Es gibt Ängste, aber auch viel Zuversicht

Die Sportvereine in der Region stellen sich den Herausforderungen durch die Coronakrise. Sie bemühen sich, ihre Mitglieder und Ehrenamtlichen bei der Stange zu halten, haben zumindest zum Teil aber die Sorge, dass im Nachwuchsbereich der Zulauf stockt.

Die Trauzenbachhalle ist seit Wochen meistens leer. Norgat Trefz, stellvertretende Vorsitzende des TV Murrhardt, fehlt der persönliche Kontakt zu Sportlern, Trainern und Mitgliedern. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Trauzenbachhalle ist seit Wochen meistens leer. Norgat Trefz, stellvertretende Vorsitzende des TV Murrhardt, fehlt der persönliche Kontakt zu Sportlern, Trainern und Mitgliedern. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

„Der persönliche Kontakt fehlt“, bedauert Norgat Trefz. Daher greift die stellvertretende Vorsitzende des TV Murrhardt in der letzten Zeit immer wieder zum Telefonhörer, „damit man wenigstens mal wieder eine Stimme hört. Das finde ich gerade im Moment sehr, sehr wichtig.“ Online-Kurse und Online-Training gibt’s in einigen Abteilungen. Es funktioniert aber nicht in allen Bereichen, etwa bei der Behindertensportgruppe oder bei Angeboten für Ältere. Mit Übungsleitern und Trainern wird der Kontakt regelmäßig gepflegt. Die Mitglieder bei der Stange zu halten, ist nicht einfach, der Verein habe heutzutage nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher.

Trefz äußert auch die Befürchtung, dass jüngere Kinder langfristig nicht mehr für den Sport zu begeistern sind und sie sich noch stärker auf die vielfältigen Möglichkeiten mit den elektronischen Endgeräten konzentrieren. Dasselbe gelte für Jugendliche und junge Erwachsene. Das sei sehr bitter, weil die Stadt Murrhardt die Freiluftplätze auf unbürokratische Weise zur Verfügung gestellt und es sehr gute Konzepte für den Kindersport in Coronazeiten gegeben habe, die man wegen der aktuellen Inzidenzzahlen aber leider doch noch nicht umsetzen konnte. „Bei Einzelsportarten sehe ich ganz große Probleme“, fügt Norgat Trefz an. Hier müsse der Nachwuchs schon eine Menge Eigeninitiative zeigen, um weiter dranzubleiben. Das sei bei Mannschaftssportarten etwas leichter, da könne man sich gegenseitig motivieren.

Yvonne Reitinger vom TV Sulzbach sieht das größte Problem in der Unplanbarkeit: „Niemand weiß, wann, was und wie es weitergeht. Kann man da anknüpfen, wo man aufgehört hat, gibt es weiterhin Einschränkungen?“ Viele Herausforderungen seien noch gar nicht absehbar. Dazu komme, dass der Altersdurchschnitt im Breitensportbereich des Traditionsklubs relativ hoch sei und Ältere über Online-Angebote nicht so gut zu erreichen seien. Und ob diejenigen, die nun zwangsweise pausieren mussten, bei der Wiedereröffnung wieder dabei sind, könne man nicht sicher wissen. Die Angst ist da, dass der Sport an Bedeutung verliert. Was das Kinderturnen und den Nachwuchs insgesamt betrifft, ist TVS-Vorstandsmitglied Reitinger weitaus zuversichtlicher. Insbesondere im Eltern-Kind-Turnen war die Nachfrage vor Corona groß. Zudem sei das Angebot offen, auch Geschwisterkinder könnten teilnehmen. Ob aber nach Corona Einschränkungen nötig seien, etwa durch Kapazitätsbegrenzungen in der Halle, wisse man nicht.

Die Motivation im Breiten- und Wettkampfsport ist unterschiedlich. Bei Letzterem trainiert man für ein Ziel, bei Ersterem liegt der Fokus stärker auf der eigenen Fitness. Mag man da unter Anleitung trainieren oder macht man das lieber individuell? Bislang hätten sich weder Trainer noch Übungsleiter abgemeldet, ob jedoch nach der Zwangspause noch alle zur Verfügung stehen, könne man nicht vorhersagen. Reitinger hat aber festgestellt, dass zwischen Mitgliedern und Verein auf jeden Fall eine gewisse Verbundenheit besteht. Viele Ältere, die nicht mehr aktiv sind, treten dennoch nicht aus, denn „man ist ja schon immer im Turnverein gewesen“. Trotzdem müsse man sich grundsätzlich die Frage stellen: Was wird aus dem Modell „Verein“? Egal ob im Sport- oder Musikverein, überall sei ein Mitgliederschwund zu beklagen, zudem gebe es immer weniger engagierte Ehrenamtliche.

