Von Surge zu den Atlanta Falcons
Football als Beruf – das gibt Lenny Krieg einen Kick
Lenny Krieg, der frühere Kicker von Stuttgart Surge, hat sich nach seinem Wechsel in die NFL bei den Atlanta Falcons bestens eingelebt: Er schwärmt von der neuen Football-Welt.

© Baumann
Rückkehr nach Stuttgart: Lenny Krieg (re.) mit seinem früheren Surge-Kollegen Giuseppe Della Vecchia.
Von Jochen Klingovsky
Auf weit über 30 Grad kletterte das Thermometer im Gazi-Stadion, doch Lenny Krieg bekam trotzdem Gänsehaut. Der frühere Kicker von Stuttgart Surge, der im Frühjahr zu den Atlanta Falcons in die National Football League (NFL) gewechselt ist, wurde bei seiner Rückkehr unter den Fernsehturm mit „Lenny!“-, Lenny!“-Rufen gefeiert, erhielt viel Beifall und Zuspruch. „Es ist ein schönes Gefühl, wieder hier zu sein“, sagte Krieg im Halbzeit-Interview der Partie gegen die Cologne Centurions, die mit einem 88:7-Sieg endete, „ich habe sehr positive Erinnerungen an Stuttgart Surge.“ Auch wenn er zuletzt Football in einer anderen Dimension kennengelernt hat.
Durch starke Leistungen bei diversen NFL-Sichtungsterminen machte Lenny Krieg, der 2023 und 2024 in Stuttgart zu einem Klasse-Kicker gereift war, weiter auf sich aufmerksam – und unterschrieb schließlich bei den Falcons. Der Traum, den viele Footballer träumen, ist bei ihm nun Realität. Vor acht Wochen bezog Lenny Krieg (22) ein Hotelzimmer in Atlanta. Es war der Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass sich sein Leben total verändert hat: „Ich bin jetzt Berufssportler. Alles, was ich mache und entscheide, muss auf Football abgestimmt sein. Es ist genau das, was ich immer wollte.“ Erst recht in diesem Umfeld.
Perfektes Umfeld bei den Falcons
Für die Footballer gibt es bei den Falcons eine Rundumbetreuung: Training, Einheiten im Kraftraum, Physiotherapie, Ernährung, Organisatorisches – alles ist perfekt geregelt. „Die Falcons kümmern sich um jedes Detail, auf und abseits des Platzes“, sagt Lenny Krieg, „das hilft vor allem uns Neulingen enorm, um die kulturelle Umstellung schnell und problemlos zu schaffen. Wir können uns voll darauf konzentrieren, unsere beste Leistung abzurufen.“ Bei ihm selbst hat das bisher ganz gut funktioniert.
Lenny Krieg überzeugte, als die Späher auf der Tribüne saßen, mit großer Treffsicherheit, und diese hat er konserviert. Zunächst ging es in den Trainingseinheiten vor allem um die körperliche Fitness, und als der Ball ins Spiel kam, fühlte sich der Kicker erst recht in seinem Element. „Ich habe in den ersten acht Wochen sehr viel gelernt“, sagt er, „ich hatte aber auch die Möglichkeit, zu zeigen, was ich kann.“ Nun ist wichtig, im vierwöchigen Heimaturlaub zu regenerieren, Energie zu tanken, die Form zu konservieren. Danach wird es schließlich ernst: Es geht um einen der begehrten Plätze im Falcons-Team.
Lenny Krieg und Younghoe Koo: Zwei Kicker, ein Platz
Derzeit gibt es in Atlanta zwei Kicker – Lenny Krieg und Younghoe Koo (30), der vor seiner siebten Saison bei den Falcons steht. Die beiden sind Konkurrenten, denn in die Saison gehen die Clubs normalerweise mit nur einem Spieler. Die beiden sind aber auch faire Sportsleute, die großen Respekt voreinander haben. „Lenny ist ein großartiger Typ, der sehr hart arbeitet“, sagt Younghoe Koo, der ein schwächeres Jahr hinter sich hat. Und Krieg erklärt: „Koo hat schon eine große NFL-Karriere gemacht, er ist ein sehr guter Kicker. Wir verstehen uns super.“
Wer sich am Ende durchsetzt? Wird sich in der Vorbereitung und den Testspielen in der am 8. August beginnenden Pre-Season zeigen. „Bisher ist es zu früh, um darüber etwas sagen zu können. Dafür braucht es mehr spielnahe Situationen“, meint Lenny Krieg, „doch letztlich geht es ohnehin darum, sich nicht mit Gedanken ans Scheitern zu befassen, das kostet zu viel Kraft. Wichtig ist allein, das eigene Niveau möglichst hochzuhalten – die Entscheidung treffen dann andere.“
Unterstützung bei den letzten Schritten auf dem Weg in die NFL erhält Lenny Krieg übrigens auch aus Stuttgart. Er ist in Kontakt mit vielen früheren Surge-Kollegen, und sein Draht zu Jordan Neuman, unter dem er zwei Jahre trainierte, ist besonders gut. Dem Coach, sagt der Kicker, habe er enorm viel zu verdanken: „Er lebt den professionellen Sport vor. Die Stärke, die er mir zugesprochen hat, und das Selbstbewusstsein, das ich 2024 auch dank ihm entwickeln konnte, haben mir sehr geholfen.“
Lob für Nachfolger Timo Bronn
Immer dann, wenn es bei den Sichtungen drauf ankam, hat Lenny Krieg vorher mit Jordan Neuman gesprochen – und sich von ihm letzte Tipps geben lassen. Folglich ist es kein Wunder, dass er mit großem Interesse verfolgt, wie es in Stuttgart ohne ihn weitergeht. Bisher hat er jedes Surge-Spiel live gesehen. Und er ist nicht nur von der Leistung seines Ex-Teams angetan, sondern auch von Kicker Timo Bronn, der zuletzt gegen die Centurions bei allen Kicks erfolgreich war, 20 Punkte erzielte und zum „Man of the Match“ gewählt wurde. „Er gefällt mir super, ich bin sehr gut ersetzt worden“, sagt der Ex-Stuttgarter, „ich bin überzeugt, dass es für Surge eine lange Saison wird. Diese Mannschaft kann sich nur selbst schlagen.“ Auch, weil sie nicht nur bei weit über 30 Grad heiß läuft. „Ich erlebe derzeit eine andere Football-Welt“, erklärt Lenny Krieg, „aber die Leidenschaft ist in Stuttgart dieselbe.“