Fritz Walter zum 100.: Der „Held von Bern“ unvergessen

dpa Kaiserslautern. In Kaiserlautern ist Fritz Walter begraben. Das Idol von Generationen wird dieser Tage in Memoriam noch einmal ganz groß gefeiert. Der deutsche Fußball verneigt sich vor einem ganz Großen.

Der deutsche Stürmer und Kapitän Fritz Walter (M, oben) und sein Lauterer Teamgefährte Horst Eckel (r) werden nach dem Triumph im Fußball-WM-Finale im Berner Wankdorfstadion von begeisterten Anhängern vom Spielfeld getragen. Foto: picture alliance/dpa/Archivbild

Der deutsche Stürmer und Kapitän Fritz Walter (M, oben) und sein Lauterer Teamgefährte Horst Eckel (r) werden nach dem Triumph im Fußball-WM-Finale im Berner Wankdorfstadion von begeisterten Anhängern vom Spielfeld getragen. Foto: picture alliance/dpa/Archivbild

Die große Gala fällt wegen Corona aus. Aber an seinen vielleicht größten Helden erinnert sich in diesen Tagen ganz Fußball-Deutschland trotzdem.

Fritz Walter, Kapitän der legendären Weltmeister-Elf von 1954, wäre am Samstag (31.10.) 100 Jahre alt geworden. Das „Wunder von Bern“ wird von Historikern gerne als die wahre Geburtsstunde der Bundesrepublik bezeichnet. Nur einer aus dem 3:2-Endspielsieg gegen die als übermächtig geltenden Ungarn lebt noch: Horst Eckel. „Da hätten wir einen schönen Geburtstag gehabt. Er hätte nicht alleine gefeiert. Es wären alle, die noch da wären von damals, hingegangen“, sagte der 88-Jährige wehmütig im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Fritz Walter starb am 17. Juni 2002 im Alter von 81 in seinem Haus in Enkenbach-Alsenborn, ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Frau Italia. In Ausstellungen und auf Internetseiten erinnern die Stadt Kaiserslautern, sein Club FCK und der Deutsche Fußball-Bund an den großartigen Sportsmann. Der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft bestritt 61 Länderspiele (33 Tore) und wurde unvergesslich mit dem Triumph 1954 beim Turnier in der Schweiz.

3:8 hatten die Deutschen in der Vorrunde gegen die Elf von Ferenc Puskas verloren, 0:2 lagen sie im Endspiel nach nur acht Minuten hinten. Kurz vor Schluss traf Helmut Rahn im Wankdorf-Stadion zum 3:2. „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“, so rief es der dadurch berühmt gewordene Reporter Herbert Zimmermann. Und dann: „Aus, aus, aus – aus! – Das Spiel ist aus! – Deutschland ist Weltmeister…“

Noch heute treiben diese Töne und Bilder vielen Deutschen Tränen in die Augen. „Wir sind wieder wer! Das war sicherlich das Gefühl von Millionen Menschen.“ So beschrieb der langjährige Bundeskanzler Helmut Kohl einmal die Stimmungslage in der Nachkriegszeit. Neun Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab der Triumph einer ganzen Nation ein neues Selbstwertgefühl - und machte Fritz Walter zu einem stets bescheiden gebliebenen Vorbild für Generationen. Der Historiker Joachim Fest sah es so: „Es gibt drei Gründungsväter der Bundesrepublik: politisch ist es Adenauer, wirtschaftlich Erhard und mental Fritz Walter.“

Fritz Walter blieb seinem 1. FC Kaiserslautern, für den er von 1928 bis 1959 auflief und 384 Spiele für die erste Mannschaft bestritt (327 Tore), immer treu. Angebote aus dem Ausland lehnte der Sohn des Wirts der Vereinsgaststätte ab: „Dehäm is dehäm.“ Mit den Pfälzern war er 1951 und 1953 deutscher Meister, die Kriegszeit raubten ihm aber seine besten Jahre als Kicker.