Volker Schwarze ist optimistisch. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, meint der erste Vorstand des SV Steinbach mit Blick auf die aktuelle Lage. Erleichtert ist er, weil die Mitgliederzahlen in den letzten Monaten recht stabil geblieben sind. Das Erfolgsrezept? „Was über allem steht, ist, dass wir die Kommunikation mit den Mitgliedern nicht abreißen lassen.“ Der SVS bespielt verschiedene Kanäle. Es gibt die Posts in den sozialen Medien und man hat die Zeit genutzt, um die Homepage neu zu gestalten. Ein weiteres unverzichtbares Kommunikationsmittel ist die Vereinszeitung, die ebenfalls ein neues Gewand bekommen hat – und viele positive Rückmeldungen. Darin wird regelmäßig über die Situation im Klub berichtet und über die aktuellen Online-Angebote informiert. Die Einnahmen sind stark eingebrochen, obwohl die Sponsoren dem SV Steinbach treu geblieben sind, doch dafür haben sich die Ausgaben wesentlich verringert – die Trainer verzichten beispielsweise auf ihre Vergütung. Die Sorge, dass nach den Coronapausen keine Ehrenamtlichen mehr zur Verfügung stehen, hat Schwarze nicht. Derzeit findet ehrenamtliche Arbeit abseits des Sportplatzes statt, wie er erläutert: „Wir sind gerade dabei, unsere sportliche Infrastruktur wieder herzurichten. Da sind die Leute alle sehr motiviert, mitzumachen. Wenn man im Laufe des Jahres wieder den Regelbetrieb hochfahren kann, werden die Leute auch zur Stange halten.“ Klar sei, dass man den Nachwuchs nicht vergessen dürfe und die Jugendlichen gezielt ansprechen müsse, ob sie weiterhin dabei bleiben wollen: „Man darf die Leute nicht sich selbst überlassen.“

Bei der TSG Backnang 1846 wird die unfreiwillig freie Zeit gut genutzt. Man entwickelt neue Angebote, um gleich wieder loslegen zu können, sobald es geht, erklärt die stellvertretende Vorsitzende Claudia Krimmer. Die Mitgliederfluktuation sei an sich nicht so problematisch, sondern eher normal. Wesentlich schlimmer für die Vereine sei, dass es kaum Neueintritte gebe. „Zumindest in den Abteilungen, die Wettkampfsport betreiben, wird uns ein ganzer Jahrgang fehlen, wenn nicht sogar zwei. Das wird für den Wettkampfsport ein Riesenproblem geben“, befürchtet sie. Zudem sei es durchaus möglich, dass sich die Art des Sporttreibens verändere, dass sich viele eher dem Individualsport als dem organisierten Sport zuwenden. Um die Menschen wieder zum Verein zu bringen, ist es daher umso wichtiger, ein attraktives und auch innovatives Angebot für die Zeit nach der Pandemie bieten zu können. Und auch, dann aktiv auf die Menschen zuzugehen: „Wir müssen viel mehr Präsenz zeigen.“ Und dazu gehört auch, mehr Aufmerksamkeit auf den Sport zu lenken.

Sportkreis meldet über 5000 Mitglieder weniger als vor einem Jahr

Nicht alle Vereine an Rems und Murr klagen über sinkende Mitgliederzahlen, insgesamt ist der Trend in der Coronapandemie aber schon eindeutig. Im Rahmen der jährlichen Bestandserhebung meldete der Sportkreis genau 124826 Mitglieder an den Württembergischen Landessportbund (WLSB), das waren 5120 weniger als im Januar 2020. Das Minus beläuft sich auf 3,56 Prozent bei den männlichen und sogar 4,44 Prozent bei den weiblichen Vereinsmitgliedern.

Ein Blick in die verschiedenen Altersgruppen zeigt, dass es vor allem bei den Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren mit einem Rückgang um etwa 3300 Mitglieder und bei den 41- bis 60-Jährigen mit einem Minus von gut 1000 Mitgliedern schlecht aussieht. Auffällig ist außerdem, dass bei den 19- bis 40-Jährigen wesentlich mehr Frauen (über 7 Prozent) als Männer (2,7) dem organisierten Sport den Rücken kehrten. Bei den 19- bis 26-jährigen Männern sowie den über 60-jährigen Frauen ist sogar ein leichter Zuwachs zu verzeichnen, in allen anderen Altersgruppen gingen die Zahlen runter.

Bei kleineren Vereinen mit nur einer Sparte machten sich Austritte besonders bemerkbar, etwa bei Kampfsport- oder Tanzclubs. Hier summiert sich das Minus teils bis auf 60 Prozent im Vergleich zu Januar 2020. Aber: Auch größere Vereine mit mehreren Sparten meldeten herbe Verluste. Zum Beispiel der TSV Schmiden: Nach einem Plus von gut 6 Prozent von 2019 auf 2020 sank die Mitgliederzahl nun um knapp 16 Prozent.

Benjamin Wahl, der geschäftsführende Vorstand der SG Schorndorf, sieht es wie Claudia Krimmer von der TSG Backnang 1846: Das Hauptproblem seien nicht die Austritte, sondern die fehlenden Eintritte. Die nahezu einzige Erklärung: Corona. „Leider befürchte ich einen weiteren Rückgang der Zahlen, wenn sich nicht bald was ändert“, sagt Wahl.

Zu den Gewinnern scheinen die Tennisvereine zu gehören, die den Betrieb nach dem ersten Lockdown im Frühling 2020 relativ schnell wiederaufnehmen durften. Mancherorts gab es Mitgliederzuwächse im satten zweistelligen Prozentbereich.

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Erstellt:
17. April 2021, 06:00 Uhr

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