Frecher Kastening steht für Aufschwung im DHB-Team

dpa Wien. Für die deutschen Handballer geht es gegen Kroatien um Alles oder Nichts. Eine Niederlage würde das Ende aller Medaillenträume bei der EM bedeuten, ein Sieg die Chance auf das Halbfinale wahren. Das DHB-Team setzt dabei auf einen neuen Hoffnungsträger.

Timo Kastening machte gegen Weißrussland ein ganz starkes Spiel. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Timo Kastening machte gegen Weißrussland ein ganz starkes Spiel. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Senkrechtstarter Timo Kastening erwies sich bereits im Training vor dem EM-Showdown gegen Kroatien als äußerst treffsicher - allerdings ausnahmsweise ungewollt.

Beim lockeren Fußballspiel der deutschen Handballer schickte der nach seiner Tor-Gala gegen Weißrussland viel gelobte Rechtsaußen Torwart-Oldie Johannes Bitter mit einem satten Kopftreffer zu Boden.

Im heißen Duell mit den wie Titelverteidiger Spanien noch ungeschlagenen Kroaten am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) in Wien müssen die Versuche von Kastening, Kapitän Uwe Gensheimer & Co. sitzen, soll der Traum von einer Medaille bei der Europameisterschaft am Leben erhalten werden. „Das Spiel kann der Schlüssel zu allem sein“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Eine Niederlage würde das vorzeitige Ende aller Halbfinal-Hoffnungen bedeuten. „Es geht um sehr viel, wir können alle rechnen“, betonte Bundestrainer Christian Prokop und nahm seine Schützlinge in die Pflicht: „Ich kann vieles fordern und vorgeben, aber die Jungs müssen selber wissen, was sie für eine EM-Geschichte schreiben wollen. So viele Möglichkeiten gibt es in der Karriere nicht.“

Für das erwartet hitzige Duell gab der 41-Jährige die Marschroute vor: „Wir wollen mit hoher Überzeugung 60 Minuten lang einen Kampf bieten. Wir haben nur eine Chance, wenn wir in der Abwehr, bei den Torhütern und im Rückzugsverhalten top sind. Da müssen wir Mentalitäts-Europameister sein.“

Mit dem 31:23 im ersten Hauptrundenauftritt gegen die Weißrussen scheint der WM-Vierte endlich im Turnier angekommen zu sein. „Mir hat imponiert, dass sich die Mannschaft 60 Minuten lang den Hintern aufgerissen hat. Das war in der Vorrunde nicht der Fall“, stellte Prokop sichtlich zufrieden fest. Torwart Andreas Wolff zeigte seine bisher beste Leistung bei der Endrunde, die Abwehr stand endlich kompakt und vorne glänzte Kastening.

Unbekümmert, frech, erfolgreich - der 24-Jährige steht als Sinnbild für den Aufschwung der DHB-Auswahl, die sich nach der zum Teil desaströsen Vorrunde noch vor dem Ortswechsel von Trondheim nach Wien ausgesprochen hatte. Dabei wurden die Defizite offen benannt. „Nur mit Streicheleinheiten kommst du nicht voran. Wir haben gesagt, dass wir so nicht weiter auftreten wollen“, berichtete Kastening.

Er selbst ging gegen Weißrussland mit gutem Beispiel voran und wurde danach zurecht als „Man of the Match“ geehrt. „Timo ist völlig befreit, der macht sich viel weniger einen Kopf als die erfahrenen Spieler“, lobte Hanning. „Er tut der Mannschaft gut.“

Auch Prokop, der in einer Auszeit des Auftaktspiels gegen die Niederlande noch Kastenings Namen vergessen hatte, weiß um den Wert des Aufsteigers von der TSV Hannover-Burgdorf. „Man merkt gar nicht, dass es das erste Turnier für ihn ist. Er zeigt keine Nervosität und agiert sehr schnell und konsequent. Das macht Spaß“, stellte Prokop dem Rechtsaußen ein gutes Zeugnis aus. Und Rückraumspieler Philipp Weber betonte: „Er ist extrem flink beim Bälle klauen und hat ein starkes Wurfrepertoire. Wir brauchen diese Galligkeit, die Bälle unbedingt haben zu wollen.“

Gegen Weißrussland versenkte Kastening alle sechs Versuche - besser geht es nicht. „Es tut immer gut, wenn du hundert Prozent triffst. Deshalb bin ich sehr froh darüber. Es war insgesamt ein rundes Spiel“, befand er. Zudem unterband Kastening etliche Angriffe des Gegners, wofür er eine einfache Erklärung parat hatte: „Ich schreibe mir Spielzüge des Gegners auf meinem Tape am Handgelenk auf. Da schaue ich in den Auszeiten immer drauf, damit ich sie während des Spiels nicht vergesse.“

In Hannover verpasste der Bayern-Fan in den vergangenen fünf Jahren kein einziges Bundesligaspiel. Nun ist er auf seiner Position auch im DHB-Team erste Wahl vor Routinier Tobias Reichmann von der MT Melsungen, wohin Kastening im Sommer wechselt.

Für seinen künftigen Vereinskollegen legte Kastening nach dem souveränen Sieg gegen die Weißrussen erst einmal einen Partysong von Ikke Hüftgold auf. Denn er hat Routinier Patrick Groetzki nicht nur im Kampf um das EM-Ticket ausgestochen, sondern auch dessen Job als Kabinen-DJ übernommen. Gegen Kroatien will Kastening wieder für gute Stimmung im deutschen Team sorgen - sowohl musikalisch als auch sportlich.

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Erstellt:
17. Januar 2020, 15:38 Uhr

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