Formel 1

Explosive Ausgangslage: Was macht Norris' Teamkollege?

Hitzerennen, Reifenlimit und die mögliche Fahrerkrönung. Katar wird zum ersten großen Titelshowdown. Nach dem Disqualifikations-Hammer von Vegas ist die Frage: Wer geht außer Verstappen noch All-in?

Für Lando Norris geht es um den WM-Titel.

© Nick Didlick/AP/dpa

Für Lando Norris geht es um den WM-Titel.

Von Jens Marx, dpa

Lusail - Nach dem folgenreichen Millimeter-Strafdrama von Las Vegas darf sich McLaren im explosiven Doppelkampf um den WM-Titel gegen Max Verstappen nicht wieder verzocken. Noch hat Lando Norris alles in den Händen mit 24 Zählern Vorsprung auf seinen Teamkollegen Oscar Piastri und Red Bulls Alleinunterhalter Verstappen. "Wichtig ist jetzt die Frage: Was macht man intern?", betont Sky-Experte Ralf Schumacher vor dem Großen Preis von Katar.

Sprich: Zwei gemeinsam (Norris als Titelanwärter und Piastri sein Helfer) gegen einen (Verstappen)? Oder muss Norris auch die Attacke seines eigenen Teamkollegen fürchten? Wie so ein Stallduell um den WM-Titel ausgehen kann, wissen sie gerade bei McLaren nur zu gut. 2007 schnappte ein gewisser Kimi Räikkönen beim bisher letzten Fahrertitel für Ferrari den McLaren-Piloten Lewis Hamilton und Fernando Alonso die Krone weg. 

Der Rat an Norris von einem McLaren-Weltmeister

18 Jahre ist das her, Norris war damals sechs Jahre alt, Piastri vier, als Hamilton in seiner ersten Formel-1-Saison dem frischgebackenen zweimaligen Weltmeister Alonso so zusetzte, dass das Stallduell völlig eskalierte. Endstand damals: Räikkönen 110 Punkte - (es gab nur 10 Zähler für einen Sieg), Hamilton 109, Alonso 109. 

Mika Häkkinen, ehemaliger McLaren-Weltmeister, hat einen Rat an Norris. "Will Lando Weltmeister werden, darf er bis zum Schluss keinen Gang runterschalten", empfahl Häkkinen in der "Sport Bild". Gewinnt Norris den Grand Prix in Katar, reichen ihm 25 Punkte Vorsprung auf Piastri und Verstappen. Gewinnt er ihn nicht, braucht er 26 Zähler mehr am Sonntagabend. Rechnerisch könnte es sogar dazu kommen, dass alle drei punktgleich nach Abu Dhabi weiterreisen. 

Norris dürfte sich dessen bewusst sein, nicht erst seit seinem fehlgeschlagenen Attacke-Manöver nach dem Start in Las Vegas. Norris habe versucht, Verstappen nach dessen Regeln zu schlagen. "Das Problem ist nur, dass er die Regeln von dem Spiel nicht kennt", sagte David Coulthard, ehemaliger McLaren und ehemaliger Red-Bull-Pilot. In der McLaren-Vorschau versichert Norris in einem insgesamt eher kurzen Statement: "Ich bin bereit für die Herausforderung, um den Sieg zu kämpfen." 

Keine Nummer eins bei McLaren - auch jetzt noch? 

Norris' Teamkollege Piastri ist der, der noch in der ersten Saisonhälfte wie der Titelanwärter Nummer eins aussah. Sieben Siege, nach seinem bis dato aber letzten Ende August in Zandvoort führte er mit 34 Punkten vor Norris und 104 vor Verstappen. Während der gesamten Hochphase des Australiers hatten die McLaren-Bosse eine Nummer-Eins-Akklamation verweigert. Gleiches Recht für beide Fahrer - der Titel sollte auf der Strecke entschieden werden.

Mit dem Aufstieg von Norris nach dem Tiefpunkt von Zandvoort begann der Niedergang von Piastri. Dass dieser bereits im Rennen danach Norris überholen lassen musste, weil die Crew einen Boxenstopp des Briten verpatzt und dieser hinter Piastri nach dem Reifenwechsel lag, sorgte bei manchen Fans für Unmut. In Mexiko und auch in Brasilien bekam Norris das zu spüren. Mit Pfiffen und Buhrufen nach seinen Siegen. 

Stallorder bei Red Bull aus bestimmen Grund gar nicht nötig

Eine Stallorder bei Red Bull braucht es indes wirklich nicht: Seine Teamkollegen, aktuell Yuki Tsunoda, fahren praktisch nur noch mit. Von den 391 Red-Bull-Punkten in diesem Jahr holte Verstappen 366. Über manchen Funkspruch der Konkurrenz von McLaren konnte sich der viermalige Weltmeister ein Lachen auch schon nicht verkneifen. 

Klar ist, dass er zumindest dieselben Chancen auf den Titel hat wie Piastri. Beide müssen aber auf Patzer des WM-Spitzenreiters hoffen. 33 Punkte sind allein in Katar zu holen, acht für den Sieger im Sprint am Samstag (15.00 Uhr MEZ/Sky), 25 im Rennen am Sonntag (17.00 Uhr MEZ/Sky). Dass Pirelli und die Fia aus Sicherheitsgründen ein Reifenlimit - nur 25 Runden pro Satz - verhängt haben, wird beim Grand Prix die strategischen Möglichkeiten deutlich erhöhen. 

"All-in", schrieb Verstappen nach seinem Sieg in Las Vegas. Setzt auch Piastri alles auf eine Karte? Der ehemalige Formel-1-Fahrer Ralf Schumacher zweifelt an den aktuellen Teamplayer-Qualitäten des Australiers. "Aus meiner Sicht muss McLaren jetzt hergehen und sagen: 'Oscar, du hattest die Chance. Jetzt konzentrieren wir uns auf einen. Wir können es uns nicht leisten, dass Red Bull uns den Fahrertitel wegschnappt'." 

Was bei einem Kurswechsel der McLaren-Bosse auf dem Spiel steht 

Wie Piastri, der bei Siegerfeierlichkeiten von Norris mit dem Team in diesem Jahr auch schon mal außen vor gelassen wurde, das finden würde nach dem bisherigen Kurs der McLaren-Bosse, bleibt mal dahingestellt. Leisten können sich die Verantwortlichen des britischen Traditionsteams einen solchen Richtungswechsel eigentlich ohnehin nicht. 

"Sollte das Gleiche passieren wie 2007, dann habe ich lieber diesen Ausgang als all die anderen Möglichkeiten, weil wir einen von beiden Fahrern favorisieren würden", sagte McLaren-Geschäftsführer Zak Brown vor nicht allzu langer Zeit. Und Teamchef Andrea Stella erklärte in der offiziellen Vorschau von McLaren auf das Katar-Wochenende: "Bei noch zwei ausstehenden Rennen verdienen beide die Chance, um den Titel zu kämpfen."

2007 verspielten Fernando Alonso (l) und Lewis Hamilton die Fahrer-WM.

© epa Kerim Okten/dpa

2007 verspielten Fernando Alonso (l) und Lewis Hamilton die Fahrer-WM.

Oscar Piastri im Rückblick auf die bisherige Saison: Vom Titel-Kurs abgekommen.

© Ettore Chiereguini/AP/dpa

Oscar Piastri im Rückblick auf die bisherige Saison: Vom Titel-Kurs abgekommen.

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Erstellt:
27. November 2025, 09:18 Uhr
Aktualisiert:
27. November 2025, 12:04 Uhr

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