Ex-Handball-Präsident Bernhard Bauer:

Frauen-Spitzensport mehr beachten!

Jüngste Erfolge der Handballerinnen der SGBBM Bietigheim und der Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart waren der Politik eher Randnotizen wert. Warum?

Der SG BBM Bietigheim gelang eine „Saison für die Ewigkeit“

© sgbbm/sgbbm

Der SG BBM Bietigheim gelang eine „Saison für die Ewigkeit“

Von Nikolai B. Forstbauer

Hans Artschwager gilt nicht als Mann lauter Worte. So konsequent der Präsident des Handballverbandes Württemberg vor 15 Jahren einen Aufbruch im Mädchenhandball forciert hat, so ruhig erlebt er nun die auf nationaler Ebene führende Rolle der Südwest-Teams im Jugendbereich und die Erfolge in den Bundesligen.

Fast ein wenig ungläubig verfolgte Artschwager gleichwohl den Siegeszug der SG BBM Bietigheim – Supercup gewonnen, Europapokal gewonnen, Deutsche Meisterschaft gewonnen und auch noch Deutscher Pokalsieger: die Saison 2021/22 gilt als „Spielzeit für die Ewigkeit“.

Über Monate warf das Team von Erfolgscoach Markus Gaugisch die Stadt Bietigheim buchstäblich in den Blickpunkt – um am Ende ohne Rückenwind der Stadtspitze dazustehen. Kein Empfang, keine Feier, nichts. Dafür aber der freundliche Hinweis von Oberbürgermeister Jürgen Kessing, er könne mit dem Goldenen Buch der Stadt gerne einmal im Training vorbeikommen.

Überraschende Stille auch in Stuttgart

„Das war schon ein Schlag für den Frauenhandball insgesamt“, sagt Hans Artschwager. Kaum geräuschvoller verhallte auch das Double aus Deutscher Meisterschaft und Pokalsieg für die Volleyballerinnen des Teams Allianz MTV Stuttgart.

Was ist da los? Bernhard Bauer, vormals Präsident des Deutschen Handballbundes (2013-2015) und als Vorsitzender des Vereins Freunde und Förderer des Handballs in Württemberg weiter Mit-Lenker der Handball-Geschicke im Land, findet deutliche Worte: „Es ist unglaublich, welche Möglichkeiten hier von der Politik vertan wurden, Flagge für den Frauen-Spitzensport zu zeigen.“ Die Sportlerinnen, so Bauer, „tragen enorm zur Sichtbarkeit von Sportstandorten wie Stuttgart oder Bietigheim bei“. Und sie seien „ganz wichtige Vorbilder für die Kinder“. Dies aber scheine man „in den Rathäusern nicht wirklich verstanden zu haben“. Da hilft auch die inzwischen erfolgte Einladung ins Rathaus Bietigheim für den 11. Juli nicht weiter.

Kräfte werden weiter gebündelt

Kann der Sport selbst mehr tun, um die Konzentration der Scheinwerfer auf die Männer abzuschwächen? Auch darüber wird an diesem Sonntag, 25. Juni, diskutiert, wenn im Waldhaus in Hildrizhausen Spitzenvertreterinnen und Spitzenvertreter des Handballs zusammenkommen. Thema sind Fusionen auf nationaler wie auf regionaler Ebene, aber auch konkret die Frage „Wie sieht die Zukunft des weiblichen Leistungssports aus?“.

„Natürlich geht es um eine Professionalisierung auf allen Ebenen“, sagt Hans Artschwager – gemeint ist eine Straffung der Ligen und ein höheres Tempo bei der „Konzentration der Kräfte“, von der Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), gerne spricht. Michelmann ist am Sonntag ebenso vor Ort wie DHB-Sportvorstand Axel Kromer und Andreas Thiel, Präsident der Handball Bundesliga Frauen. Elvira Menzer-Haasis, Präsidentin des Landessportverbandes Baden-Württemberg, dürfte in den „Handball im Gespräch“-Runden von 10 bis 13 Uhr klar machen, dass Förderung zunehmend an regional übergreifende Strukturen gekoppelt ist.

Politik soll umdenken

Verhindert aber ein Handballverband Baden-Württemberg, der 2025 stehen soll, das Wegschauen der Politik? Für Bernhard Bauer ist klar: „Das muss sich ganz schnell ändern. Die Politik kann es sich nicht weiter erlauben, sich öffentlich zuvorderst und nahezu ausschließlich zum Männerfußball zu bekennen.“ Baut sich vielleicht der Spitzensport der Frauen mit Slogans wie „Stuttgarts schönster Sport“ (Allianz MTV Stuttgart) auch eigene Fallen? Die Debatte, das ist deutlich, hat gerade erst begonnen.

Zum Artikel

Erstellt:
24. Juni 2022, 12:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen