Hoeneß' Polterabend: Attacke gegen ter Stegen und den DFB

dpa München. Manuel Neuer verbringt beim Auftaktsieg der Bayern in der Champions League einen ruhigen Abend im Tor. Hinterher rückt er trotzdem in den Fokus. Verantwortlich dafür ist ein Wut-Bayer, der bei der Führung der Nationalelf Kopfschütteln auslöst.

Thomas Müller (l) und Co. setzten sich souverän gegen Belgrad durch. Foto: Sven Hoppe

Thomas Müller (l) und Co. setzten sich souverän gegen Belgrad durch. Foto: Sven Hoppe

Uli Hoeneß trat noch mal als polternder Wut-Bayer auf. Der in zwei Monaten scheidende Präsident verspürte nach dem geglückten Start des FC Bayern in die Champions League erheblichen Redebedarf - aber kaum zum Spiel.

Dieser entlud sich nach dem 3:0 (1:0) gegen Roter Stern Belgrad nahe Mitternacht in einem polemischen Rundumschlag zum aufgeregten Torwart-Disput in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Beim flammenden Plädoyer für Manuel Neuer wütete Hoeneß gegen dessen Rivalen Marc-André ter Stegen, den DFB und Joachim Löw, freilich ohne den Namen des Bundestrainers während seines Münchner Polterabends zu nennen.

„Wir werden den Leuten schon mal ein bisschen Feuer geben – das können wir“, drohte der 67-Jährige am Ende seiner Tirade. Es war eine gezielte Gemeinschaftsaktion der Bayern-Bosse, denn schon vorm Anpfiff hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im TV-Sender „Sky“ das Thema Neuer/ter Stegen befeuert, als er „Klartext“ seitens des DFB und „ein Stück Dankbarkeit“ gegenüber Neuer einforderte.

Hoeneß verschärfte zweieinhalb Stunden später die Tonlage. Frontal griff er Barcelona-Keeper ter Stegen an, dessen öffentliche Klage über die erneute Reservistenrolle bei den ersten Länderspielen der EM-Saison gegen die Niederlande und Nordirland einen Disput auch mit Kapitän Neuer ausgelöst hatte. „Er hat überhaupt keinen Anspruch, da zu spielen“, stänkerte Hoeneß gegen ter Stegen. Neuer habe nach der langen Fußverletzung seine „alte Form“ wiedergefunden. Daher könne es doch „gar keine Diskussion“ um die Nummer eins geben, meinte Hoeneß.

Dann kamen der Verband - und damit Löw - dran. „Ich hätte mir auch vom DFB mehr Unterstützung erwartet“, beschwerte sich Hoeneß. Das wiederum irritierte DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der auf Nachfrage konterte: „Die Vorwürfe überraschen mich, und ich habe dafür auch kein Verständnis.“

Hoeneß legte nach einer Nacht bei einem Basketball-Termin in der Münchner Arena sogar noch einmal nach: „Von den handelnden Personen hätte ich schon erwartet, dass man den Herrn ter Stegen mal in die Ecke stellt und ihm mal klar sagt, dass es so nicht geht.“

Am Abend zuvor erinnerte er auch noch mal an die Ausmusterung der Ex-Weltmeister Mats Hummels, Thomas Müller und Jérôme Boateng im Frühjahr dieses Jahres durch Löw. „Wir kriegen ständig vom DFB Theater, zuerst die unmögliche Ausbootung, wie die drei Spieler schlecht behandelt wurden. Und jetzt dasselbe mit Manuel Neuer.“

Dass es die DFB-Verantwortlichen zuließen, „dass ein Mitspieler (ter Stegen) in die Öffentlichkeit geht für ein Thema, dass er nur mit dem Jogi Löw zu besprechen hat, das ist nicht in Ordnung! Wir werden uns das in Zukunft nicht mehr gefallen lassen, dass unsere Spieler hier beschädigt werden ohne Grund.“

Die Münchner Presse bedachte Hoeneß auch noch mit Kritik, weil sie nicht für Neuer Partei ergreife, während „die westdeutsche Presse“ den Ex-Gladbacher ter Stegen „extrem“ unterstütze, „als wenn er schon 17 Weltmeisterschaften gewonnen hätte“.

Neuer, der beim Pflichtsieg gegen Belgrad durch Tore von Coman, Lewandowski und Müller - anders als DFB-Rivale ter Stegen tags zuvor bei Barcelonas 0:0 in Dortmund - einen weitgehend arbeitslosen Dienst im Tor verrichtet hatte, hielt seinen nächsten Beitrag zur eskalierenden Torwart-Debatte möglichst kurz. „Unterstützer zu haben, ist natürlich immer gut“, sagte er zur gezielten Rückendeckung der Münchner Bosse, die aktuell gerade das Ziel verfolgen, den Vertrag des Torwartes vorzeitig über das Ablaufdatum 2021 zu verlängern.

„Ich will hier nicht großartig eine Debatte führen und darüber reden, was wer wie gut kann“, bemerkte Neuer zum deutschen Torhüter-Ranking. „Ich will einfach meinen Job erledigen.“ Das gelingt dem 33-Jährigen schon länger wieder auf höchstem Niveau. Darum ist er weiterhin bei Löw die Nummer 1. Der Bundestrainer bewies größtmögliche Dankbarkeit gegenüber Neuer übrigens, als er den Schlussmann trotz dessen langer Verletzungspause und fehlender Spielpraxis bei der WM 2018 ins Tor stellte - und nicht ter Stegen, der ihn davor top vertreten hatte.

Bierhoff hob dieses Verhalten von Löw hervor. Neuer sei „entgegen einiger kritischer Stimmen die Nummer eins in Russland“ gewesen. Er sei auch nach dem eingeleiteten Umbruch „unser Kapitän“ und habe in den zwölf Länderspielen seit der WM zehnmal komplett durchgespielt. „Das sind doch eindeutige und ganz entscheidende Statements der Trainer“, schlussfolgerte Bierhoff. „Man muss sich da schon die Fakten anschauen“, sagte er an die Adresse der Bayern-Bosse.

„Ich finde, dass die Diskussion überhaupt nicht stattfinden darf“, bemerkte Bayern-Coach Niko Kovac sachlich zur Torhüterhierarchie. Neuer bringe „seit zehn Jahren Topleistungen“. Klären muss Löw das Spannungsfeld dennoch, spätestens bei den nächsten Länderspielen gegen Argentinien (Test) und in Estland (EM-Quali) im Oktober. „In der Öffentlichkeit lässt man das wabern“, monierte Rummenigge.

Bierhoff sieht das anders: „Der Bundestrainer hat schon Ende letzten Jahres gesagt, dass er bis zur EM auf Manu baut, wenn nichts Außergewöhnliches passiert. Ich weiß nicht, ob man das ständig wiederholen muss, zumal Manus gerade zuletzt gezeigten Leistungen doch absolut für ihn sprechen.“ Trotzdem werde auch ter Stegen „seine Einsätze bekommen“. Neuer verfolgt und registriert jede Entwicklung genau. „Wenn es Gesprächsbedarf gibt, dann wird es den geben, wenn nicht, dann nicht“, äußerte er am Mittwochabend vage. Hoeneß verließ nach dem am Ende angemessenen Bayern-Sieg gegen Belgrad die Arena derweil „sehr zufrieden“ - offensichtlich auch mit sich selbst.

Uli Hoeneß sagte mal wieder klar seine Meinung. Foto: Sven Hoppe

Uli Hoeneß sagte mal wieder klar seine Meinung. Foto: Sven Hoppe

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Erstellt:
19. September 2019, 16:27 Uhr

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