Flick als Löws Edel-Helfer: „Ich weiß, wie er tickt“

dpa Lissabon. Zusammen standen sie ganz oben mit dem deutschen Nationalteam. Jetzt wird der einstige Löw-Assistent Flick als Chefcoach der Bayern bewundert. Die Allianz soll nächstes Jahr nochmals gekrönt werden.

Kann auf die Fähigkeiten seinen ehemaligen Co-Trainer Hansi Flick (r) bauen: Bundestrainer Joachim Löw. Foto: picture alliance / dpa

Kann auf die Fähigkeiten seinen ehemaligen Co-Trainer Hansi Flick (r) bauen: Bundestrainer Joachim Löw. Foto: picture alliance / dpa

Beim FC Bayern ist Hansi Flick in kurzer Zeit zum bestaunten Cheftrainer aufgestiegen, im nächsten Jahr aber will der Münchner Meistermacher nochmals zum wichtigsten Titelhelfer für Joachim Löw werden.

„Wir kommunizieren sehr gut, und es wird deswegen auch alle Unterstützung von uns geben für ihn, um eine erfolgreiche Europameisterschaft zu spielen im nächsten Jahr“, übermittelte Flick aus dem Champions-League-Finalort Lissabon an seinen einstigen Chef.

Von Löws Dienstantritt 2006 bis zur WM-Titelkrönung 2014 in Rio de Janeiro arbeitete Flick meist im Hintergrund als erster und wichtigster Assistent des Bundestrainers. „Das wird uns für immer verbinden“, versicherte Löw: „Wir sind gute Freunde geworden.“

Den ersten drohenden Konflikt zwischen den Interessen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und des FC Bayern in der Münchner Amtszeit von Flick entschärfte Löw schon vor dem großen Königsklassen-Finale gegen Paris Saint-Germain. „Die durch die Fortsetzung der zurückliegenden Bundesligasaison und die Teilnahme am Finalturnier in Lissabon hoch belasteten Nationalspieler werden wir für die September-Länderspiele nicht nominieren“, verkündete der 60-Jährige.

So werden neben den Leipzigern Marcel Halstenberg und Lukas Klostermann auch die Bayern-Profis Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Leon Goretzka beim Neustart des DFB-Teams nach über neun Monaten fehlen. „Ich bin sehr froh, dass er das so gemacht hat. Er hat mit seiner Mannschaft auch ein wichtiges Spiel gegen Spanien. Aber so kenne ich ihn. Er denkt da weniger an das Ergebnis als an die Spieler“, erklärte der gebürtige Heidelberger Flick in Portugal.

Dabei geht es für das Löw-Team zum Auftakt der neuen Nations League am 3. September in Stuttgart gleich gegen den Ex-Weltmeister Spanien. Drei Tage später folgt in Basel die zweite Partie gegen die Schweiz. „Wir haben telefoniert. Er hat von vorn herein gesagt, er verzichtet auf die vier Spieler, weil er einfach auch der Meinung ist, sie brauchen den Urlaub. Ich bin natürlich happy, dass er auf die Spieler Rücksicht nimmt“, sagte Flick: „Ich weiß, wie er tickt. Ich weiß, wie wichtig ihm das ist, dass die Spieler die notwendige Entspannung und Regeneration haben. Es gibt eine sehr harte Saison für alle.“

Für Löw geht es beim wegen der Corona-Pandemie auf den kommenden Sommer verschobenen europäischen Championat natürlich auch um Wiedergutmachung. Die völlig misslungene WM 2018 nagt noch immer. Deshalb betonte der DFB-Chefcoach: „Die Anforderungen gerade an die Topspieler sind extrem. Und unser Höhepunkt der Saison, die EURO, steht eben erst am Ende auf dem Programm. Dann brauchen wir Spieler, die noch in der Lage sind, Topleistungen abzurufen.“

Mit seiner Entscheidung baute Löw nebenbei auch einer weiteren Diskussion um eine Rückkehr von Thomas Müller ins Nationalteam vor. Den 30-Jährigen hatte er einige Monate nach dem WM-Desaster und einem missglückten Neustart bei der Nations-League-Premiere ebenso wie Mats Hummels und Jérôme Boateng aussortiert. Müller ist unter Flick bei Bayern wieder zum Top-Spieler geworden - er gehört aber auch zu den Hochbelasteten wie Kimmich oder Gnabry.

Dagegen benötigen die nach Kreuzbandrissen zurückgekehrten Münchner Niklas Süle und Leroy Sané aus Löws Sicht dringend Spielzeit und Trainingsrhythmus. Auch Thilo Kehrer und Julian Draxler von Bayerns Finalgegner Paris sollen nach längeren Verletzungsphasen zum DFB-Kader gehören, der am 25. August veröffentlicht wird. „Wir haben immer Rücksicht auf die individuelle Belastungssituation genommen, das hat sich nicht verändert“, betonte Löw.

Die Spieler selbst brennen darauf, endlich auch wieder für Deutschland auflaufen zu können. Das verdeutlichte Junior-Chef Kimmich am Wochenende in Lissabon: „Wenn wir es entschieden hätten, dann wären wir sicherlich alle gerne zur Nationalmannschaft gefahren. Aber der Bundestrainer hat da sehr weitsichtig entschieden. Es wird dann doch eine sehr harte Saison mit sehr vielen englischen Wochen und dem Höhepunkt der EM am Ende der Saison, die auf uns zukommt.“

Nicht überrascht ist Löw über die Erfolge seines früheren Assistenten Flick als Chefcoach der Bayern. „Weil er einfach gut ist, eine wahnsinnige Akzeptanz hat bei den Spielern, eine Mannschaft formen, führen und entwickeln kann. Dass die Erfolge kamen, war für mich die logische Folge“, schrieb Löw in einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“. Vor allem Flicks „sehr empathische Art“ gebe den Spielern das Gefühl, dass er sie auch privat ernst nehme und bringe eine familiäre Note ein. „Aber: In der Sache ist Hansi hart und diszipliniert. Er steht für seine Überzeugungen ein“, urteilte Löw.

© dpa-infocom, dpa:200823-99-274175/3

Zum Artikel

Erstellt:
23. August 2020, 12:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen