, dachte Brand im Moment des Triumphes an ihre Teamkollegin: „Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man Vierte oder Fünfte wird. Das habe ich alles auch schon durchgemacht. In erster Linie freue ich mich aber für mich.“

Bei der Siegerehrung gab es Bronze für Walter und Silber für Mathis, ehe sich die RSV-Sportlerin das blaue Sternenbannertrikot überstreifen konnte. Zudem bekam sie Gold und den Siegerstrauß, ehe es auf den Schultern ihres Klubkameraden Nick Lange auf die Ehrenrunde ging. Erst geraume Zeit nach der Kür war Zeit, um mit den etwa 40 mitgereisten Fans mit einem Sekt auf den EM-Titelgewinn anzustoßen.

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Erstellt:
4. Juni 2018, 06:00 Uhr

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