Fahrt in die Unsterblichkeit
Markus Wasmeier hat seit den Olympiasiegen vor 25 Jahren nicht nur Sonnentage erlebt
Vor 25 Jahren gewann Markus Wasmeier bei den Olympischen Spielen in Lillehammer überraschend zweimal Gold. Seitdem kümmert er sich vor allem um ein von ihm aufgebautes Freilichtmuseum.
Are /SID - Am Morgen des Tages, an dem er sich unsterblich machte, war Markus Wasmeier erstaunlich gut gelaunt. Die Olympischen Spiele von Lillehammer 1994 hatten für ihn mit einem Desaster begonnen, Rang 36 in der Abfahrt, was sollte da noch kommen? Vier Tage später stieg Wasmeier nach der morgendlichen Besichtigung des Super-G munter in den Sessellift, der ihn bei Sonnenschein hoch zum Start in Kvitfjell brachte. „Heut’ geht was“, rief er mit einem Augenzwinkern, und fast schien es, als habe die Eiseskälte seinen Verstand eingefroren. „Ich hatte gleich beim Aufstehen ein gutes Gefühl“, erklärt Wasmeier 25 Jahre später seinen Optimismus, „man spürt das ja: Heute hast du Energie.“
Ein paar Stunden später an diesem 17. Februar 1994 war der Schlierseer plötzlich Olympiasieger in seiner Lieblingsdisziplin.
Mit Startnummer vier hatte er eine Linie hinab ins Tal gefunden, auf der ihm keiner folgen konnte. Es dauerte, ehe Wasmeier wahrhaben wollte, was ihm gelungen war. In Albertville hatte ihn der Franzose Franck Piccard mit der Nummer 23 noch von Platz drei weggefahren, „das war ein Trauma für mich“. Dann aber kletterte Vater Günter über die Absperrung, umarmte den Sohn, „und ab da war es endlich klar. Diesen Moment werde ich nie vergessen.“
Bis dahin war Franz Pfnür als Gewinner der Kombination 1936 der einzige deutsche alpine Olympiasieger gewesen. Pfnür, 1996 verstorben, sah Wasmeiers Fahrt daheim in Oberau im Fernsehen und weinte vor Glück. Nach der unwahrscheinlichsten Auferstehung seit Lazarus flüchtete Wasmeier ins benachbarte Schweden, um seine Ruhe zu haben. Er kam zurück als „WAW7“, als „Wasmeier auf Wolke sieben“, wie ihn Mannschaftskollege Tobias Barnerssoi getauft hatte. Und am 23. Februar 1994, einem weiteren sonnigen Tag, stellte der schwebende Wasmeier die Welt vollends auf den Kopf: Er gewann Gold im Riesenslalom, neun Jahre nachdem er in dieser Disziplin zum WM-Titel gefahren war. „Spinnst du?“, rief Vater Günter über den Zaun. Ein paar Wochen später trat Wasmeier zurück, das zweite Kind war unterwegs.
Er machte in Mode und drehte Filme mit Willy Bogner, er erfand für die ARD Kamerafahrten, seine Leidenschaft aber gehörte einem Herzensprojekt: In Neuhaus am Schliersee baut er nun seit mehr als zwei Jahrzehnten eigenhändig Häuser aus vergangenen Jahrhunderten originalgetreu wieder auf, sein beeindruckendes Freilichtmuseum ist ein einzigartiger Blick zurück in eine Zeit, die so schwer war, dass die Leute sehen würden, wie gut es ihnen heute gehe, sagt Wasmeier.
Seit den traumhaften Tagen in Norwegen hat der Sonnyboy Wasmeier nicht nur Sonnentage erlebt. Heftig war die Zeit, als bei seiner Frau Brigitte, mit der er drei Söhne hat, 2012 Brustkrebs entdeckt wurde. „In der Sekunde, als das bekannt wurde, war ich sofort wieder in meinem Sportmodus: hoch konzentriert, sehr wach, die Emotionen ein bisschen runtergefahren, damit ich funktioniere.“ Und er kämpfte: Seine Frau hatte mit dem Leben abgeschlossen, Wasmeier aber setzte Änderungen bei der Chemotherapie durch. Gitti überlebte. Wasmeier selbst musste vor drei Jahren beinahe der linke Fuß amputiert werden, weil sich darin zerstörende Keime gebildet hatten – er weiß also, wie wichtig Gesundheit ist. Als mögliche Nachfolger im Olymp nennt er Thomas Dreßen, Stefan Luitz und Felix Neureuther. Neureuther hat immer Pech gehabt bei Olympia, und ob er 2022 in Peking noch dabei ist, darf bezweifelt werden: „Wenn ich den Felix sehe, dann stelle ich fest: Was habe ich für ein Glück gehabt.“