Handball-Bundesliga ohne Balingen

HBW nach dem Abstieg am Scheideweg

Wolfgang Strobel, der Geschäftsführer der Balinger Handballer, nimmt beim Projekt Wiederaufstieg in die Handball-Bundesliga die komplette Region Zollernalb in die Pflicht und setzt auch weiterhin auf Trainer Jens Bürkle, der bis 2024 unter Vertrag steht.

HBW-Spielmacher Björn Zintel (re., gegen Frisch-Auf-Abwehrspezialist Josip Sarac).

© Pressefoto Baumann/Alexander Keppler

HBW-Spielmacher Björn Zintel (re., gegen Frisch-Auf-Abwehrspezialist Josip Sarac).

Von Jürgen Frey

Eigentlich wollte Wolfgang Strobel gar nicht in den Liveticker schauen. Gegen Ende tat es der Geschäftsführer des HBW Balingen-Weilstetten dann doch. Das Ergebnis war frustrierend: Durch das 22:21 von GWD Minden gegen den HC Erlangen steht der HBW schon vor dem letzten Spieltag am Sonntag (15.30 Uhr) als Absteiger aus der Handball-Bundesliga fest. Zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte nach 2017. „Das ist schon sehr bitter für uns. Wenn wir am Mittwoch bei unserem 23:23 gegen die Füchse Berlin zwei Punkte geholt hätten, hätten wir unser Endspiel am Sonntag beim HC Erlangen gehabt. So haben wir es nicht – und das tut einfach weh“, ärgerte sich Strobel. Zwei Punkte und die gegenüber Minden um 42 Treffer schlechtere Tordifferenz sind nicht aufzuholen.

Oft nicht am Limit

Warum es nicht gereicht hat? Die Mannschaft von Trainer Jens Bürkle konnte im Gegensatz zur starken Saison 2020/21 mit satten 29 Punkten viel zu selten ihr Potenzial auf die Platte bringen. „Wir sind nicht oft genug über unsere Limit hinausgekommen, haben zu wenige herausragende Leistungen gebracht“, analysiert Strobel.

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Nur sechs Siege, im Vergleich zu 13 in der vergangenen Saison sagen schon alles. Die schwache Bilanz auch in den vielen Verletzungen begründet: Regisseur Lukas Saueressig spielte nur selten, Kreisläufer Marcel Niemeyer überhaupt nicht. Routinier Oddur Gretarsson stieß erst spät hinzu. Auch die Abgänge von Schlüsselspielern konnten nur ansatzweise ausgeglichen werden. So gelang es Simon Sejr nicht, Torwart Mike Jensen (zum SC Magdeburg) zu ersetzen, die Halbrechten, Nikola Stevanovic und Uros Todorovic waren nicht in der Lage, Vladan Lipovina zu entlasten. Zu groß war deshalb die Abhängigkeit vom Torjäger aus Montenegro (176 Saisontreffer). Der Linkshänder wird nicht zu halten sein und steht vor einem Wechsel zur HSG Wetzlar, als Ersatz für seinen verletzten Landsmann Stefan Cavor (Kreuzbandriss) Zudem kam Rückraumspieler Jona Schoch zu selten an seine Leistungsgrenze.

Mentalität annehmen

Aus all dem gilt es jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Wir sind es jedem schuldig, in der zweiten Liga vorne dabei zu sein“, stellt Strobel klar. „Ob wir dann den Wiederaufstieg schaffen, hängt davon ab, ob wir die kampfbetonte Mentalität annehmen, die in der zweiten Liga entscheidend ist.“

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Der HBW befindet sich am Scheideweg. Strobel nimmt in diesem Zusammenhang die komplette Region Zollernalb mit ins Boot. „Wenn wir wieder in die Bundesliga möchten und dort auch bleiben wollen, brauchen wir eine stärkere Unterstützung aus diesem Ballungsgebiet“, betont der frühere Abwehrspezialist und geht verbal in die Offensive: „Sonst sind wir auf Dauer nicht mehr als ein guter Zweitligist.“ Es geht um mehr Geld, es geht um eine größere Halle. Denn die Entwicklung der HBL bringt es mit sich, dass immer weniger Clubs von der Kragenweites des HBW (Hallenkapazität 2320 Zuschauer) in der Eliteliga vertreten sind. Im Vorjahr konnte Balingen Clubs auf (finanzieller) Augenhöhe wie die Eulen Ludwigshafen, die HSG Nordhorn-Lingen, TuSEM Essen und den HSC 2000 Coburg hinter sich lassen. Alle vier stiegen aber ab, hoch kamen der TuS N-Lübbecke und der HSV Hamburg. „Diesmal waren wir 17. in der Etat-Tabelle und 17. in der Abschlusstabelle“, stellt Strobel fest.

200 000 Euro weniger TV-Geld

Rund 3,2 Millionen Euro hatte der HBW zur Verfügung. In der zweiten Liga fallen mindestens die etwa 200 000 Euro Fernsehgelder weg. Den Abgängen von Tim Nothdurft (Bergischer HC), Matthias Flohr (Trainer Bayer Dormagen), Gregor Thomann (HSG Konstanz), James Scott (Frederic HK/DEN), Marcel Niemeyer, Björn Zintel (beide unbekannt) und Fabian Wiederstein (SG BBM Bietigheim) stehen bisher die Zugänge Felix Danner (HSG Wetzlar) und Filip Vistorop (RK PDD Zagreb/CRO) gegenüber. Keine leichte Aufgabe für Bürkle (Vertrag bis 2024). Strobel: „Natürlich ist er als Trainer auch mitverantwortlich für den Abstieg, aber er ist ein absoluter Fachmann, der junge Spieler entwickelt, überragende Arbeit abliefert und den Verein zu 100 Prozent lebt.“ Soll heißen: Der Coach ist auf dem steinigen Weg zurück in Liga eins das kleinste Problem.

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Erstellt:
10. Juni 2022, 16:04 Uhr
Aktualisiert:
10. Juni 2022, 16:31 Uhr

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