1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Fünf Jahre später sollte er aus einem Gefangenenlager nach Sibirien transportiert werden, doch die Wachsoldaten erkannten den Fußballer. Das entscheidende Match mit der Lagerpolizei bezeichnete Fritz Walter später als „Spiel seines Lebens“, das ihn wohl vor dem Tod im Lager bewahrte. Im Oktober 1945 kehrte er nach Kaiserslautern zurück.

Uwe Seeler erinnert im „Kicker“ an sein Idol: „Als ich im Oktober 1954, kurze Zeit nach dem WM-Triumph von Bern, meine ersten Schritte im DFB-Trikot gemacht habe, hatte er Heldenstatus. Mir hat deshalb unheimlich imponiert, wie bescheiden er war.“ Der dreimalige WM-Teilnehmer habe immer versucht, es ihm nachzumachen: „Bescheiden zu sein, nie zu vergessen, wo man herkommt.“

Miroslav Klose stand als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener bei Spielen des 1. FC Kaiserslautern oft als Fan in der Westkurve. „Da begreift man schnell - Fritz Walter ist ein Mythos“, sagt der Weltmeister von 2014. Als Profi habe er sich dann nach jedem Heimspiel darauf gefreut, sein Vorbild im VIP-Raum zu treffen. Später habe er ihm nach Toren für die Nationalmannschaft herzliche Glückwunschschreiben und eine Flasche seines Fritz-Walter-Sekts geschickt: „Die habe ich nie aufgemacht, sie stehen immer noch bei meinen Eltern im Regal.“

Fünf Jahre nach dem „Wunder von Bern“, das er als 33-Jähriger erlebte, beendete das Idol seine Laufbahn. Die Roten Teufel spielen seit 1985 im Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg, wo die Legenden des Clubs - neben den Brüdern Fritz und Ottmar Walter noch Horst Eckel, Werner Kohlmeyer und Werner Liebrich - in Bronze verewigt sind.

„Wenn wir als Kinder auf der Straße gekickt haben, wollte jeder Fritz Walter sein. Die Verehrung war damals tief in einem drin“, erzählt der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) noch heute spürbar bewegt. Beck war es auch, der den Fußballer im Jahr 2000 zum Ehrenbürger des Bundeslandes ernannte - ein Titel, den sonst niemand trägt.

Weil der geniale Spielmacher gerne wie im Endspiel von Bern bei Regen auflief, sprach man fortan oft von „Fritz-Walter-Wetter“. In Interviews über den WM-Triumph verwies der Ausnahmesportler immer wieder auf Bundestrainer Sepp Herberger - oder seine Mitspieler: Das Erfolgsgeheimnis sei „der zwölfte Mann gewesen: der Chef, der Herberger“ und „unsere wunderbare Kameradschaft“.

Horst Eckel, der Jüngste der damaligen WM-Mannschaft, hatte immer ein besonderes Verhältnis zu Fritz Walter. Eine „Vater-Sohn-Beziehung“ sei es gewesen. Das Foto, wie die beiden auf Schultern von Zuschauern getragen werden und der Kapitän die Trophäe in der Hand hält, ist wohl das bekannteste von 1954.

Eckel glaubt nicht, dass sein Freund aus seinem 100. Geburtstag „was ganz Großes“ gemacht hätte. „Er war auch kein guter Redner. Also, wenn er eine Rede gehalten hat, dann hat er es jedenfalls nicht gern gemacht“, sagte er lächelnd. Der letzte Überlebende der 54er Helden hofft, dass er Fritz Walter irgendwann im Himmel wiedersieht. „Dann machen wir weiter mit dem Fußball, wie wir es früher gemacht haben. Es war eine schöne Zeit.“

© dpa-infocom, dpa:201030-99-143331/2

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Erstellt:
30. Oktober 2020, 11:41 Uhr

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